Nils Zeizinger
ON STAGE
Wie du jede Rede rockst – von der Präsentation zur Performance
Campus ▪ Frankfurt/New York
Über das Buch
Ob Firmenrede, Vortrag oder Präsentation – wer vor Publikum steht, sollte eine gute Show abliefern. Doch für viele Menschen ist öffentliches Reden kein Vergnügen und Entertainment auf der Bühne der blanke Horror. Wie eine gute Performance gelingen kann, ohne sich zu verstellen, zeigt auf kurzweilige und ganz praktische Weise »On Stage«. Das Buch liefert die wichtigsten Tipps für eine rundum gelungene Show: • Wie finde ich die richtigen Worte für meinen Text? • Was tun bei Lampenfieber oder einem Blackout? • Wie setze ich meine Stimme richtig ein? • Wohin mit meinen Händen? • Wie reagiere ich auf technische Pannen oder fiese Fragen?
ICH WIDME DIESES BUCH MEINEM OPA, WOLFGANG REICH. DEINE ENERGIE, DEINE INTEGRITÄT UND DEINE UNBEZWINGBARE LEBENSFREUDE SIND MEINE GRESSER.
INHALT
INTRO
DREI TIPPS ZUM START
ÄHM!?
WOHIN MIT MEINEN HÄNDEN?
WAS TUN BEI EINEM BLACKOUT?
1. MEDIZIN GEGEN LAMPENFIEBER
DU BIST NICHT ALLEIN
WIE BEKOMMEN LAMPEN FIEBER?
GEGENMITTEL
MEIN FREUND, DAS LAMPENFIEBER
2. VON DER IDEE ZUM TEXT
INSPIRATION
SO KANN ICH NICHT ARBEITEN!
STIL UND STYLE
3. SELF- UND SOUNDCHECK
SPIEGLEIN, SPIEGLEIN
EIN GITARRIST OHNE GITARRE
BÜHNE UND SOUND
EYE OF THE TIGER
4. STIMME, KÖRPER UND RAUM NUTZEN
ORALVERKEHR
MIMIK, GESTIK, PLASTIK
ÄUSSERLICHKEITEN
POWERPOINT, FLIPCHART UND CO.
5. KOMPLIKATIONEN
HUSTEN, WIR HABEN EIN PROBLEM
MIT ANLAUF INS FETTNÄPFCHEN
EINE ODE AN DAS SELBSTVERTRAUEN
6. AUF FRAGEN, KRITIK UND BULLSHIT REAGIEREN
GEBEN UND NEHMEN
FAQ
MIT VERLAUB, SIE SIND EIN ARSCHLOCH!
OUTRO
ZUGABE
PEACE OUT
ZUM WEITERLESEN
ONLINE
QUELLENNACHWEIS
WEITERE ZITATE
ÜBER DEN AUTOR
INTRO
Die ersten Worte sind entscheidend – bei einem Date, einem Vortrag und einem Buch. Wie also beginnen? Dieser Druck! Ich gebe die Verantwortung besser ab – wenn einer den Einstieg versaut, dann lieber Freddie Mercury als ich: »Ich bin auf der Bühne so kraftvoll, als hätte ich ein Monster erschaffen. Ich bin so extrovertiert, wenn ich performe. Aber innerlich bin ich ein ganz anderer Mensch.« Danke, Freddie – damit kann man doch arbeiten! 13. Juli 1985, London, Wembley-Stadion: das Monster in Aktion. Die britische Rockband Queen stürmt die Bühne, um Abertausende Fans mit einem 20minütigen Hit-Medley von »Bohemian Rhapsody« bis »We Are The Champions« in Ekstase zu versetzen. Weltweit schauen knapp zwei Milliarden Menschen zu. Freddie Mercury peitscht das Publikum bereits vor dem ersten Ton auf – energiegeladen, vor Selbstbewusstsein strotzend und offenbar dennoch locker und gut gelaunt. Was folgt, ist einer der denkwürdigsten Auftritte in der Geschichte der Rockmusik. Kritiker und Fans sind sich einig: Die beeindruckende Performance von Queen bei dem Wohltätigkeitskonzert »Live Aid« ist nicht zuletzt dem grandiosen Entertainer mit der Bombast-Stimme zu verdanken. Doch Freddie Mercury wurde nicht als Ausnahmekünstler geboren. Streng genommen wurde er gar nicht geboren, sondern geschaffen. Geboren wurde Farrokh Bulsara in Sansibar, der nach einer erzwungenen Umsiedlung nach England in die Fußstapfen seines Vaters treten und Buchhalter werden sollte. Es kam anders. Farrokh ging nach London, studierte Kunst und wurde Musiker. Um seine introvertierte Ader zu verdecken, schuf er ein Alter Ego, eine Kunstfigur für die Bühne: Freddie Mercury. Er trieb die Identifikation mit seiner neuen Rolle so weit, dass er nur noch mit »Freddie« angesprochen werden wollte und selbst in seinem Ausweis den Namen »Frederick Mercury« eintragen ließ. Natürlich gibt es Menschen, die mit besonderem Charisma oder außergewöhnlichen Talenten gesegnet sind, doch wir sollten nie vergessen: Selbst die größte Rock-Ikone kommt nicht als Rampensau zur Welt. Hinter den
meisten schillernden Stars steckt viel glanzlose Arbeit. Oder wie es Howard Carpendale ausdrückte, der mit Schlagern 25 Millionen Tonträger verkauft hat: »Über Nacht berühmt wird man nur dann, wenn man über Tag hart gearbeitet hat.« Häng deshalb auch nicht dem Mythos vom »geborenen Redner« nach – er gehört ebenfalls ins Fabelreich. Du musst kein Naturtalent sein, um richtig gut oder gar einer der Besten deines Fachs zu werden. Das vorliegende Buch richtet sich nicht primär an Rockstars und solche, die es werden wollen. Es ist für alle Menschen gedacht, die on stage »performen« – sei es im privaten oder beruflichen Kontext. Es ist für alle Menschen, die auf den großen und kleinen Bühnen dieser Welt Reden, Vorträge und Präsentationen halten. Dabei spielt es keine Rolle, ob du regelmäßig vor Kunden, Geschäftspartnern und Kollegen sprichst oder nur hin und wieder bei Familienfeiern das Wort ergreifst. Raum für Entwicklung gibt es immer. Zudem dürfen sich alle Künstler¹ angesprochen fühlen, die mit ihrer Stimme »arbeiten« – wie Kabarettisten, Poetry Slammer oder Vokalisten. »On Stage« ist ein Praxisbuch. Seitenlange theoretische Abhandlungen wirst du vergeblich suchen. Hier geht es um ganz konkrete Tipps, wie du dich auf einen Auftritt vorbereitest und ihn bestmöglich absolvierst. Du benötigst keinerlei Vorkenntnisse – weder in Sachen Rhetorik noch in Sachen Sex, Drugs & Rock ’n‹ Roll. Was haben wir vor? Hier ein kurzer Überblick: Für viele Menschen ist öffentliches Reden kein Vergnügen, sondern eher ein notwendiges Übel, eine Zumutung oder die reinste Horrorvorstellung. Du darfst vor und auf der Bühne durchaus eine gewisse Anspannung empfinden, es sollte allerdings keine Angst oder Panik sein. Deshalb »verschreibe« ich dir in KAPITEL 1 zunächst sehr wirksame »MEDIZIN GEGEN LAMPENFIEBER«. In KAPITEL 2 »VON DER IDEE ZUM TEXT« widmen wir uns der Grundlage deiner Performance – dem Text. Ich möchte dir die wichtigsten Dos & Don’ts beim Schreiben vorstellen, die einerseits helfen, grundlegende Fehler zu vermeiden, andererseits die Basis für einen runden, klaren und starken Text sind. Zudem geht es um die Fragen: Wie fängst du an? Wie kommst du zu Ideen? Welche Arbeitsbedingungen solltest du dir schaffen? Wenn der Text steht, geht es an die Vorbereitung des Auftritts. Musiker proben
vor einem Gig ihre Songs wieder und wieder. Was tust du? Wie machst du dich fit für die Show? In KAPITEL 3 »SELF- UND SOUNDCHECK« findest du viele Tipps, wie du bereits lange vor dem eigentlichen Auftritt die Weichen für eine gelungene Performance stellst. Und die Vorbereitung endet erst, wenn du die Bühne betrittst. Denn vorher solltest du pünktlich zum Veranstaltungsort kommen, das Mikrofon testen, Laptop und Beamer einrichten, vom Catering naschen, das richtige Energielevel finden und vieles mehr. Daher widmen wir uns im dritten Kapitel auch den letzten Stunden und Minuten vor dem Auftritt. In KAPITEL 4 geht es darum, wie du optimal »STIMME, KÖRPER UND RAUM NUTZEN« kannst. Worauf ist beim Einsatz der Stimme, der Augen und der Hände zu achten? Wie viel Bewegung ist auf der Bühne erlaubt und gefordert? Welches Outfit ist angemessen, welches ist »hilfreich«? Zudem unternehmen wir einen kleinen Exkurs in die Welt von PowerPoint, Flipcharts und Co. Doch was ist, wenn auf der Bühne etwas schiefgeht? Ursachen gibt es viele – von mangelhafter Vorbereitung über eine fiese Erkältung bis hin zu technischen Pannen. In KAPITEL 5 reden wir über mögliche »KOMPLIKATIONEN« und darüber, wie man sie in den Griff bekommt.
»Der Schlüssel zu einer guten Performance ist Vorbereitung.«
Richtig unangenehm wird es, wenn es Gegenwind aus dem Publikum gibt. In KAPITEL 6 zeige ich dir anhand vieler praktischer Beispiele, wie du »AUF FRAGEN, KRITIK UND BULLSHIT REAGIEREN« kannst. Ich möchte dir die wichtigsten Werkzeuge an die Hand geben, die du für das öffentliche Reden brauchst. Wenn du die Tipps beherzigst, wird aus dir zwar immer noch kein Freddie Mercury, aber du wirst deine Performance auf ein neues Level heben und dein Publikum begeistern.
Die Präsentation der Quartalszahlen bei einem Firmenevent und ein Gig bei »Rock am Ring« wirken auf einen flüchtigen Blick sehr verschieden. Sie sind es aber nicht! Die Grundsituation ist die gleiche, die Herausforderung ebenso und eine Grundregel eint ohnehin beide Situationen: Der Schlüssel zu einer guten Performance ist Vorbereitung. Und rocken sollten nicht nur die Rocker! Jeder, der die Aufmerksamkeit und Zeit eines Publikums in Anspruch nimmt, sollte sich als Entertainer verstehen, eine gute Show bieten, unterhalten und mitreißen. Wenn du dich nun fragst, was gerade mich berechtigt, ein solches Buch zu schreiben, antworte ich kurz und knapp: 20 Jahre Bühnenerfahrung. Das geschriebene und gesprochene Wort begleitet mich schon mein Leben lang in meiner Arbeit als Texter, Sprecher, , Kommunikationsberater, Medientrainer, Trauredner und Musiker. Bei Hunderten von Auftritten habe ich kleine Tricks und große Erfahrungen gesammelt, die ich auf diesem Wege weitergeben möchte. Fangen wir also direkt an!
DREI TIPPS ZUM START
ÄHM!?
Ähm, ganz gleich, wie gut deine äh Stimme, wie ähm stimmig dein Text oder wie stimmungsvoll deine äh Performance ist – »äh« und »ähm« sind Stimmungskiller. Wir wollen diese Füllwörter nicht lesen und wir hören sie auch nicht gern. Sie unterbrechen den Sprachfluss und schwächen die Botschaft. Sie vermitteln Nervosität und Unsicherheit. Sie sorgen bei deinem Publikum für Desinteresse oder Antipathie. Wir nutzen Füllwörter natürlich unbewusst. Deshalb fällt den meisten ihr inflationärer Einsatz gar nicht auf. Andere haben sich mit ihren »Ähms« längst abgefunden und meinen, sie bräuchten diese, um nachzudenken und den Anschluss zu finden. Da widerspreche ich mit einem entschiedenen: Äh, nein! Du brauchst vielleicht eine kurze Pause, aber sicher kein Füllwort. Es gibt einen einfachen Trick: Schließe den Mund, wenn du eine Sprechpause machst. Schließe den Mund am Satzende und bei jeder anderen natürlichen Pause des Satzes. Warum? Versuch mal, »ähm« mit geschlossenem Mund zu sagen. Es wird dir nicht gelingen. Ist der Mund geschlossen, erzeugst du eine natürliche Pause. Die klingt besser als jedes Füllwort und gibt dir dennoch einen Moment für den nächsten Einstieg.
WOHIN MIT MEINEN HÄNDEN?
Behalte die Kontrolle – über deinen Text, deine Stimme und deinen Körper! Was machst du während eines Vortrags mit deinen Händen? Das hängt zunächst davon ab, ob du ein Mikrofon, ein Manuskript oder einen Klicker für deine Präsentation in der Hand hast. Die meisten Menschen fühlen sich auf der Bühne weniger verloren, wenn sie sich buchstäblich an etwas festhalten können. Im besten Fall gilt allerdings: Sprich frei – auch mit den Händen. Erfordern die Gegebenheiten eine Mikrofonierung, sind das Clipmikro oder das Headset die erste Wahl. Auf ein Manuskript verzichtest du bestenfalls, ebenso wie auf den Klicker. Deine Performance ist wirkungsvoller, wenn du mit deiner Körpersprache das Gesagte akzentuiert unterstützt. Sind beide Hände frei, ist deine Grundposition die folgende: Du umfasst mit den Fingern der rechten Hand den Daumen deiner linken Hand. Dann legst du die Finger der linken Hand über dem Handrücken der rechten Hand ab. Positioniere deine »verschränkten« Hände ungefähr auf Gürtelhöhe. Diese Handhaltung strahlt Ruhe und Sicherheit aus. Ein weiterer Vorteil: Du kannst dich an deinem Daumen »festhalten« und diesen sogar unbemerkt kneten, wenn du Anspannung abbauen musst. Aus dieser Grundposition heraus setzt du deine Hände mit gezielten Gesten ein. Verstärke deine Botschaften, betone prägnante Stellen, sorge für Aufmerksamkeit – und kehre immer wieder in die Grundposition zurück.
WAS TUN BEI EINEM BLACKOUT?
Du bist gut vorbereitet, du bist gut drauf, du bist mittendrin – und plötzlich verlierst du den Faden. Du weißt nicht, wie es weitergeht. Horror! Nichts wird so gefürchtet wie der berühmt-berüchtigte Blackout. Was tun? Das Wichtigste: Fall nicht aus der Rolle, bleib ruhig und professionell! Dein Körper reagiert unmittelbar mit erhöhtem Puls – steuere dagegen! Atme ein-, zweimal tief in den Bauch. Es denkt in deinem Kopf automatisch: »Verdammt, was ist der nächste Satz? Was mache ich jetzt? Ich bin verloren!« Denk aktiv dagegen: »Bleib ruhig, bleib souverän.« Manchmal reicht das schon, um den Anschluss wiederzufinden. Wenn nicht, suche den Anschluss in den Tiefen deines Hirns oder im Manuskript. Das kann zwar einige Sekunden dauern, aber dafür hat jedes Publikum der Welt Verständnis. Versuche, die Blockade zu lösen, indem du deine Körperhaltung und deinen Stand veränderst. Die Irritation deines Publikums wächst mit der Länge der Pause. Nach fünf Sekunden fällst du auf, nach zehn Sekunden musst du spätestens wieder sprechen. Floskeln wie »Einen kleinen Moment bitte« oder »Geben Sie mir eine Sekunde« sind eine Option – aber nicht die beste. Suche nicht krampfhaft nach dem einen, dem nächsten Wort in deinem Text. Wenn du inhaltlich weißt, was du sagen möchtest, formuliere um! Es kann auch ratsam sein, im Vortrag zum nächsten Abschnitt zu springen; vorausgesetzt, du hast den Einstieg parat und lässt nichts Wesentliches aus. Lässt es die Textstelle zu, kannst du dich auch ans Publikum wenden: »Gibt es bis hierhin Fragen? Hat damit schon jemand Erfahrungen gemacht?« Auf diese Weise gewinnst du wertvolle Sekunden. Trifft dich der Blackout mitten im Satz, kommt hier Trick 17: Mach ein nachdenkliches Gesicht (Das dürfte dir in diesem Moment nicht so
schwerfallen!), nimm eine andere Position ein und sprich die magischen Worte: »Lassen Sie es mich anders sagen …« Nun fährst du mit einer neuen Formulierung oder einem neuen Gedanken fort. Wenn du Haltung bewahrst, fällt dein Aussetzer in den meisten Fällen gar nicht auf. Vielleicht ist es eine künstlerische Pause?! Vielleicht ist es kein zerebraler Stromausfall, sondern ein genialer Geistesblitz, der deine Gedanken unterbrochen hat! Entscheidend ist, wie du mit dem Texthänger umgehst. Peinlich wird es nur, wenn du hektisch wirst.
1. MEDIZIN GEGEN LAMPENFIEBER
Wir gehen gleich dahin, wo es wehtut: LAMPENFIEBER! Du kannst dir Unmengen theoretisches Wissen aneignen, dich wochenlang intensiv auf einen Auftritt vorbereiten – aber was nützt all das, wenn du dich schlussendlich nicht auf die Bühne traust? Das ist der Worst Case. Nicht ganz so dramatisch, aber immer noch ärgerlich ist es, wenn das Lampenfieber deine Performance beeinträchtigt. Du sprichst schneller, atmest gehetzt, deine Stimme wird höher, du wirkst fahrig oder es kommt zum Blackout. Last but really not least: Es nervt einfach, wenn das Lampenfieber dir den Spaß an einem bestenfalls freudigen, im Regelfall mindestens gewinnbringenden Ereignis nimmt. Ein wenig Aufregung ist völlig normal und fördert die Konzentration. Problematisch wird es allerdings, wenn die Angst die Oberhand gewinnt und droht, dich zu verschlingen. Besiege deine Dämonen! Oder lerne zumindest, mit ihnen zu leben.
DU BIST NICHT ALLEIN
Entspann dich! Du musst dich nicht ärgern oder dafür schämen, dass du nicht so kool bist, wie andere wirken. Denn meist trügt der Schein. Das beste Beispiel: Rockstars strahlen Selbstbewusstsein und Gelassenheit aus, doch auch sie leiden unter Lampenfieber. Paul McCartney hätte in den Anfangstagen bei den Beatles fast hingeschmissen, weil er vor Gigs regelmäßig mit den Nerven am Ende war. Barbara Streisand betrat mehr als 20 Jahre keine Bühne, nachdem sie bei einem Konzert einen Texthänger hatte. Selbst Ozzy Osbourne, der Fürst der Finsternis mit 50 Jahren Bühnenerfahrung, gesteht in seiner Autobiografie: »Zu sagen, dass ich Nervenflattern vor einer Show habe, ist genauso wie zu sagen, dass es nur ein bisschen wehtut, wenn man von einer Atombombe getroffen wird.« Auch den King of Pop, Michael Jackson, trieben sehr »bürgerliche« Gedanken um: »Ich bin wie jeder andere. Ich blute, wenn ich mich schneide, und ich schäme mich schnell.« Johnny Cash, Eddie van Halen, Annie Lenox, Noel Gallagher, Robbie Williams, Lady Gaga – die Liste mit Stars, die sich öffentlich zu ihrem Lampenfieber bekannt haben, ließe sich endlos fortsetzen. Lampenfieber ist ein typisches Bühnenphänomen – für Laien wie für Profis. Laut Expertenschätzungen kennen rund 80 Prozent aller Menschen die Angst vor einem Auftritt. Meist wächst das Lampenfieber, wenn wir uns im Zentrum der Aufmerksamkeit wähnen. Alle starren mich an! Ich bin ausgeliefert! Auch wenn viele Ausnahmen die Regel bestätigen: Bei Bands haben die Vokalisten häufig mehr mit Lampenfieber zu kämpfen als die Instrumentalisten, da der Fokus des Publikums die meiste Zeit auf sie gerichtet ist. Was ein Sänger – oder in meinem Fall Rapper – macht, kriegen alle mit. Phil Collins kennt beide Seiten: Er war bei Genesis erst Drummer und ist eher notgedrungen zum Sänger geworden, als Peter Gabriel 1975 aus der Band ausgestiegen ist. Seine Reaktion auf den möglichen Rollenwechsel soll ungefähr so ausgesehen haben: »Bist du verrückt? Ich bin der Drummer. Ich will nicht
vorne stehen und mit dem Hintern wackeln. Zwischen mir und dem Publikum ist ein Sicherheitsabstand – mein Schlagzeug – und das ist gut so.« Die Erklärung für seine ablehnende Haltung liefert er gleich mit: »[…] vor Publikum aufzutreten und nur ein Mikrofon vor sich zu haben, anstatt wie sonst eine Reihe Becken, das kostet Überwindung.« Wenn du alleine auf der Bühne stehst, zum Beispiel im Rahmen eines Vortrags, weißt du, wovon Phil Collins spricht – die Augen des Publikums richten sich automatisch auf dich.
WIE BEKOMMEN LAMPEN FIEBER?
Oder anders gefragt: Was ist Lampenfieber? Für Showlegende Dieter Thomas Heck ist es »nichts anderes als Achtung vor dem Publikum«. Für mich war es bei meinen ersten Gigs vor allem ein staubtrockener Mund. Ich musste ununterbrochen Wasser trinken. Was bedeutete, dass ich auch ununterbrochen auf die Toilette rennen musste. War super! Eine Flasche Wasser habe ich auch heute noch bei jedem Auftritt dabei – einfach um sicherzugehen, dass ich auf der Bühne versorgt bin. Viel Reden oder Singen trocknet die Kehle zwangsläufig aus, deshalb ist stilles Wasser auf der Bühne ein Muss. Am besten im Glas oder in einer Flasche ohne Schraubverschluss, damit man nicht beide Hände benutzen muss. Aus diesem Grund habe ich mir auch irgendwann einen Mikrofonständer zugelegt, bei dem ich die Höhe einhändig mit einem Griff einstellen kann. Aber das nur am Rande.
KÖRPERLICHE REAKTIONEN
Lampenfieber ruft bei jedem Menschen unterschiedliche körperliche Reaktionen hervor. Weit verbreitet sind neben dem trockenen Mund: Herzrasen, Schweißhände, Bauchschmerzen, weiche Knie, Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen. Manche müssen heulen, andere müssen sich übergeben. Den meisten wird heiß. Viele sind unruhig und wollen am liebsten losrennen – oder besser gesagt: flüchten. Im Extremfall steigert sich das Lampenfieber zu einer Panikattacke. Spätestens an diesem Punkt solltest du dich nicht nur einer nahestehenden Person anvertrauen, sondern auch deinem Hausarzt oder einem Psychologen. Suche professionelle Hilfe, wenn dein Lampenfieber ein krankhaftes Ausmaß annimmt, das dich fertigmacht. Im »Normalfall« ist Lampenfieber zwar ziemlich ätzend, aber doch irgendwie beherrschbar. Auch wenn ich zugebe, dass der Grat schmal sein kann. Was würdest du beispielsweise einem Musiker entgegnen, der dir anvertraut: »Ich bin nicht dazu geschaffen, Konzerte zu geben. Das Publikum verschüchtert mich. Ich fühle mich von seinem Atem gewürgt, paralysiert von ihren Blicken.« Du könntest den armen Kerl in den Arm nehmen und sagen: »Frédéric Chopin, wir zwei sollten mal reden.« Um das Feuerwerk an Zitaten zum Thema »Lampenfieber« mit einem Klassiker abzuschließen und damit reichlich plump zu den physiologischen Hintergründen überzuleiten, hier noch ein Bonmot von Mark Twain: »Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.« Tatsächlich beginnt das Lampenfieber in deinem Gehirn, denn von dort aus wird das Signal gesendet: Gefahr! Dein Körper schaltet in den Stressmodus. Die Nebennieren schütten Adrenalin aus, der Blutdruck steigt, die großen Muskelgruppen werden stärker durchblutet, der Herzschlag und die Atmung beschleunigt. Das Adrenalin regt auch den Fettabbau an, um Energie bereitzustellen. Dein Körper ist bereit! Wahrscheinlich so bereit, wie er schon vor 100 000 Jahren im Angesicht eines Säbelzahntigers gewesen wäre: Fight or
flight! Da du aber weder kämpfen noch fliehen kannst, wirst du zappelig oder starr vor Angst.
DAUERSTRESS
Viele Menschen spüren diese Anspannung nicht nur unmittelbar, bevor es auf die Bühne geht. Häufig sind schon die Stunden oder Nächte davor unruhig bis schlaflos. Wenn du bereits vor deinem Wecker wach wirst und dazu neigst, dich im Halbschlaf mit düsteren Gedanken runterzuziehen, steh auf! Sobald das Licht an ist, das kalte Wasser in deinem Gesicht oder der warme Kaffee in deinem Bauch ihre Arbeit getan haben, sieht die Welt schon freundlicher aus. Richtig problematisch wird es, wenn das Lampenfieber zum Dauerzustand wird. An deutschen Musikhochschulen sind die hochtalentierten Instrumentalisten und Sänger extremem Druck ausgesetzt, denn auf einen offenen Platz kommen oftmals mehr als hundert Bewerber. Zusammenbrüche sind hier an der Tagesordnung. Viele leiden unter chronischen Kopf- oder Rückenschmerzen, Übelkeit oder starkem Nasenbluten. Von der psychischen Belastung ganz zu schweigen. Wenn du dich angesprochen fühlst, gibt es Handlungsbedarf! Auch hinter den Opernkulissen herrscht der pure Stress: Die Musiker ähneln Sportlern im Wettkampf, die jeden Tag Spitzenleistungen bringen müssen – mit dem Unterschied, dass sie mit 30 noch nicht ans Karriereende denken können. Manche versuchen, sich mit Alkohol oder Tabletten »freizuspielen«; andere beruhigen sich mit Valium oder den berühmten rosa Pillen. Betablocker hemmen das Adrenalin und senken damit die Herzfrequenz und den Blutdruck. Sie machen locker, aber auch gleichgültig. Kein Adrenalinkick, kein Glücksgefühl nach der Show.
KEINE MACHT DEN DROGEN
Ich folge nicht nur meinem pädagogischen Auftrag (den ich mir jetzt einfach mal zugestehe), sondern auch meiner festen inneren Überzeugung, wenn ich dir sage: Opfere nicht deine Gesundheit! Ich rate dir eindringlich von jeglichem »Doping« ab – sei es zur Beruhigung, zum Aufputschen oder zur Anregung deiner Kreativität. Auch wenn Ernest Hemingway »Der alte Mann und das Meer« ohne Alkohol vielleicht nicht hätte schreiben können, auch wenn es das Sgt. PepperAlbum der Beatles ohne LSD nie gegeben hätte, auch wenn viele Rockstars von Jimi Hendrix und Jim Morrison bis Kurt Cobain und Amy Winehouse nicht als Vorbild taugen – bleiben wir in der Realität: Drogen sind Bullshit! Sie stören und zerstören. Ich bin kein Hardliner. Vor Gigs mit der Band gönne ich mir im gemütlichen Kreis auch manchmal ein Bier oder an guten Tagen drei Cuba Libre. Das ist dann allerdings der Partymodus. Der darf auch mal sein. Allerdings nur, wenn man immer noch funktioniert. Im beruflichen Kontext – bei Vorträgen, Moderationen, Traureden – verbiete ich mir jegliche »Genuss- oder Betäubungsmittel«. Das ist dann der seriöse Modus. Heute bin ich vor Auftritten, egal welcher Art, meistens entspannt – was sicher ein bisschen Typsache ist. Aber ich habe mir im Laufe der Zeit auch einige Tricks abgeschaut und Strategien entwickelt, die für mich gut funktionieren und die mir helfen, ruhig, optimistisch und voller Vorfreude eine Bühne zu betreten.
GEGENMITTEL
»Wenn man Lampenfieber hat, geht es nie weg. Aber dann frage ich mich: Ist die Angst der Schlüssel zu einer magischen Leistung?«, sagte und fragte einst Stevie Nicks. Ich gebe nur ungern Widerworte – vor allem Damen, aber im ersten Punkt muss ich der Frontfrau der US-amerikanischen Rockband Fleetwood Mac widersprechen. Meine Erfahrung ist eine andere. Und ich lege mich fest, dass es keine hoffnungslosen Fälle gibt! Selbst wenn das Lampenfieber nicht ganz verschwindet, kannst du zumindest die Temperatur deutlich senken. Du musst nur – Achtung, ich überstrapaziere die Metapher – die richtige Medizin finden. Wir starten mit zwei praktischen Beispielen aus dem Show-Business, von denen eines zur Nachahmung empfohlen ist. Du darfst raten, welches von beiden es ist. Nummer 1: Heinz Erhardt. Der Legende nach trug der Spaßbomber der Nation auf der Bühne eine Brille aus Fensterglas, um die Zuschauer nur verschwommen zu sehen. Nummer 2: Frank Sinatra. Um seine Aufregung zu 100 Prozent in Energie für die Performance zu verwandeln, begann er seine Shows mit einer schnellen Nummer. Interessanter Ansatz – auch wenn das getragene Intro damit flachfällt. Aber entscheide selbst! Wer gewinnt? Heinz oder Frank? Ist das spannend …!
BEWEGUNG
Ich löse auf: Frank Sinatra gewinnt, denn jeder Muskeleinsatz baut Adrenalin ab. Mach dich locker! Lass Dampf ab! Zu viel Adrenalin verspannt und verkrampft die Muskeln. Mister Moon River legt schwungvoll los, um seine überschüssige Energie konstruktiv zu nutzen. Beginne auch du mit Power und nimm dein Publikum mit. »Recklinghausen, seid ihr am Start!?« Vor dem Auftritt ist Bewegung ebenfalls ein bewährtes Rezept. Tob dich aus! Wie wäre es mit Tai-Chi? Yoga? Krafttraining oder Atemübungen? Keine Sorge: Es muss gar nicht in Sport ausarten. Lauf auf der Stelle, mach ein paar Kniebeugen oder wippe im Sitzen. Das geht alles auch auf engstem Raum. Und einen engsten Raum findest du immer. Ich habe bereits die Böden Dutzender öffentlicher Herrentoiletten »geküsst«, als ich mich dort mit Liegestützen für Gigs fit gemacht habe. Aber ich habe mir danach immer die Hände gewaschen. Also sagen wir, in neun von zehn Fällen. Okay, acht von zehn.
ATEMÜBUNGEN
Ein bewährtes Mittel gegen Stress sind Atemübungen. Die Kurzfassung: Mach langsam einige tiefe Atemzüge und pruste die Anspannung aus dem Körper. Leg dabei die Hand auf den Bauch, um sicherzugehen, dass sich dieser hebt und senkt. Denn Entspannung tritt nur ein, wenn du tief in den Bauch atmest. Halte die Luft nach dem Einatmen immer für einen Moment an. Du kannst auch deine Stimme einsetzen, indem du auf die Laute »sch« oder »tz« ausatmest.
GUTE VORBEREITUNG
Energie abbauen ist ein Weg. Aber im besten Fall kommt es gar nicht erst zu einer Überspannung, die Bewegung oder Atemübungen notwendig macht. Bei mir steht und fällt die Aufregung mit der Vorbereitung: Wenn ich gut vorbereitet bin, ist alles easy. Habe ich allerdings das Gefühl, der Text sitzt nicht 100prozentig, ich habe den Ablauf nicht parat oder es gibt andere Unwägbarkeiten, die Fragen aufwerfen, steigt meine Nervosität. Auf das Thema »Vorbereitung« kommen wir in Kapitel 3 (Self- und Soundcheck) noch ausführlich zu sprechen. Da du allerdings keinen wichtigeren Tipp in diesem Buch findest, sage ich es an dieser Stelle gerne ein erstes Mal mit Nachdruck: Bereite dich sorgfältig vor! Je tiefer du im Thema steckst, je häufiger du die Inhalte wiederholt hast und je präziser deine Vorstellung des bevorstehenden Auftritts ist, desto sicherer bist du, desto weniger Lampenfieber hast du und desto besser wird die Show. So einfach ist das. Auch wenn es der vermeintlichen Rockerweisheit »Wer probt, hat Angst« widerspricht. Ich rate allerdings davon ab, sich bis zur letztmöglichen Sekunde »verrückt zu machen«. Es ist keine gute Idee, den Text unmittelbar vor dem Auftritt noch mal durchzugehen. Irgendetwas wird dir entfallen – denn du bist noch nicht voll konzentriert, wahrscheinlich läuft im Hintergrund Musik oder andere Dinge lenken dich ab. Musst du bis zuletzt schwitzen, hast du deinen Job vorher nicht richtig gemacht. Spätestens wenn du zum Auftrittsort fährst, sollte deine inhaltliche Vorbereitung abgeschlossen sein. Kurz bevor du auf die Bühne gehst, legst du dir im Kopf nur die ersten zwei, drei Sätze zurecht. Wenn die sitzen, fließt der Rest hinterher.
ÄUSSERE UND INNERE ABLÄUFE
Manchen Menschen helfen Rituale gegen Lampenfieber. Gewohnheiten oder Abläufe, die sie vor jedem Auftritt routinemäßig abspulen. Immer Spaghetti, immer die gleichen Socken oder immer die gleichen Handgriffe vor der Show. Das gibt Sicherheit und das Gefühl: »Heute ist es nicht anders als sonst. Es hat immer geklappt, deshalb klappt es auch heute.« Lampenfieber ist Kopfsache. Tu mir einen Gefallen: Schließe für einen Moment deine Augen und stell dir Folgendes vor: Es ist heiß! 40 Grad. Es war ein langer Tag. Und plötzlich stehst du inmitten eines erfrischenden Sommerregens. Die kühlen Tropfen prasseln auf dein Gesicht, deine Schultern, deine Brust, deinen Rücken. Ahhh! Spürst du, wie sich dein Puls senkt und du ruhiger wirst? Ich nicht. Aber einigen Menschen helfen Gedankenspiele wie diese. Wenn du dazugehörst: Glückwunsch, du hast ein leicht verträgliches Gegenmittel für dein Lampenfieber gefunden! Warum es helfen soll, sich sein Publikum nackt vorzustellen, habe ich nie begriffen. Dazu bin ich auf der Bühne weder in der Stimmung noch in der Lage. Und wenn es klappen würde, hätte ich die Augen sicher nicht auf Texthöhe. Also keine gute Idee. Hilfreicher ist ein zärtlicher Gedanke an den Partner, die Kinder oder die Eltern: »Ich bin nicht allein. Ich habe einen Zufluchtsort. Mich erwarten offene Arme, egal was iert. Es gibt Wichtigeres als diesen Auftritt. Und weißt du was – sie glauben an mich! Deshalb gehe ich jetzt einfach da raus und gebe alles!« Eine wirksame Strategie! Wenn deine Liebsten im Publikum sitzen, können sie auch während der Show dein Anker sein – da reicht meist schon ein aufbauender Blick.
POSITIVES DENKEN
Egal, was du denkst, denke positiv! Die negativen Gedanken kommen von selbst, die positiven musst du aktiv dagegendenken. Erinnere dich an vorherige Auftritte, die gut gelaufen sind. Stell dir vor, es ist alles schon vorbei – und du hast gerockt! Freu dich auf das Glücksgefühl, die Erleichterung, den Stolz. Du hast dich gut vorbereitet, vertrau dir. Optimismus und eine Prise Gleichgültigkeit helfen. Gib einfach dein Bestes – und das jedes Mal! Egal, was dann iert, du hast dir nichts vorzuwerfen. Mich tröstet dieser Gedanke. Und hier noch einer für das Phrasenschwein: Alle Menschen machen Fehler. Sie werden ihnen vergeben. Wenn du nicht anders kannst, als den Auftritt und die möglichen Fettnäpfchen wieder und wieder im Kopf durchzugehen, ziehe daraus den richtigen Schluss: »Egal, was kommt, ich werde es überleben.« Nimm dich und deinen Auftritt nicht zu ernst. Alle zehn Sekunden verhungert ein Kind auf dieser Welt – nur mal so als Rahmung. Außerdem weißt du, so gut wie ich: Wenn es erst mal losgeht und läuft, fühlt es sich gut an! Meistens spürt man das Lampenfieber nur die ersten paar Sekunden oder Minuten des Auftritts. Danach kommt (bestenfalls) der Flow.
AKZEPTANZ
Besser wirst du ganz von selbst: »Reden lernt man nur durch Reden«, und Cicero muss es wissen. Mit der Routine wächst die Sicherheit und das Lampenfieber schrumpft. Falls du die Ausnahme bist, sollte also wie bei der Sängerin Adele nichts gegen deine Aufregung helfen, hilft immer noch das: Akzeptiere dein Lampenfieber. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen oder sich darüber zu ärgern. Sei kritisch mit dir und deiner Leistung, gerne auch brutal ehrlich – aber bitte nicht brutal! Und das Beispiel Adele zeigt: Grammys kann man auch mit Lampenfieber gewinnen. Man sieht dir den Stress meist nicht an. Wenn du nicht als zitterndes und sabberndes Wrack auf die Bühne taumelst, kannst du dich entspannen. Von dem, was du fühlst, sehen die Zuschauer nur ein Achtel – das sagen wenigstens die »Experten«. Einigen wir uns darauf, dass man deine Gedanken und den Schweiß an deinen Handinnenflächen definitiv nicht sieht. Was du fühlst, ist nur ein Signal deines Körpers: Du bist bereit für große Taten! Bevor wir zu den positiven Aspekten des Lampenfiebers kommen, zum Abschluss noch zwei praktische Tipps: Gegen Achselschweiß ist statt einer Entfernung der Schweißdrüsen weiterhin die Damenbinde unter den Armen die erste Wahl. Bei Schweißhänden hilft ein Tuch in der Hosentasche, mit dem du wenigstens vor dem nächsten Handschlag etwas Nässe loswerden kannst.
MEIN FREUND, DAS LAMPENFIEBER
Was wäre ein Schauspieler ohne Lampenfieber? »Nur halb so gut«, meint Mario Adorf. Das Adrenalin macht dich hellwach und konzentriert. Du spürst keinen Hunger, keine Schmerzen. Dein Reaktionsvermögen ist verbessert, dein Herz pumpt auf vollen Touren. Es kann losgehen! Du brauchst dieses Energielevel für Höchstleistungen. Der Adrenalinschub ist eine gesunde Reaktion des Körpers und vielleicht wirklich »der Schlüssel zu einer magischen Leistung«. Deshalb schimpfe nicht auf dein Lampenfieber – es will nur spielen. Als eine Art biologisches Warnsystem bewahrt uns das Adrenalin in jedem Fall vor hoffnungsloser Selbstüberschätzung. By the way: Es gibt keine kleinen Jobs! Jeder Auftritt verdient die gleiche Konzentration und Professionalität – ob du vor zehn oder zehntausend Menschen auftrittst. Allein dafür, dass das Lampenfieber uns Demut lehrt, sollten wir ihm dankbar sein. Zudem gibt es nichts Schlimmeres, als mit zu wenig Adrenalin im Blut, also unterspannt, auf die Bühne zu kommen. Es fehlt der Biss und Spaß macht es auch nicht. In der richtigen Dosis ist Adrenalin der beste Stoff – denn so fühlt sich Vorfreude an, Lust, kindliche Begeisterung. Für Elton John ist es der »perfekte Cocktail aus Besorgnis und Aufregung«: »Genauso sollte sich ein Performer fühlen, bevor er auf die Bühne geht. Es war befreiend und herausfordernd und erfüllend, weil es anders war als alles, was ich bisher gemacht hatte.«
FAZIT KAPITEL 1: Für acht von zehn Menschen gehört Lampenfieber auf der Bühne dazu. Es ist im Grunde ein sehr gewöhnliches Gefühl, auch wenn du es als außergewöhnlich erlebst. Finde deine Gegenmittel, um das Lampenfieber zu drosseln. Gib dir Zeit. Steh zu deinen Schwächen und lach über deine Fehler. So lebst du länger und entspannter. Der ganze Bumms sollte schließlich Spaß machen! Bauch rein, Brust raus – und dann genieß
den Moment.
Fazit
Schnapp sie dir, Tiger!
2. VON DER IDEE ZUM TEXT
»Schreiben ist leicht« – zumindest, wenn es nach Mark Twain geht: »Man muss nur die richtigen Wörter weglassen.« Mark Twain ist nicht, ich wiederhole: NICHT, der Großvater von Sängerin Shania Twain. Aber er war Amerikas erster Rockstar – und das als Schriftsteller. Nur für den Fall, dass du dich wunderst, warum der Schöpfer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn nun schon zum zweiten Mal auftaucht. Sein Wort hat Gewicht. Deshalb lesen wir aufmerksam seinen schlauen Spruch, lassen ihn wirken und stellen fest: Witzbold! Was hat Bestsellerautor Stephen King beizutragen? Er sagt: »Schreiben ist veredeltes Denken.« Damit kommen wir der Sache schon näher. Schreiben ist Handwerk und Kunst, Fleiß und Kreativität. Schreiben heißt, Entscheidungen treffen, wieder und wieder. Du sitzt vor einem blendend weißen Blatt Papier – was dann? Wie fängst du an? Du hast einen Gedanken im Kopf, den du formulieren willst. Tu das! Schreib diesen Gedanken auf, egal, wie holprig er ist. Als Faustregel gilt: ein Satz, ein Gedanke. Lies nun deinen Satz und prüfe ihn. Wort für Wort. t die Wortwahl? »Sollten« oder »müssen«? »Menschen« oder »Leute«? Probiere Synonyme aus: Wird der Satz dadurch besser? Dann checkst du die Reihenfolge der Wörter: Subjekt nach vorne? Den Satz umstellen und eine Frage daraus machen? Höre bei jeder neuen Variante auf den Klang und den Rhythmus des Satzes. Dein ursprünglicher Gedanke darf dabei nicht verloren gehen. Schieb die Wörter so lange hin und her, bis es sich für dich richtig anfühlt. Nun folgt die Weiterführung deines Gedankens im nächsten Satz. Dieser zweite Satz muss in sich stimmig sein und mit dem ersten Satz harmonieren – inhaltlich wie stilistisch. Es folgt der dritte Satz, der vierte und so weiter. Mit jedem weiteren Satz, Absatz und Kapitel steigt die Komplexität, und du musst mehr Fäden zusammenhalten. Wiederholst du etwas, das du bereits geschrieben hast? Gibt es Widersprüche? Fügen sich Anfang und Schluss zusammen? Fragen über
Fragen. Jede Sekunde eine Entscheidung. Selbst diese stark vereinfachte Darstellung klingt arg technisch, obwohl das Schreiben im Grunde ein sehr intuitiver Vorgang ist. Die meisten Entscheidungen haben mehr mit Instinkt als mit »höherem Wissen« zu tun. Doch verlass dich nicht nur auf dein Bauchgefühl! Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, musst du die Grundlagen der Grammatik und Stilistik beherrschen. Zudem hilft ein erweiterter Wortschatz. Wenn du verdammt gutes Deutsch schreiben und sprechen willst, hier mein simpler Tipp: Lies die Bücher von Wolf Schneider! Deutschlands »Sprachpapst« weiß einfach, wie es geht. Es gibt viel zu schreiben über das Schreiben. Ich werde mich in der Folge auf einige wesentliche Grundsätze zum geschriebenen und gesprochenen Wort beschränken. Zumal jede Textart ihre eigenen Regeln hat. Es macht einen Unterschied, ob du eine Firmenrede vorbereitest oder einen Songtext schreibst. Auch dein Publikum sollte Einfluss nehmen – zumindest, wenn du verstanden werden willst. Dein persönlicher Stil, deine Motivation und Zielsetzung hinterlassen ebenfalls Spuren im Text. Trotz allem: Es gibt ein paar Dos & Don’ts beim Schreiben, die du kennen und beherzigen solltest. Dein Text ist das Fundament deiner Performance und die halbe Miete für einen gelungenen Auftritt. Schludere nicht lieblos ein paar Zeilen zusammen. Veredle dein Denken!
INSPIRATION
Am Anfang war das Wort. Schon klar. Aber welches? Wenn du Schriftsteller fragst, woher ihre Ideen kommen, antworten die meisten mit einem ratlosen Achselzucken. Ideen kommen halt! Ein Geistesblitz ist kein bewusster Prozess, den man erzwingen oder auf magische Weise heraufbeschwören kann. Was kannst du also tun, wenn du auf der Suche nach einem Gedankenanstoß oder einem Thema bist? Zweierlei:
Lass dich inspirieren. Halte die Augen offen, um Ideen mit Potenzial zu erkennen.
INSPIRATION IST ÜBERALL
»Wenn man die Augen aufmacht, findet man überall Inspiration«, sagt Carlos Santana und hat recht damit. Lebe! Liebe! Und reise! Neue Eindrücke und Erfahrungen sind auf der Suche nach Inspiration das Hausmittel Nummer eins. Lionel Richie weiß davon – aufget – ein Lied zu singen: »Das Reisen hat mir sehr viel gebracht. Ich fand heraus, dass mir eine Million Ideen kommen, wenn ich reise und dann einfach in der Ecke sitze und zuschaue.« Die meisten Menschen denken, dass Kreativität der Fantasie entspringt. Tatsächlich ist ihr Ursprung jedoch die detaillierte und gut beobachtete Realität. Deshalb Augen auf beim Gucken! Auf Reisen gibt es immer etwas zu entdecken und du schaust genauer hin, weil du dich noch nicht (wie an deinen vier Wänden) sattgesehen hast. Mit etwas Abstand zum alltäglichen Kleinklein machst du dir automatisch über andere, oft »größere« Dinge Gedanken. In Berührung mit fremden Kulturen dehnst du deinen Horizont aus. Zudem lernst du auf Reisen spannende Menschen kennen – und jeder hat dir mindestens eine gute Geschichte zu erzählen. Im Übrigen muss es nicht immer die Fernreise sein: Auch ein Ausflug in den nächstgelegenen Wald, in die Berge oder zum Wasser stimuliert die Sinne. Studiere die Natur oder flaniere in der Stadt und beobachte die Menschen – Hauptsache hoch von der Couch!
INPUT
Michael Jackson leitet gekonnt zum zweiten Tipp über: »Wenn Sie es sich nicht leisten können zu reisen, reisen Sie mental durch das Lesen. Sie können beim Lesen alles sehen und gehen, wohin Sie wollen. […] Ich liebe es zu lesen. Ich wünschte, ich könnte mehr Menschen raten zu lesen.« Auch Kiss-Bassist Gene Simmons, der bei der Arbeit auf der Bühne gerne Blut und Feuer spuckt, bekennt sich: »Ich bin ein begeisterter Leser. Ich verschlinge Informationen und liebe Geschichte.« Debbie Harry, Frontfrau der New-Wave-Band Blondie, verbringt die erste Stunde jedes Tages mit der Lektüre eines Buchs und verschafft sich auf diese Weise einen inspirierten Morgen. Und der »König von Deutschland«, Rio Reiser, nennt nicht nur die Beatles, die Rolling Stones und Bob Dylan als wichtige Quellen seiner Inspiration, sondern auch Karl May (für alle Kulturbanausen: Karl May ist der Erfinder von Winnetou, Old Shatterhand und vielen anderen Romanhelden). Deshalb findet sich auf jedem Album von Ton Steine Scherben, für die Rio getextet, komponiert und gesungen hat, ein Stück, das den Titel eines Karl-May-Bands trägt (zum Beispiel Durch die Wüste oder Der Fremde aus Indien). Ich stelle mal die wenig gewagte These in den Raum, dass nahezu alle Songtexter Leseratten sind – dieser Eindruck drängt sich mir jedenfalls nach der Lektüre zahlreicher Musikerbiografien auf. Lesen erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass du über die eine oder andere verwertbare Idee stolperst; du verbesserst nebenbei auch deinen Wortschatz und deinen Schreibstil. Lernen kannst du von jedem Buch: Gute Bücher sind Lektionen in Stilistik, Grammatik, Erzählfluss oder Kreativität; schlechte Bücher veranschaulichen, wie du es nicht machen solltest. Ich habe mir angewöhnt, mit Stift zu lesen (Bleistift!), das heißt, ich unterstreiche, markiere und mache mir Notizen. Auf diese Weise finde ich später schnell das Wichtigste wieder: gelungene Formulierungen, spannende Gedanken, Interessantes und potenziell Nützliches. Wörter oder fremdsprachige Vokabeln, die ich nicht kenne, schlage ich parallel nach – der Wortschatz wird reicher. Wenn du ein guter Texter werden willst, musst du viel lesen. Wie viel »viel« ist, entscheidest du selbst – aber schone dich nicht. Keith Richards von den Stones
schreibt in seiner Autobiografie: »Ich höre Mozart und lese viel. Da bin ich unersättlich – ich lese alles, was ich in die Finger kriege.« Tu es ihm gleich: Sei unersättlich! Als kleiner Ansporn: Zu Studienzeiten hatte ich das Ziel, jedes Jahr 100 Bücher zu lesen, also zirka zwei pro Woche. Ein paar Jahre habe ich es sogar geschafft. Heute sind es mal 20, mal 50 Bücher im Jahr. Wenn du mehr auf online stehst – kein Problem: Du kannst deinen Bildungsauftrag auch im Internet erfüllen. Oder streame Hörbücher und Podcasts. Es gilt die einfache Formel: Input = Output. Wer viel liest, schreibt meist auch viel. Ein ambitionierter Handwerker abonniert Fachzeitschriften und besucht Messen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben; wer erfolgreich schreiben will, braucht einen ständigen Nachschub an Worten, Wendungen und Ideen als Input. Wenn wir Informationen aufnehmen, denken wir zudem über neue Themen nach und entwickeln daraus wiederum eigene Gedanken. Diese Gedanken können zum ersten Satz eines neuen Textes werden – oder in einer Sackgasse enden. Egal, weiter geht’s! In jedem Fall iert etwas mit dir. Es kommt etwas in Bewegung. Kreativität ist von Natur aus chaotisch und scheinbar zufällig. Doch wir können dem Zufall auf die Sprünge helfen. Denn das kreative Chaos beginnt meist mit einer plötzlichen Inspiration, einer Idee, die aus uns herausbricht, oder einem Gedanken, der sich in unser Hirn einschleicht. Noch mal Keith Richards: »Du musst nur den Auslöser finden, die erste Idee, dann ist es kinderleicht. Der erste Funken, das ist das Entscheidende. Weiß Gott, wo der herkommt.« Genau dafür braucht es einen Anstoß von außen. Aber der ist natürlich nicht nur zwischen zwei Buchdeckeln oder auf Reisen zu finden. Du kannst ihn überall finden, wenn du dein Herz und dein Hirn auf Empfang stellst. Gert Möbius sagt über seinen Bruder Rio Reiser: »Er hat sich überhaupt für alles interessiert. Ob er sich einen Quelle-Katalog oder Ameisenstraßen angeguckt oder in der Bibel gelesen hat, ihm war alles gleich wichtig.« Besuche Konzerte, Ausstellungen, Vorträge – was auch immer dich interessiert. Wenn du es finanzieren kannst, buche Seminare und Weiterbildungen. Sei offen, suche das Gespräch und denke dabei stets an die Worte des großen Jimi Hendrix: »Wissen spricht, Weisheit hört zu.« Bereichere dein Denken auf jede mögliche Weise. Erweitere deinen Radius. Werde zum Schwamm. Fülle deinen kreativen Tank. Denn Kreativität erfordert Aktivität. Ob Jungspund oder alter Hase, wer neugierig ist und bleibt, lernt ständig dazu, entwickelt sich weiter und wächst – bestenfalls über sich hinaus.
VORBILDER
Lerne von den Besten! Du willst Keynote-Speaker werden? Dann google nach den besten Speakern der Welt und sieh dir ihre Videos an – was gefällt dir, was kommt gut an, was kannst du mitnehmen? Mein Tipp: Schau dir mal verschiedene TED Talks an, denn hier findest du viele Speaker mit Niveau. Steht bei dir ein unternehmensinterner Vortrag beispielsweise zum Thema »Chancen der Digitalisierung« an, suche nach den Meinungsführern und hör, was sie zu sagen haben. In nahezu jedem Bereich haben sich bereits Experten etabliert, an denen du dich orientieren kannst. Da ich regelmäßig als Vokalist auf der Bühne stehe, habe ich mir selbst beispielsweise über die Jahre Hunderte Konzerte angesehen. Immer mit dem Fokus auf die Leadsänger und Frontmänner, um Kleinigkeiten aufzuschnappen, die ich adaptieren kann. Meine Helden waren dabei stets bunt gemischt – von Stevie Wonder und Peter Gabriel bis Rio Reiser und Jay-Z. Und all die Stars haben es vor mir nicht anders gemacht. Jay-Z hat sich beispielsweise wiederum von Rap-Urgestein Big Daddy Kane beeinflussen lassen: »Ich habe eine unschätzbare Ausbildung erhalten, als ich ihm beim Performen zugesehen habe. […] Er hatte einfach ein unglaubliches Maß an Showmanship – auch heute noch verwende ich einige der Ideen, die ich damals über das Tempo und die Performance aufgegriffen habe, in meiner eigenen Live-Show.« Es geht dabei nicht darum, jemanden zu imitieren oder Dinge plump zu kopieren. Es ist ohnehin aussichtlos, der »nächste« Big Daddy Kane, Udo Lindenberg oder Bruce Springsteen werden zu wollen. Es gibt bereits das Original – wer braucht schon eine lausige Kopie? Aber bevor du deine eigenen Fußabdrücke hinterlässt, hilft es, die Spuren der Besten zu verfolgen. Frag SoulLegende Ray Charles, den Frank Sinatra einst »das einzige Genie unserer Branche« nannte: »Ich denke, dass wir […] unsere Einflüsse aus allen möglichen Quellen bekommen. Wenn man sich für die Arbeiten eines anderen Künstlers interessiert, heißt das nicht, dass man diese nachahmt. Man kann allerdings das, was man sieht, verinnerlichen.« Zudem sehen wir im Vergleich mit den Besten, was machbar ist. Und du weißt ja: The Sky Is The Limit!
Produzentenlegende Quincy Jones (28 Grammy Awards, 80 Nominierungen!) gab allen seinen Schützlingen, die großartige Sänger werden wollten, den wertvollen Rat, sich mit ihren Idolen zu messen. Sie sollten sich je ein Lied ihrer zehn Lieblingssänger vornehmen und es so oft nachsingen, bis sie sich jedes Wort, jede Note und jede Phrasierung eingeprägt hatten. »Irgendwann verinnerlicht man die musikalischen Attribute der Künstler, die man studiert. Durch diesen Prozess wird die musikalische Seele des Sängers oder Instrumentalisten frei, um sich auf eine verwandte, aber einzigartige Weise auszudrücken. Du hast die Möglichkeit, in den Schuhen der Riesen zu laufen und die Luft in 50 000 Fuß Höhe zu atmen. Das Endergebnis steigert deine eigene Kreativität und gibt dir mehr Freiheit beim Ausdruck.« Auch wenn dir Quincy Jones kein Begriff ist – seine Musik hast du definitiv schon gehört. Er hatte als Produzent entscheidenden Anteil an Michael Jacksons Alben Off The Wall, Bad und Thriller. Letzteres ist im Übrigen mit über 100 Millionen verkauften Exemplaren bis heute das meistverkaufte Album der Musikgeschichte. Viele Jahre bevor Michael Jackson mit seinen Soloalben alle Rekorde brach, war er bereits mit seinen Brüdern als »Jackson Five« erfolgreich. Warum? Weil auch er die Stars aufmerksam beobachtet und von den Besten gelernt hat: »Ich verfolgte buchstäblich jeden Schritt, jede Bewegung, jede Drehung, jede Wendung, jede Veränderung der Mimik, jede Gefühlsregung, jedes Scheinwerferflackern. Das war meine Schule und mein Hobby.« Und das Fazit liefert der »King of Pop« gleich mit: »Die beste Ausbildung der Welt ist es, den Meistern bei der Arbeit zuzusehen.«
IDEEN ERKENNEN
Suche Inspiration, und du wirst sie finden. Und unter uns: Ferne Länder bereisen, YouTube-Videos gucken und hin und wieder mal ein Buch lesen ist auch gar nicht so furchtbar, wie es sich anhört. Also, Inspiration gibt es mehr als genug! Die Herausforderung kommt jetzt: Wenn eine Idee friedlich an dir vorübertreibt, musst du sie erkennen und zupacken. Das ist anspruchsvoller, als es klingt. Denn nicht jede Idee fühlt sich wie eine Erleuchtung an. Warte nicht auf die himmlische Prophezeiung für den Awählten. Manchmal läuft es viel profaner. Wenn du weißt, wer Eric Clapton ist, dann kennst du sicher auch seinen Hit Wonderful Tonight; aber möglicherweise nicht dessen Entstehungsgeschichte. Den Text schrieb »Slowhand«, als er wartete, während sich seine Frau, Pattie Boyd, für ein Abendessen schick machte. Er war leicht genervt, da sie wie meistens zu spät dran war. Nachdem er ein bisschen auf der Gitarre herumgeklimpert hat, ging er zu ihr ins Schlafzimmer und sagte: »Du siehst wunderschön aus, okay? Bitte zieh dich nicht nochmal um. Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät.« Zurück an der Gitarre schrieb er in zehn Minuten eines der schönsten Liebeslieder der Rockgeschichte – und das, obwohl er eigentlich eher wütend und frustriert war. Sidefact: Auch sein Hit Layla ist Pattie gewidmet – mit diesem wollte er die damals noch gebundene Schönheit dem Beatle George Harrison ausspannen, was schlussendlich sogar klappte. Wir alle kennen diese Situation – wenn die Kleiderwahl mal etwas länger dauert –, doch nur Eric Clapton hat einen Hit daraus gemacht. Er hat die Idee erkannt und umgesetzt. Versteh mich nicht falsch: Ich will gar nicht vorwurfsvoll klingen. Ich möchte dich nur dafür sensibilisieren, dass Ideen immer da sind – aber du musst auch die ungeschliffenen Diamanten erkennen. Übrigens: Das Leben schreibt nicht nur die schönsten Geschichten, sondern auch die traurigsten, wie Eric Clapton 15 Jahre nach Wonderful Tonight erfahren musste. Als sein vierjähriger Sohn 1991 bei einem Unfall verstarb, verarbeitete er seine Trauer in seinem wahrscheinlich besten Song Tears in Heaven.
Oft läuft es glücklicherweise viel profaner mit der Inspiration. Das Lied P. Y. T. ist nur auf Michael Jacksons Album Thriller gelandet, weil sein Produzent Quincy Jones in einer Frauenzeitschrift von »Pretty Young Things« gelesen hat. Ihm war sofort klar, dass dies ein perfekter Songtitel wäre. Er rief seine Musiker und Songwriter an und gab ihnen den Auftrag, sich umgehend an die Arbeit für einen Song zu machen, zu dem es bis dato nur den Namen P. Y. T. (Pretty Young Thing) gab. Dieses Phänomen kenne ich selbst nur allzu gut: Irgendwo schnappe ich ein Wort, eine Zeile oder einen Gedanken auf, die zum Ausgangspunkt eines Textes werden – mal wird daraus der Titel, mal eine neue Geschichte, mal auch nur eine Stimmung, die sich schließlich auf einen anderen Inhalt überträgt. Pete Townshend, seines Zeichen Songwriter und Gitarrist der vormals »lautesten Band der Welt«, kennt es gar nicht anders: »Seit ›Tommy‹ habe ich die Inspiration zu sämtlichen Stücken, die ich für The-Who-Alben geschrieben habe, einer bestimmten Idee, einer Geschichte oder einem Konzept, das einer irgendwie gearteten dramatischen Form gehorchte, zu verdanken – nicht immer deutlich sichtbar, aber vorhanden.«
IDEEN FESTHALTEN – AUCH NACHTS
Wenn dir die Idee kommt, notiere sie! Dank iPhone und Co. ist das heute zum Glück kein Problem mehr. Ich speichere jeden Einfall in den »Notizen« oder als Sprachnachricht. Wer es lieber oldschool mag, kann auch ein Notizbuch oder ein Diktiergerät nutzen – aber das solltest du dann auch immer bei dir tragen. Es ist extrem ärgerlich, wenn du einen Geistesblitz hast, ihn aber nicht notierst und kurze Zeit später wieder vergisst. Wer seine guten Ideen nicht aufschreibt, ist selbst schuld. Der Tag wird kommen, an dem du wieder vor einem weißen Blatt sitzt und dir wünschst, nicht bei null anfangen zu müssen. Wer hingegen konsequent jeden brauchbaren Gedanken notiert, hat bald ein imposantes Arsenal an Worten, Wendungen und thematischen Ansätzen, auf die er jederzeit zurückgreifen kann. Herbert Grönemeyer, Harald Schmidt und viele andere Wortartisten verfahren ebenso. Wenn du nachts um halb vier ähnlich ungeschickt wie ich mit dem Handy umgehst, empfehle ich Stift und Papier auf dem Nachttisch. Träume sind Inspiration pur. Der verneinende Intellekt ist ausgeschaltet und das Unterbewusstsein führt uns auf chaotisch-kreative Weise zu Ideen, die deutlich origineller sind als alles, was uns am Tag bei »vollem Bewusstsein« einfällt. Schreiben ist immer ein Gemeinschaftsprojekt, an dem mehrere deiner Ichs beteiligt sind. Wir orchestrieren die verschiedenen Stimmen unseres Selbst und fügen einzelne, eher eckige Gedanken zu einem runden Ganzen. Deshalb lausche den Stimmen! Höre auf den Wahnsinn in deinem Kopf! Auf diese Weise findest du für deinen Text einige Puzzleteile in bislang verschütteten Arealen deines Hirns und deines Herzens. Manchmal findest du sogar noch mehr … Kai Sichtermann, Gründungsmitglied und Bassist der deutschen Rock-Pioniere Ton Steine Scherben, war live dabei, als sein Bandkollege Rio Reiser aus einer nächtlichen Eingebung einen musikalischen Geniestreich gezaubert hat: Als er morgens in die gemeinsame Küche kam, saß Rio – für ihn ungewöhnlich früh – bereits am Tisch und murmelte verschlafen etwas von einem Song, den er im Kopf habe. Rio schnappte sich seine Gitarre, ging ein paar Akkorde durch und spielte dann aus dem Nichts das komplette Lied samt Text. Zum Erstaunen
beider. Kai beschreibt die Szene als »beinahe feierlich«, da es so schien, als hätte Rio den Song aus einer »unbekannten Quelle« empfangen: »Der Traum ist aus war die Frucht einer Eingebung, die Rio buchstäblich über Nacht hatte. Er wachte eines Morgens auf, und der Song war da.« Auch wenn deine Träume keine fertigen Songs oder Texte zutage fördern, ein bisschen spinnen ist erlaubt – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Es lohnt sich immer, vor dem Recherchieren zu einem Thema zu brainstormen und frei zu assoziieren. Lass das Chaos zu, bevor du deine Gedanken in geordnete Bahnen lenkst. Was fällt dir ein, wenn du über Thema X nachdenkst? Welche Gedanken und Bilder hast du im Kopf? Denkst du an einen Duft, einen Ort, eine Filmszene, ein tätowiertes Eichhörnchen oder einen verdorbenen Burrito? Lass dein Denken Amok laufen, anstatt es mit den strengen Fesseln der Plausibilität oder des Anstands zu limitieren – bei vollem Bewusstsein, im Halb- oder im Tiefschlaf. Dein kritisches, bewusstes Ich wird später selektieren und das Unkraut von den Blüten deines Hirnwildwuchses unterscheiden. Vieles kann weg, aber ein paar »verrückte Ideen« landen häufig im Text – auch wenn sie nach ihrer Bearbeitung nicht mehr »verrückt«, sondern völlig plausibel wirken. Ich beginne jeden Text mit freien Assoziationen. Bevor ich recherchiere, sammle ich alle meine ersten Gedanken zum Thema – ohne meinen Geist vorher in eine bestimmte Richtung zu lenken und mich durch fremde Überlegungen manipulieren zu lassen. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass auch die Phasen kurz vor dem Einschlafen und kurz nach dem Aufwachen besonders kreativ sind. Ich nehme mir manchmal vor, mit einer Idee, einem Problem oder einer ganz konkreten Textzeile im Kopf einzuschlafen – in der Hoffnung, den Gedanken im Traum fortzuführen und dort die Lösung zu finden. Das funktioniert! Wenn auch nicht immer. Übrigens ist die Horizontale auch beim Auswendiglernen von Texten sehr zu empfehlen. »Ich lerne im Schlaf« ist mehr als ein geflügeltes Wort. All die wichtigen Informationen, die wir tagsüber in unserem zerebralen Zwischenspeicher (Hippocampus) aufnehmen, werden nachts in unser Gedächtnis (im Neocortex) übertragen. Mir geht es häufig so, dass ich den auswendig gelernten Text, den im am Vorabend nur mit Mühe wiederholen konnte, am nächsten Tag perfekt im Kopf habe. Ist das nicht toll? Man kann gleichzeitig schlafen und fleißig sein! Wenn ich Bock auf ein Nickerchen habe und mich tagsüber hinlege, behaupte ich jetzt einfach immer: »Ich muss arbeiten!«
Et voilà! Wenn du nun schier vor Inspiration platzt oder zumindest eine Idee hast, mit der du anfangen kannst, bist du so weit. Fast. Auf ein Wort: Arbeitsbedingungen.
SO KANN ICH NICHT ARBEITEN!
Nein, ich möchte dir an dieser Stelle keine Einrichtungstipps für dein Arbeitszimmer geben – denn das benötigt streng genommen nur eine Sache: eine Tür, die du hinter dir schließen kannst. Womit wir allerdings bei einem Thema wären, das doch ein paar Fragen aufwirft: Wie arbeitest du? Welchen Rahmen schaffst du dir? Wie gehst du vor?
RAUM
Es ist deine Sache, ob du dein Meisterwerk mit Netflix und Chipstüte auf der Couch schreibst. Wenn es funktioniert, bist du zu beneiden! Jeder, wie er kann und mag. Bob Dylan schwört beispielsweise auf Bewegung: »Du kannst einen Song überall schreiben, in einem Eisenbahnabteil, auf einem Boot, zu Pferd – es hilft, sich zu bewegen. Manchmal schreiben Menschen, die das größte Talent zum Schreiben von Songs haben, nie welche, weil sie sich nicht bewegen.« Spannender Ansatz! Bewegung kann definitiv helfen. Grundsätzlich »zu Pferd« zu schreiben finde ich persönlich allerdings etwas unpraktisch. Kommst du mit deinem Text an einer Stelle partout nicht weiter, denkst du wahrscheinlich zu viel nach. Hier helfen Fahrradfahren, Joggen, Schwimmen, Kochen und alle anderen Aktivitäten, die den Verstand beschäftigen. Lockere dein verkrampftes Hirn! Füttere es mit neuen Impulsen! Wenn du selbst nicht mehr aktiv beziehungsweise bewusst über deinen Text nachdenkst, kann dein Unterbewusstsein arbeiten und neue Ideen zutage fördern. Oft braucht es nur eine Kleinigkeit, einen winzigen Anstoß, und dein textliches Problem ist gelöst. Danach fließt es wieder. Merke: Geraten die Dinge ins Stocken, geh vor die Tür. Wenn du der Typ dafür bist, kannst du natürlich auch den Hauptteil der Textarbeit außerhalb deiner vier Wände verrichten. Die Frage beim Schreiben in der Öffentlichkeit ist jedoch: Wie gut kommst du mit Ablenkung durch optische Eindrücke und Hintergrundgeräusche klar? Joanne K. Rowling hat die ersten Harry-PotterBände ausschließlich in einem Café geschrieben. Das muss man können – und wollen! Der Vorteil ist, dass man sich nicht selbst um das leibliche Wohl kümmern muss und in Kontakt mit der Umwelt bleibt. Meine Erfahrung ist jedoch: Durch Ablenkung und Aufregung verlierst du den Fokus. Schreiben fordert volle Konzentration, deshalb hilft eine ruhige Arbeitsatmosphäre. Wenn ich zur Feder greife – und ja, das schreibe ich nur, weil es poetischer klingt als »wenn ich mir den Laptop schnappe« –, herrscht Ruhe im Puff. Ich brauche Totenstille, wenn ich einen Text zum Leben erwecke.
Ich lasse keine Musik laufen und versuche auch sonst jede mögliche Ablenkung zu unterbinden. Menschen kann ich im Schreibmodus gar nicht ertragen; ich muss im wörtlichsten Sinne asozial sein. Oder weil wir gerade bei poetischen Formulierungen waren: Ich ziehe mich in mich zurück. Gerade im Rap ist es nicht unüblich, gemeinsam Texte zu verfassen, aber kollaboratives Schreiben liegt mir nicht. Wenn mir jemand beim Schreiben und vor allem beim Nachdenken reinquatscht, ist das so, als würde man mich alle paar Sekunden bei einer komplizierten Kopfrechenaufgabe stören. Das Ergebnis ist: kein Ergebnis. Es kommt vor, dass ich in Bus und Bahn oder auf Spaziergängen an einem Text feile, aber auch dann bin ich nur nach innen gewandt und habe keine Augen oder Ohren für die Außenwelt. In den eigenen vier Wänden empfiehlt sich ein Arbeitszimmer, in dem du nicht in Versuchung gerätst, alle fünf Minuten irgendwelche Handgriffe im Haushalt zu erledigen. Du brauchst einen Ort, an dem du dich ungestört zurückziehen und entfalten kannst. »Die Stille ist deine Leinwand, das ist der Rahmen, in dem du arbeiten musst – versuch bloß nicht, sie zu übertönen«, schreibt Keith Richards. Er bezieht sich zwar auf die schlichte Schönheit von Elvis‹ Heartbreak Hotel, könnte aber genauso gut deinen Arbeitsplatz meinen.
ZEIT
Wenn du dir Raum zur Entfaltung schaffst, denk auch an den »Zeitraum«. Nimm dir Zeit zum Schreiben – denn die brauchst du! Manche Menschen funktionieren laut eigener Aussage nur unter Druck. Wenn die Deadline immer näher rückt, die Nervosität steigt und es irgendwann keine andere Option mehr gibt als eine Wortexplosion. Mich packt bei diesem Gedanken eher Furcht als Ehrfurcht. Stichwort: gute Vorbereitung. Je länger du die Arbeit am Text hinauszögerst, desto größer wird die Hürde. Das motivierte »Ich will« vom Anfang wird bald zu einem gequälten »Ich muss«. Zumal du keine Garantie hast, dass dein finaler geistiger Erguss tatsächlich ein Geniestreich ist, der keinerlei Überarbeitung mehr nötig hat. Ein Text muss ausgebrütet werden und braucht manchmal auch den Raum, sich ein wenig herumzulümmeln. Wenn du partout nicht weiterkommst, gönn dir mal ein, zwei Tage Abstand. Denn auch wenn du gerade nicht an deinem Text arbeitest, arbeitet dein Text unbemerkt an dir. Und plötzlich kommt dir beim Duschen, beim Kochen oder beim Vulkan-Surfen die entscheidende Idee, wie es weitergehen kann. Deshalb tu dir selbst einen Gefallen: Fang frühzeitig an und nimm dir Zeit! Wenn dir die Routine fehlt, helfen zu Beginn festgerahmte Zeitfenster. Bis deine Rede fertig ist, sitzt du jeden Abend von 20 bis 22 Uhr an deinem Text! Versteh mich nicht falsch: Wir sind uns einig, dass Kreativität nicht planbar ist. Aber auch wenn die Ideen auf sich warten lassen, kannst du am Text arbeiten – recherchiere Quellen, suche nach Details (Zitate, Zahlen, Fakten et cetera) oder mach dir Gedanken über die Struktur. Schreiben kann Spaß machen, wenn du im Flow bist und den Text einfach runtertippst; manchmal ist es allerdings mühsame und langwierige Knochenarbeit. Auch wenn du mal zwei Abende ohne wirklichen Fortschritt vor dem Laptop sitzt – hab Geduld: Deine Muse küsst dich vielleicht erst beim dritten Date. Wenn du schreibst, zieh durch! Arbeite auf das Ende zu und gönn dir nicht zu viele schöpferische Pausen. Je länger und öfter du den Text beiseitelegst, desto
mehr Zeit und Energie kostet dich der »Wiedereintritt in die Arbeitsatmosphäre«. Bleib im Flow und feile bestenfalls jeden Tag an deinem Text. Wenn es dir hilft, steck dir ein Ziel, zum Beispiel täglich 1 000 Wörter zu schreiben. Das ist aber eher eine Hausnummer für Romanautoren. Mit der Zeit findest du deinen Rhythmus und weißt, wie, wo und wann du am besten funktionierst. Wann sind deine produktiven Phasen? Wann bist du in der Stimmung für Input? Wann brauchst du Abstand? Überfällt dich deine Kreativität in explosiven Schüben, empfehle ich dir, den Schwung immer zu nutzen. Wenn ich im Schreibfluss bin, werden das meistens Nachtschichten – aber die lohnen sich! Bist du ein früher Vogel? Dann fang den Wurm am Morgen! Bist du wie ich eher eine Nachteule? Dann geh zur Geisterstunde auf Jagd! Wenn es läuft, lass es laufen. Koste deine kreativen Hochs aus!
VORGEHENSWEISE
Wenn du Fantasy-Autor bist, schreib einfach drauf los! Falls du zu den Normalsterblichen gehörst, empfehle ich dir einen »Plan«, wenn du Gedanke für Gedanke deine Sätze niederschreibst. Meiner beginnt immer mit dem Thema des Textes – das mir manchmal inspirativ in den Schoß fällt, im beruflichen Kontext aber meist vorgegeben ist. Zu diesem Thema recherchiere ich nun alles, was mir vorläufig wichtig erscheint. Ich suche und studiere die wesentlichen Quellen des »Fachgebiets« sowie aktuelle News oder Studienergebnisse. Während ich lese, selektiert und ordnet mein Hirn bereits: Welche Beispiele kann ich übernehmen? Brauche ich zu diesem Fakt aktuellere Zahlen? Das wäre ein guter Einstieg! Hier brauche ich mehr Futter … und so weiter. Auf Basis dieser ersten Recherche mache ich mir eigene Notizen und schließlich eine Gliederung: Womit steige ich ein, was ist meine Geschichte und wie endet sie? Dann beginne ich zu schreiben – übrigens von vorne nach hinten. Natürlich notiere ich mir auch Gedanken für »später«, aber wenn es ans Eingemachte geht und ich ausformuliere, springe ich nicht zwischen einzelnen Absätzen oder Kapiteln hin und her. Das hat mehrere Vorteile: Die Gedanken folgen stringent aufeinander, die Übergänge zwischen den agen funktionieren und Wiederholungen werden unwahrscheinlicher. Vor allem aber fließt der Text flüssiger. Beim Schreiben merke ich schnell, wo es »noch zu dünn ist«. Das sind die Stellen, an denen ich nachrecherchiere. Also noch mal ins Internet – oder gehst du lieber in die Bibliothek? So oder so achte auf seriöse Quellen, nutze wenn möglich Primärliteratur und prüfe immer doppelt. Bitte keine Formfehler! Wenn der Text nach und nach Gestalt annimmt, t sich die Struktur meist von selbst an. Plötzlich fällt ein Abschnitt komplett raus, weil er doch nicht so ergiebig ist. Hier füge ich noch ein paar Beispiele ein, und diese zwei Kapitel werden zu einem. Entscheidend ist am Ende eine stimmige Geschichte – aber dazu gleich mehr im Unterkapitel »Stil und Style«.
KORREKTUR
Es ist Typsache, ob du deinen Text erst mal im Groben runtertippst und hinterher mehr Korrekturschleifen drehst oder ob du bereits mit Akribie an der ersten Fassung arbeitest und dann weniger korrigierst. Ich gehöre eher der zweiten Fraktion an. Während des Schreibens lese ich zwischendurch immer wieder vorangegangene Abschnitte und bearbeite die Stellen, an denen ich hängen bleibe. Meist meldet sich mein Bauch, wenn irgendetwas nicht stimmt. Es fühlt sich nicht rund an, es hakt und klemmt. Unabhängig von allen Korrekturen während des Schreibens empfiehlt sich nach Abschluss des Textes ein weiterer prüfender Blick. Lies mit etwas Abstand dein vollständiges Werk noch einmal. Hier ein Tipp, der chronisch unterschätzt wird: Druck dir den Text zum Korrekturlesen aus. Es macht einen himmelweiten Unterschied, den Text zum hundertsten Mal auf dem Bildschirm oder zum ersten Mal gedruckt auf Papier zu lesen. Ich finde auf diese Weise immer wieder Fehler, die ich zuvor auf dem Laptop übersehen habe. Ist der Text zum Vortrag gedacht, lies laut, um zu hören, wie »sprechbar« deine Sätze sind. Markiere dir alle Wörter und Textstellen, die du noch einmal überarbeiten willst. Schau auch gezielt nach Potenzial zum Kürzen und Verdichten! Warum? Weil dein Text zu lang ist! Woher ich das weiß? Weil alle Texte zu lang sind! Wenn du die zweite Fassung deines Textes erstellst, setz auf die Formel: 2. Fassung = 1. Fassung minus 10 Prozent. Stephen King hat den Tipp in seinen Anfangstagen von einem Verleger erhalten und seither über 400 Millionen Bücher verkauft – so falsch kann es nicht sein! Unabhängig von deinem Thema erzählst du immer eine Geschichte; deshalb streiche alles raus, was nicht zu dieser Geschichte gehört. Auch wenn der Satz noch so schön ist – bringt er die Story nicht weiter, folge der alten Schreiberregel und »töte deine Lieblinge«! Ziehe je nach Text und Anlass Kollegen, Freunde oder deine Familie ins Vertrauen. Bitte einige kluge und sanfte Augen um einen zweiten Blick. Aber
bitte erst dann, wenn du auch zufrieden bist! Wenn dein Bauch sich noch mit einem unguten Gefühl meldet, gibst du höchstwahrscheinlich gerade einen halbgaren Text ab und beruhigst dich mit dem Gedanken: »t schon! Da guckt ja noch mal jemand drüber!« Du bist dein erster und letzter Kritiker, also sei kritisch. Wenn du zufrieden bist, gib das Manuskript zum Lesen weiter oder trag den Text im kleinen Kreis vor. Ich weiß, das kostet Überwindung. Aber für dich ist es ein gutes Training (auch gegen Lampenfieber) und dein Text profitiert von Anregungen, Nachfragen oder konstruktiver Kritik jeglicher Art. Sichere dich ab gegen Betriebsblindheit! Die Geschichte, die in deinem Kopf Sinn ergibt, hinterlässt in anderen Köpfen vielleicht nur Fragezeichen. Oder der Witz, den du so liebst, zündet nur bei dir (ich spreche aus eigener Erfahrung). Egal was kommt, nimm die Kritik nicht persönlich und unterdrücke den natürlichen Impuls, deine Kritiker mit Schaum vor dem Mund zum Teufel zu jagen. Keiner mag unberechtigte oder – noch schlimmer – berechtigte Kritik, aber es nützt nichts! Spiegele dein Werk und dann ran an den Feinschliff! Dein Bauch sagt dir, wann dein Text fertig ist. Sprache bietet unendlich viele Möglichkeiten, weshalb du immer wieder Textagen umschreiben oder einzelne Worte tauschen kannst. Es gilt, im richtigen Moment den Absprung zu schaffen. Ich habe mal von einem schlauen Maler gelesen, der gesagt hat: »Ein Gemälde ist nie fertig. Es endet einfach an einem interessanten Punkt.« Beim Schreiben ist es ähnlich. Arbeitsbedingungen: Check! Der Rahmen ist gesteckt. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit der Sprache selbst. Natürlich, du hast deinen Stil! Aber Fehler sind Fehler. Du solltest ein paar Basics kennen, um grobe Schnitzer zu vermeiden. Und du solltest dir zum wahrscheinlich ersten Mal in deinem Leben ernsthaft die Frage stellen: Was zum Henker ist der Unterschied zwischen Stil und Style? Es gibt viel zu tun! PS: Falls für dich das Kapitel ohne Einrichtungstipps zum Arbeitsplatz nicht komplett ist: Ich empfehle eine bequeme Sitzgelegenheit, dämmbares Licht sowie Bücher und andere Recherchequellen in Reichweite – gerne nett drapiert. Ich rate ab von Fernseher, Smartphone und Menschen (besonders gut aussehenden).
STIL UND STYLE
Die wichtigsten Lektionen sind die, die du dir selbst erteilst. Deshalb ran an den Speck: Schreibe, korrigiere und fang noch mal von vorne an, wenn es sein muss. Apropos anfangen: Wie beginnst du einen Vortrag? Bitte nicht mit den Worten: »Bevor ich anfange …« Dieser Satz ist völlig sinnentleert. Es empfiehlt sich ebenfalls, NICHT zu erwähnen, dass du die folgende Rede schon dutzendfach an anderer Stelle gehalten hast – wenn dem denn so ist. Meist wissen dies deine Zuhörer ohnehin, aber sie machen sich darüber keine Gedanken. Wenn du ihnen allerdings unter die Nase reibst, dass du gerade den xten Auftritt abspulst, setzt Enttäuschung ein. Jedes Publikum ist einzigartig und sollte sich auch so fühlen – selbst wenn für dich der Auftritt tatsächlich Routine ist.
EINSTIEG
Im Showbiz regiert nach wie vor die Formel: starker Anfang, starker Abgang, und die schwächeren Teile versteckt dazwischen. Im besten Fall hat dein Text keine »schwächeren Teile«, aber Anfang und Ende sollten bei deinem Publikum in jedem Fall hängen bleiben. Die Rhetorik-Bibeln fassen den Glaubenssatz wie folgt zusammen: »Der erste Eindruck ist entscheidend, der letzte bleibt.« Spar dir lange Einleitungen und gehe in medias res. Wie du das tust, bleibt dir überlassen: mit einem Zitat, einer rhetorischen Frage, einer Provokation, einem Witz, einer imposanten Statistik, einem aktuellen Aufhänger, einer persönlichen Anekdote, Bild- oder Videomaterial et cetera. Sorge von der ersten Sekunde an für Aufmerksamkeit. Hau direkt mal einen raus! Die Alternative wäre: »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich wirklich sehr …«. Kann man auch machen, aber dem Publikum schlafen direkt die Füße ein. Die Einleitung hat drei grundlegende Funktionen:
Sie weckt Aufmerksamkeit. Sie liefert deinem Publikum gute Gründe, warum es dir weiter zuhören soll. Sie baut eine Verbindung zwischen dir und deinem Publikum auf.
Demnach solltest du nicht nur feurig beginnen, sondern auch einen Köder auswerfen. Auf was können sich die Zuhörer freuen? Was können sie erwarten? Was können sie lernen? Gib ein Versprechen ab! Du musst deine Zuhörer zum Zuhören animieren – und das bestenfalls sympathisch. Sag ein paar Worte über dich; das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Erzähl
auch deine persönliche Geschichte wie eine Geschichte – du bist nicht bei einem Vorstellungsgespräch, sondern eher bei einem Date. Es geht nicht primär darum, mit Fakten und Referenzen zu glänzen; du willst dein Gegenüber für dich einnehmen. Wenn der Einstieg glückt, hast du das Publikum auf deiner Seite. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wie die folgenden drei Beispiele zeigen:
Einen schönen guten Morgen! Ich bin Manfred Mustermann und ich hoffe, Sie können mich verstehen, denn – ich warne Sie direkt vor – Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich habe mir Deutsch in den vergangenen Jahren mühsam beigebracht, denn dort, wo ich herkomme, spricht man kein Deutsch. Nur Bayerisch. »Wea ko, dea ko!« Hallo zusammen! Wir haben heute viel vor, deshalb gehen wir direkt in medias res. Ich bitte Sie, sich kurz der Runde vorzustellen – und zwar mit Ihrem Namen und drei Hashtags, die Sie charakterisieren. Ich mache gern den Anfang: Mein Name ist Manfred Mustermann, #Kommunikator, #Wellenreiter, #Familienmensch. Meine Damen und Herren, ich bin … Ja, was bin ich? Zunächst mal bin ich offen für Vorschläge, wie wir in diesen Vortrag starten. Denn Sie wissen, die ersten Worte geben die Richtung für alles Weitere vor. Ich mache Ihnen zwei Vorschläge zu meinem ersten Satz und Sie können mir per Handzeichen signalisieren, wie ich im Anschluss beginnen soll. Variante 1: »Ich bin Manfred Mustermann, Head of Brand Communications, und vom Inner Circle des Chief Executive Office beauftragt, hier asap ein Committment bezüglich des Updates der Cybersecurity-Action-Items in Bezug auf die High Potentials im Wording herzustellen.« Oder Variante 2: »Ich bin Manfred und ich habe heute keine Lust auf Bullshit-Bingo. Wenn Sie mögen, sprechen wir heute mal klar und deutlich über die Potenziale Ihrer neuen Werbekampagne.«
Und jetzt nicht nachlassen: Dein Text sollte einen klar erkennbaren Spannungsbogen haben, damit dein Publikum bei der Stange bleibt. Reihe nicht nur Botschaften aneinander, sondern verstehe dich als Geschichtenerzähler. Hier
geht es nicht um literarische Qualität, sondern um die Struktur des Textes. Es sollte immer eine inhaltliche Entwicklung geben, die dich von deinem Anfang (A) auf gangbarem Weg zu deinem Schluss (B) bringt: Problem wird Lösung, Status quo wird Vision, 500 Gramm Gehacktes wird Mettigel. So was in der Art. Fragen eignen sich als Ausgangspunkt, da du am Ende auf magische Weise die Antwort aus dem Hut zaubern kannst (»Wie sieht unser Unternehmen in 20 Jahren aus? Mit welchen Produkten können wir uns am Markt behaupten und in einer digitalisierten Welt Geld verdienen?«). Auch Gegenüberstellungen, Konflikte und Krisen erzeugen Reibung (»Die Corona-Krise hat unsere Branche ruiniert, und wenn wir ehrlich sind, können wir unseren Laden hier eigentlich dichtmachen. Richtig? Falsch!«). Selbst wenn das Thema deines Textes auf den ersten Blick wenig Aufregendes zu bieten hat, versuche, eine Story herauszukitzeln. Denk um die Ecke. Vergiss all die mittelmäßigen Vorträge, die du selbst schon zu dem Thema gehört hast. Sei mutig, wage Experimente und überrasche deine Zuhörer – zum Beispiel mit außergewöhnlichen Statistiken (»Es wird Sie überraschen, aber laut dem Statistischen Bundesamt sind 100 Prozent der weiblichen Führungskräfte in Deutschland Frauen!«). Lass dein Publikum staunen, lachen, weinen, sich ekeln oder vor Spannung an den Nägeln kauen. Im besten Fall weckst du Emotionen, mindestens aber Interesse. Wenn du dein Publikum langweilst, wird es dich mit Desinteresse strafen – und das ist die Höchststrafe. In Medientrainings wird Führungskräften und Kommunikationsverantwortlichen beigebracht: Platziere lieber eine Botschaft zehnmal, als zehn Botschaften einmal. Ein weises Wort! Mit der Zahl der Wiederholungen wächst die Bereitschaft beim Zuhörer, die Botschaft als wahr zu akzeptieren. Hier wandelst du jedoch auf einem schmalen Grat. Denn Wiederholung wird schnell als Penetranz empfunden. Du solltest nie so wirken, als wolltest du nur etwas verkaufen. Wir – und damit meine ich uns alle als Konsumenten – sind anspruchsvoller geworden und erwarten mehr als Marketing-Marktschreierei. Dein Publikum möchte Antworten auf konkrete Fragen. Es geht um Relevanz und Mehrwert. Warum soll ich dir zuhören, wenn ich nichts davon habe? Nimm die Perspektive deines Publikums ein, dann wird es sich auch mit dir und deinem Thema identifizieren. Rücke dein Thema so nah wie möglich an den Lebensund Arbeitsalltag deiner Zuhörer und »hol sie ab« (Ich hasse diese Formulierung, aber sie trifft es.).
WORTWAHL
Aber nun ins Detail, weg vom »Was« und hin zum »Wie«. Wenn du schnell zum Punkt kommst und das Langweilige weglässt, bist du bereits auf dem richtigen Weg. Denn dein Ziel sollte ein möglichst schlanker und knackiger Vortrag sein. Ein Text darf keinen unnötigen Satz enthalten, ein Satz kein unnötiges Wort. Weshalb? Gegenfrage: Warum enthält ein Lied keine überflüssigen Noten? Weil diese die eigentliche Melodie verwässern würden! Weshalb sind in einer Maschine keine unnötigen Teile verbaut? Weil sie das Gesamtkonstrukt komplexer, aber nicht zwingend besser machen würden! Denk daran, wenn du in Versuchung gerätst, abzuschweifen. Ich plädiere nicht dafür, Einzelheiten zu unterschlagen oder oberflächlich zu sein; es geht darum, auf den Punkt zu schreiben. Jedes Wort sollte etwas zu sagen haben. Prägnanz und Kürze dienen auch der Verständlichkeit. Je kürzer ein Wort ist, desto schneller nehmen wir es auf und verarbeiten es. Du kannst »Witterungsbedingungen« schreiben, aber du meinst eigentlich nur das »Wetter«. Eine »Zielsetzung« ist ein »Ziel« – dann nenn es doch auch so. Spar dir die »-stellung« hinter dem »Problem«, den »Aufgaben« oder »Themen«. Oft ist die naheliegendste Variante die beste, denn du wirst verstanden. Generell gilt: Sei so konkret, anschaulich und greifbar wie möglich. Du kannst schreiben »Ich ging in ein Geschäft« oder »Ich ging in einen LebensmittelDiscounter« oder aber »Ich ging zu Aldi«. Je konkreter du wirst, desto wirkungsvoller und stärker ist deine Aussage. Orientiere dich immer an der kleinstmöglichen Einheit, das heißt, nenne Bohnen »Bohnen«, nicht Hülsenfrüchte, Gemüse oder Lebensmittel.
»Rede Klartext!«
Putze dein Vokabular bitte nicht künstlich heraus. Suche keine langen Wörter oder komplizierten Ausdrücke, um deinen Expertenstatus zu untermauern. Ich versichere dir: Du tust dir damit keinen Gefallen. Du wirkst entweder wie ein Eierkopf fernab der Realität seines Publikums oder – noch schlimmer – wie ein Schaumschläger, der sich hinter großen Worten versteckt. Der ideale Text ist an die gesprochene Sprache angelehnt und für die Ohren geschrieben. Schopenhauer sprach einst wie ein Heiliger vom Berg: »Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.« Sei auch behutsam mit Fachbegriffen und Fremdwörtern: Diese sollten mit dir als Person, deinem Thema und deinem Publikum »harmonieren«. Fachchinesisch verbietet sich immer – es sei denn, du hältst einen Fachvortrag vor einem reinen Fachpublikum. In allen anderen Fällen gilt: Rede Klartext! Möglicherweise ist dir im vorliegenden Buch bereits der eine oder andere Anglizismus aufgefallen – das ist natürlich kein Zufall, sondern Teil meines diabolischen Plans. Oder sagen wir besser: Die englischen Begriffe tauchen auf, weil ich sie auch beim Sprechen häufiger verwende. Sie sind Teil meiner Sprache und damit meiner Person, deshalb haben sie auch ihre Berechtigung in diesem Buch. Vor allem wenn das Thema des Textes ebenfalls rechtfertigt, Worte wie »Showbiz« und »Performance« zu nutzen. Wenn ich nicht gerade über Rockstars schreibe, verwende ich allerdings weniger englische Begriffe. Ich rate nicht grundsätzlich von Anglizismen ab – mahne allerdings zu einem sparsamen Einsatz. Die deutsche Sprache sollte immer noch zu erkennen sein. Generell gilt: Benutze Fremdwörter nur dann, wenn es keinen besseren deutschen Ersatz gibt. Word! Da Wiederholungen nerven, arbeite bei Adjektiven und Präpositionen mit Synonymen. Statt jedes Mal »aber« zu schreiben, variiere mit »jedoch«, »dagegen« oder »allerdings«. Auch Verben sollten sich nicht permanent wiederholen; aus »machen« kann beispielsweise mal »tun« oder »verrichten« werden. Natürlich heißt das, immer wieder im Einzelfall zu entscheiden, welche Formulierung besser t. Schreibst du zum Beispiel »diffamieren« oder »schlechtmachen«? Ersteres wirkt pathetischer, stärker und strahlt mehr Dringlichkeit aus; Letzteres wird allerdings von allen Zuhörern verstanden. Anders verhält es sich bei den Substantiven – hier sind Synonyme heikel. Was
ganz einfach daran liegt, dass es für die wenigsten Hauptwörter vernünftige Alternativen gibt. Oder hast du spontan ein treffendes Synonym für »Tisch« parat? Wenn du für Substantive auf Teufel komm raus Synonyme suchst, leidet die Verständlichkeit. Die »Hauptsachen« deines Textes, das heißt tragende Begriffe oder handelnde Personen, darfst und musst du sogar wiederholen. Wenn du ein Wort nicht in seiner eigentlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung verwendest, sprechen wir von einer »Metapher«. Viele deutsche Redensarten sind klassische Metaphern: jemandem das Herz brechen, die Kuh vom Eis kriegen, den Nagel auf den Kopf treffen und so weiter. Meist werden Substantive, Verben oder Adjektive kombiniert (»die Sonne lacht«) oder zwei Substantive (»Datenautobahn«). Das große Plus bei Metaphern: Sie erzeugen ein anschauliches Bild in unserem Kopf – und das bleibt hängen. Mit Bedacht eingesetzt, ist die Metapher eines der besten Stilmittel, dessen du dich bedienen kannst. Spare mit Adjektiven, denn das sind die schwächsten Wörter deines Satzes. Auch wenn du es blumig magst, schreibe nicht von einem »kalten, grauen und nebligen Novembermorgen«; im Substantiv »Novembermorgen« schwingt die Stimmung ohnehin mit, die du mit den Adjektiven vermitteln willst. Wenn du auf die Adjektive verzichtest, erlaubst du deinem Publikum eigene Assoziationen. Das größte Problem mit den Eigenschaftswörtern ist jedoch: Sie weichen deinen Text auf und rauben ihm die Kraft. Besonders grausam sind Adjektive, die keinen inhaltlichen Mehrwert bieten wie in den Floskeln »qualitativ hochwertig« oder »schwere Verwüstung«. Setze Adjektive nur dort ein, wo sie wirklich gebraucht werden – zur Wertung (»eine schlechte Bilanz«), zur Unterscheidung (»nicht den schwarzen, sondern den blauen Stift«) und zur Einordnung (»ein riesiges Gebäude«). Eng verwandt mit dem Adjektiv ist das Adverb, das Verben und Adjektive näher bestimmt. Klingt komplizierter, als es ist. »Ich bin gerne bei Ihnen« – in diesem Fall bestimmt das Adverb »gerne« den Umstand näher. »Wir haben uns häufig durchgesetzt« – hier geht es um die zeitliche Angabe »häufig«. Auch Wörter wie »glücklicherweise« oder »vorsichtshalber« sind Adverbien. Die deutsche Sprache macht es uns nicht immer leicht, Adverbien zu erkennen; im Englischen verrät es die Endung »-ly« wie in »lovely« oder »possibly«. Du kannst nun zu Recht einwenden: »Die Beispiele oben zeigen eindeutig – das sind wichtige Wörter! Die kann man doch nicht weglassen!« Jein. Natürlich
sollst du nicht wild jedes Adverb aus deinem Text streichen, aber du solltest immer überlegen, ob es wirklich notwendig ist. Denn das ist es meist nicht. Zum Beispiel, wenn du schreibst: »Ich schlug die Tür fest zu«. Der Zusatz »fest« ist überflüssig, wenn ich die Tür »zuschlage«. Gleiches gilt für: »Er rannte schnell. Für das Adverb gilt wie für das Adjektiv: Funktioniert der Satz auch ohne, streiche es raus. Die stärksten Wörter deines Satzes sind Verben. Als »Tätigkeitswörter« treiben sie den Satz und damit deine Geschichte voran. Wenn du die Wahl zwischen einem Verb und einem Substantiv hast, nimm das Verb: Schreibe »anzeigen«, nicht »zur Anzeige bringen«. Besteht dein Verb aus zwei Teilen – »mir fällt … auf«, »ich werde … gehen«, »wir haben … erreicht« et cetera – lass die Lücke nicht zu groß werden. Wenn du zu viele Wörter zwischen die beiden Teile des Verbs packst, kann dein Publikum nicht mehr folgen. Die deutsche Grammatik erlaubt dir theoretisch unendlich viele Wörter in der »Lücke«, die Aufmerksamkeit deiner Zuhörer maximal sechs bis acht. Gleiches gilt im Übrigen für Subjekt und Prädikat: Auch diese beiden sollten im Satz nicht zu weit voneinander entfernt stehen. Und nun: Auf die Sätze, fertig, los!
SATZBAU
Was für die Wörter gilt, ist auch bei den Sätzen nicht ganz falsch: Einfache, kurze Sätze lassen sich meist besser sprechen und verstehen. Wenn du nicht zufällig ein Nachfahre von Thomas Mann oder Marcel Proust bist, rate ich von ellenlangen Schachtelsätzen ab – besonders wenn dein Text zum Vortrag gedacht ist. Allerdings können auch kurze Sätze unverständlich und lange Sätze glasklar sein. Ich kann an dieser Stelle demnach nicht nur die Männer beruhigen, wenn ich sage: Die Länge ist nicht alles! Als Richtwert gilt jedoch, dass der Satz nicht länger sein sollte, als dein Atem reicht. Dein bester Freund ist der Hauptsatz – einfach, klar, geradlinig. Im Hauptsatz treibst du die Handlung voran; hier iert die Action. Die Kernfrage ist immer: Wer tut was? Mit mehreren aufeinanderfolgenden kurzen Hauptsätzen bringst du Tempo in deinen Text. Einen ähnlichen Effekt hat es, wenn du das Subjekt mit mehreren Prädikaten versiehst (»Er kam, sah und siegte.«). Nutze diese Stilmittel, um das Tempo des Textes zu variieren, den Erzählfluss zu straffen oder Spannung zu erzeugen. Im Nebensatz beschränkst du dich dagegen auf Erläuterungen, nähere Betrachtungen, Randaspekte. Ich wiederhole mich gerne: Wesentliche Inhalte gehören nicht in den Nebensatz! Wenn du einen Nebensatz mittig im Hauptsatz platzierst, fasse dich kurz. Ist der Einschub zu lang, weiß niemand mehr, worum es am Anfang des Satzes ging. Die besten, weil verständlichsten Nebensätze sind die angehängten Nebensätze am Ende eines Hauptsatzes. Entscheidend ist der richtige Mix: Variiere deine Sätze und vermeide dadurch einen monotonen Rhythmus. Du kannst – als grober Richtwert – beispielsweise jeden dritten Hauptsatz mit einem Nebensatz würzen. Wirf mal eine Frage ein. Nutze kurze und lange Sätze. Bringe auch Abwechslung in deine Satzanfänge: Beginne mal mit dem Subjekt, mal mit dem Objekt oder stelle gelegentlich einen Nebensatz voran. Erlaube mir an dieser Stelle noch zwei Bemerkungen, die für das gesprochene
Wort weniger, für das geschriebene Wort dafür umso wichtiger sind – es geht um Absätze und Satzzeichen: Strukturiere deinen Text und mache Absätze, die ihn in gut verdauliche Mengen unterteilen. Seitenlange Bleiwüsten machen deinen Text schwer und verschrecken selbst die hartgesottensten Leser. Leichte Lektüre zeichnet sich dagegen durch viel freien Raum aus, Luft zum Atmen. Absätze schaffen diesen Freiraum und geben deinen Lesern Orientierung. Die Länge eines Absatzes bestimmen du und dein Bauchgefühl. Häufig besteht ein Absatz aus einem einleitenden Satz, auf den eine ausführlichere Beschreibung oder eine inhaltliche Weiterentwicklung des Gedankens folgt. So ähnlich wie im Absatz, den du gerade liest. Absatz! Denn es geht weiter mit einem neuen Gedanken: Unterschätze nicht die Macht der magischen Satzzeichen! Die deutsche Sprache kennt sieben Satzzeichen und alle haben ihre Berechtigung. Sie gliedern den Satz, machen das Tempo und führen die Stimme. Es gibt nicht nur Punkt und Komma; ich bin beispielsweise ein großer Fan des Semikolons. Manchmal hast du zwei Gedanken, die irgendwie zusammengehören, aber doch eine stärkere Trennung als ein Komma verlangen. Für solche gleichrangigen Hauptsätze, genauso wie für Aufzählungen, hat der Herrgott uns das Semikolon geschenkt. Wenn du Aufmerksamkeit oder einen Moment Spannung erzeugen willst, mach Folgendes: Setze einen Doppelpunkt! Das Ausrufezeichen aktiviert und fordert auf. Durch Fragen nimmst du dein Publikum mit und lockerst den Text auf. Übrigens gibt es auch einen Unterschied zwischen Binde- und Gedankenstrich: Bindestriche verbinden Worte, machen sie übersichtlich und lesbar (»Kfz-Brief«, »deutsch-französisch«, »Kopf-an-Kopf-Rennen«), während Gedankenstriche inhaltliche Gedanken trennen oder – siehe Beweisstück B – Einschübe einrahmen.
GRAMMATIK
Weißt du, was ein Modalpartikel ist? Oder eine Antonomasie? Keine Sorge – das musst du nicht! Ich bin der festen Überzeugung, dass du erstklassige Texte schreiben kannst, ohne dich ausführlich mit der Theorie der Grammatik auseinanderzusetzen. Wenn du viel liest und schreibst, entwickelst du automatisch ein Gefühl für die Sprache. Du wirst Stilmittel einsetzen, von denen du nicht einmal ahnst, dass es welche sind – geschweige denn, dass du deren Namen kennst. Ich oute mich: Ich bin auch nur ein ordinärer Sünder! Ich habe zwar eine grammatikalische Grundbildung genossen, viel über Sprache gelesen und selbst viel geschrieben, aber ich war immer zu faul, Vokabeln zu lernen. »Antonomasie« musste ich auch googeln: Es ist ein Sonderfall der Synekdoche, die wiederum eine rhetorische Figur aus der Gruppe der Tropen ist. Willst du dir so etwas merken? Falls ja, »Herkules« ist eine Antonomasie – ein Eigenname, der als Gattungsbegriff verwendet wird; in diesem Fall für einen psychisch starken Menschen. Texte schreiben ohne Grammatikbildung ist wie Songs schreiben, ohne Noten lesen zu können. Und das funktioniert offenbar auch ganz gut. Gene Simmons von Kiss teilt sein »Erfolgsrezept« in seinem höchst bescheidenen Buch So wird man Rockstar und Millionär – und mit einer klassischen Ausbildung hat das Ganze nicht viel zu tun: »Ich kann weder Noten lesen noch schreiben, habe aber Hunderte Songs komponiert. Ich nahm niemals Musikunterricht. Ich hatte keinen Musiklehrer, der mir beibrachte, Gitarre zu spielen oder Bass oder Keyboards oder Schlagzeug. Trotzdem verfüge ich über genügend Grundkenntnisse der Instrumente, um Songs zu schreiben und aufzunehmen.« Auch Phil Collins, der Dutzende Nummer-eins-Hits geschrieben hat, sagt: »Notenlesen lerne ich nie, ich kann es heute noch nicht.« Und wir können das illustre Namedropping musikalischer »Analphabeten« fortsetzen: Elvis Presley, Paul McCartney, Jimi Hendrix, Stevie Wonder, Eric Clapton, Joe Cocker, Keith Urban, die Rolling Stones, die Foo Fighters oder Green Day. Nicht mal der
geniale Filmkomponist Hans Zimmer hat das Notenlesen richtig gelernt. Wir ziehen daraus den kühnen Schluss, dass du die Theorie nicht zwingend kennen musst, um gute Ergebnisse zu liefern. Zudem wäre es alltagsfern, dir zu raten, Dutzende von rhetorischen Stilmitteln zu pauken. Aber ein wenig Grundbildung im Fach Grammatik schadet natürlich auch nicht. Du kannst dich mit den Möglichkeiten der Sprache vertraut machen und deine Palette an Stilmitteln bewusst erweitern. Ein Klassiker, von dem du sicher schon gehört hast, ist die Alliteration: »Mann oder Maus«, »Sekt oder Selters« und so weiter. Benachbarte Wörter beginnen mit dem gleichen Anlaut. Ich finde dieses Stilmittel besonders für Überschriften geeignet, denn Alliterationen sind immer ein Hingucker. Ich habe mich zum Beispiel mal sehr über den Titel »Wenn Wörter Waffen werden« gefreut, den ich für eine Kolumne über Kriegskommunikation verwendet habe. Die vier W sind womöglich nur mir aufgefallen, aber ich fand es kool. Stilmittel hin oder her, schlussendlich musst du es deinem Publikum mit einem guten Text gemütlich machen. Wenn du dabei sprachliche Regeln brichst, tust du dies bestenfalls vorsätzlich, um einen gewünschten Effekt zu erzielen (wie ich, wenn ich »kool« in Anlehnung an DJ Kool mit »k« statt »c« schreibe). Wenn du unsicher bist, empfehle ich dir, dich lieber an die Regeln zu halten. Ich hätte auch noch ein paar für dich …
SPRACHE MIT BIZEPS
Deine Sprache sollte Bizeps haben! Kräftig, ausdrucksstark und direkt. Verzichte auf doppelte Verneinung. Sätze wie »Er ist nicht untalentiert« verklausulieren unnötig und rauben deinem Text die Kraft. »Er ist talentiert«. Punkt. Formuliere grundsätzlich positiv und vermeide »Nicht-Botschaften«. Du kannst sagen »Haben Sie keine Angst vor der Zukunft« oder stattdessen: »Seien Sie zuversichtlich«. Ein himmelweiter Unterschied! Denn das Wort »Angst« löst etwas in uns aus – unabhängig vom Kontext. Ich höre zwar »keine Angst«, aber ich denke oder fühle: Angst. Gerade bei heiklen und kritischen Themen solltest du deine Worte mit Bedacht wählen. Wenn immer möglich, setze auf ein konkretes Subjekt und verzichte auf die unpersönliche Formulierung mit dem Generalpronomen »man«. Vergleich mal – welche Version wirkt auf dich verbindlicher: »Man muss endlich etwas tun« oder »Ich muss endlich etwas tun«? Das ist ein No-Brainer. Noch ein Beispiel: »Man sollte beachten …« – das heißt für mich so viel wie »kann man machen, muss man aber nicht«. Ganz anders klingt: »Wir beachten dabei …«. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass viele Menschen auch persönliche Geschichten, meistens die negativen, in der »man«-Form erzählen. »Man wird einfach immer enttäuscht.« Ein normaler Reflex, der uns ein wenig auf Abstand zum Geschehenen bringt. Für Texte und Vorträge gilt allerdings: Sei verbindlich und persönlich. Verwandt mit der »man«-Problematik sind ive Verben, denn auch hier fehlt die handelnde Instanz. Zum Hintergrund: Verben können aktiv oder iv sein. Entweder tut das handelnde Subjekt aktiv etwas, zum Beispiel im Satz: »Das Unternehmen hat den Umsatz gesteigert.« Oder es wird etwas mit dem iven Subjekt getan: »Der Umsatz wurde vom Unternehmen gesteigert.« Zeig klare Kante und verzichte auf umständliche iv-Sätze. Wenn es dir reicht, sagst du schließlich auch »Ich nehme meinen Hut!« und nicht »Mein Hut wird von mir genommen!«. iv ergibt nur in zwei Fällen Sinn:
Wenn du die handelnde Person nicht kennst (»Die Bank ist überfallen worden«) oder wenn es nur um das Objekt geht (»Der Preis wird so lange gesenkt, bis …«).
Du merkst schon: Im Kern geht es immer darum, möglichst direkt und klar zu schreiben. Daher ist auch der Konjunktiv mit Vorsicht zu genießen. »Wir würden diesen Plan umsetzen« ist Konjunktiv, die Möglichkeitsform. Wenn du keinen Spielraum für Interpretationen lassen möchtest, spar dir den Umweg und sag: »Wir setzen diesen Plan um.« Auch Relativierungen sind kontraproduktiv: Sei sparsam mit Formulierungen wie »vielleicht«, »eventuell«, »einigermaßen«, »etwas« oder »ein wenig«. Sie schwächen deinen Text. Gleiches gilt für Füllwörter wie »also«, »halt«, »nämlich«, »immerhin« oder »einfach«. Klopfe deinen Text spätestens bei der Korrektur noch einmal gründlich auf alle »verzichtbaren« Wörter ab.
HUMOR
Ein zu oft sträflich vernachlässigtes Stilmittel – besonders im »seriösen« beruflichen Kontext – ist Humor. Was nicht bedeutet, wie Fips Asmussen oder Markus Krebs einen Kalauer an den nächsten zu reihen (»Was ist klein, grün und dreieckig?« – »Ein kleines grünes Dreieck!«). Es geht um gezielt gesetzte Pointen oder Stellen zum Schmunzeln, die deinen Text und deine Zuhörer auflockern. Humor hält wach und bei der Stange. Zudem stärkt gemeinsames Lachen die Bindung. Der beste Humor ist spontan: Situationskomik. Oftmals ergeben sich Gelegenheiten hierfür durch Einwürfe aus dem Publikum, technische Pannen oder andere ungeplante Begebenheiten. Wenn du schlagfertig bist, reagiere darauf – bestenfalls immer mit einem Augenzwinkern. Nimm dich dabei selbst nicht zu ernst. Verzichte zwingend auf Witze, die ausschließlich auf dem Rücken Dritter ihre Wirkung entfalten. Es ist beispielsweise nie eine gute Idee, sich über Randgruppen lustig zu machen – unabhängig davon, ob diese anwesend sind oder nicht. Auch wenn du witzig sein willst, bleib immer charmant. Humor beschränkt sich jedoch nicht auf Spontanität: Dein Text sollte ebenfalls Anlass zur »Freude« geben. Wenn dein Publikum innerhalb von 20 Minuten nicht einmal lacht, hast du etwas falsch gemacht. Arbeite mit Wortwitz und Wortspielen. Nutze die feine Klinge der Ironie oder übe dich in Understatement, zum Beispiel mit einer schlitzohrig kalkulierten Untertreibung. Und es ist dir an ender Stelle auch gestattet, mal eine unschuldige Bosheit einzustreuen. Sei im wahrsten Sinne des Wortes »gewitzt«. Denn guter Humor ist die Königsdisziplin, für die man mutig, kreativ und vor allem originell sein muss. Damit kommen wir – was für ein Übergang – zur …
ORIGINALITÄT
Humor ist das Paradebeispiel: Wenn du einen Witz hörst, den du bereits kennst, lachst du (meistens) nicht. Wenn du diesen Witz zum zehnten Mal hörst, bist du genervt. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit anderen »Sprachklischees«. Besonders Redewendungen sind häufig so abgegriffen, dass ich von ihrem Einsatz eher abrate: »das Ende der Fahnenstange«, »aus allen Wolken fallen« oder »das kühle Nass«. Wir haben diese Formulierungen so oft gehört, dass sie uns nicht mehr stimulieren – ihre Wirkung geht gegen null. Im Business-Kontext sind einige Wörter mittlerweile ebenfalls »geflügelt«. Ich persönlich bekomme Ausschlag, wenn ein Unternehmen mit seinen »Innovationen« oder seiner »Innovationskraft« wirbt – denn das machen schätzungsweise neun von zehn Firmen. Jeder ist innovativ! Und da es jeder von sich behauptet, kannst du dir diese Aussage auch schenken. Sei ebenfalls vorsichtig mit den Modewörtern »Nachhaltigkeit«, »Exzellenz« oder »Synergie«. Das Pferd ist totgeritten! Suche andere Formulierungen, um deine Aussage zu transportieren. Hüte dich bitte auch vor Zitaten, die du schon zigmal irgendwo gehört oder gelesen hast. Ich schwöre hiermit feierlich: Wenn ich im Rahmen eines Vortrags noch einmal Bill Gates‹ Gassenhauer »Banking is necessary, Banks are not« hören muss, stürze ich mich mit der Brust voran in meinen Kugelschreiber. Oder ich gehe. Tricky an der Originalität ist: Du kannst sie nicht kopieren. Denn dann bist du nicht mehr originell. Was also tun, um das gewisse Etwas zu finden? Zunächst: Meide Phrasen, Schablonen und althergebrachte Sprachformeln. Sei unkonventionell. Ersetze oder erweitere Bekanntes durch Unbekanntes, Gewohntes durch Ungewohntes. »Sie müssen den Gürtel enger schnallen« ist langweilig; »Sie müssen den Bombengürtel enger schnallen« funktioniert wieder. Du begibst dich damit natürlich in größere Fallhöhe, aber ein gewagteres Kunststück erhält auch mehr Applaus. Erzähle nicht die alte Geschichte vom goldgelockten Prinzen, der den Drachen tötet und die Prinzessin heiratet. Lass
deinen Prinzen die Prinzessin töten und den goldgelockten Drachen heiraten – das ist eine Geschichte! Ausgeblichene Bilder auf den Kopf stellen ist nur eine Option. Ebenfalls punkten kannst du mit einer überraschenden Struktur (»Heute beginnen wir mal mit dem Fazit …«), mit verblüffenden Fakten und Zahlen, mit Provokationen oder speziellen Kenntnissen über dein Publikum. Eine überraschende Wende am Schluss ist immer super. Lass dir etwas Spritziges einfallen! Aber geh nicht zu verkrampft daran, eine originelle Idee zu finden – denn dann findest du garantiert keine. Sag jetzt – in diesem Moment – mal etwas Originelles! Nicht weiterlesen! Sag erst mal was Originelles! Die meisten Menschen sind mit dieser Aufgabe überfordert und geraten in Panik. Oder sie kommen nur auf langweilige Antworten. Warum? Weil sie zu lange nachdenken. Wenn sie stattdessen das Erstbeste aussprechen würden, was ihnen im Kopf herumgeistert, wäre es höchstwahrscheinlich originell. »Ich zähle bis rückwärts«, »Ritter Sport mit Senfgeschmack« oder »Die Deutsche Bahn tötet Katzenbabys« – solche Dinge fallen dir ein, wenn du spontanen Impulsen folgst. Diese landen nicht zwingend als Satz in deinem Text, aber sie können der Ausganspunkt für etwas Neues, Originelles werden. Schätze deine ersten Gedanken! Heiße ungewöhnliche Ideen willkommen, denn sie machen deinen Text besonders. Fehlende Informationen kannst du immer nachtragen, Überflüssiges kannst du streichen; aber das gewisse Etwas kannst du nachträglich nur schwer ergänzen. Nimm dir die Freiheit, deiner Inspiration, deinem Instinkt und deiner Intuition zu folgen! Schließlich schreibst du einen Text – was dich praktisch zum Künstler macht. Wenn du die Basics draufhast und bestenfalls auch ein wenig praktische Erfahrung gesammelt hast, kannst du deinem Instinkt vertrauen. In ihm kommt nicht nur ein vages Bauchgefühl zum Tragen, sondern all das Wissen, das du dir vorher angeeignet hast. Quincy Jones drückt es so aus: »Deine Instinkte reflektieren deinen Hintergrund […] – lerne, sie mit neuen Erfahrungen zu füttern und ihnen zu vertrauen.« Erfinde dich und dein Thema von Zeit zu Zeit neu und wage dich auf unbekanntes Terrain. Wenn du Risiken eingehst, statt immer nur Altbewährtes zu wiederholen, führst du dich an neue Orte, wächst mit deinen Aufgaben und bewahrst dir nebenbei deine schöpferische Freiheit. »Jedes Wachstum ist ein Sprung ins Dunkle, eine spontane, unüberlegte Handlung ohne den Vorteil
vorheriger Erfahrungen«, schrieb einst der US-amerikanische Autor und Maler Henry Miller. Zugegeben, ein »Sprung ins Dunkle« erfordert Mut. Aber dein Mut wird immer belohnt. Als Elton John von Disney das Angebot bekam, den Soundtrack zu König der Löwen zu schreiben, hätte er fast abgelehnt. Denn das Metier Film war ihm gänzlich neu; ganz zu schweigen vom Animationsfilm. Später sagte er: »Das war eine völlig neue Erfahrung für mich, gleichzeitig fantastisch und ein wenig nervenaufreibend. Überrascht stellte ich fest, dass ich mich weit außerhalb meiner persönlichen Komfortzone und damit – so wurde allmählich klar – an einem Ort befand, der einem Künstler nach fast 40 Jahren auf der Bühne sehr gut zu Gesicht stand.« Sir Eltons Mut wurde belohnt: Allein für den Song Can You Feel The Love Tonight gewann er 1995 einen Grammy, einen Golden Globe und einen Oscar. Wenn du nicht nur auf den plattgetrampelten Pfaden deiner bisherigen Kreativität wandelst, kommen dir neue Ideen, die dich weg von den Allgemeinplätzen und hin zu spannenden, unbekannten Orten bringen.
AUTHENTIZITÄT
Wenn ich dich ermutige, neue Wege einzuschlagen, unkonventionell oder witzig zu sein, gilt all dies unter einer entscheidenden Voraussetzung: Es muss zu dir und deiner Rolle auf der Bühne en! Du sollst dich nicht verstellen oder so weit verbiegen, dass du dich nicht mehr wiedererkennst. »Jemand anderes sein zu wollen ist eine Verschwendung deiner Person«, sagte Grunge-Gott Kurt Cobain von Nirvana. In vielerlei Hinsicht ist ein Künstler mit seinem Werk identisch: »Le style c’est le homme.« I can feel that! Wenn ich keine Vorgaben Dritter habe, ähneln meine Raps häufig Tagebucheinträgen – und das hat kathartische Wirkung. Ich verarbeite meine Gefühle und Gedanken, schreibe mir den Frust von der Seele oder teile mein Glück mit der Welt. Manchmal schreibe ich genau die Texte, die ich selbst gerade dringend hören muss. Wenn ich beispielsweise unglücklich in Beziehungen war oder gezweifelt habe, wie es weitergehen soll, hat mir das Texten geholfen, mich zu sortieren. Eine anstehende Entscheidung habe ich dann zuerst im Text getroffen und anschließend auf mein Leben übertragen. In jedem Text steckt ein Teil von dir, ob du willst oder nicht. Und das ist gut so! Denn originelle Resultate kannst du nur erzielen, wenn diese deiner individuellen Persönlichkeit entspringen. Niemand hat deinen Hintergrund, deinen Humor, deinen Blick auf die Welt – nutze diesen Vorteil. Gerade deine persönlichen Erfahrungen verleihen dem Text die besondere Note. Dazu Phil Collins: »Bevor du schreibst – denk daran, dass in allem, was du schreibst, etwas ›Du‹ stecken sollte. Nimm das nicht weg, wenn du schreibst. Sei du selbst. Fühl dich wohl in deiner Haut.« Miles Davis, seines Zeichens Jazz-Gott an der Trompete, teilt in seiner Autobiografie einige Worte, die ihm sein Vater in jungen Jahren mit auf den Weg gab. Für Miles sollten sie zum Credo seines künstlerischen Schaffens werden: »Miles, hörst du den Vogel vor dem Fenster? Das ist eine Spottdrossel. Sie hat keine eigene Stimme. Sie kopiert die Stimmen aller anderen, und das willst du nicht tun. Du willst dein eigener Mann sein, deinen eigenen Sound haben. Nur
darum geht es. Also sei niemand anderes als du selbst.« Authentizität ist nicht nur mitentscheidend für deinen einzigartigen Output, sondern auch für deine Glaubwürdigkeit. Ein wichtiger Punkt! Wenn man dir deinen Auftritt nicht »abnimmt«, kannst du erzählen, was du willst. Ray Charles verglich die Rolle eines Sängers – und bei einem Redner ist es nicht viel anders – mit der eines Schauspielers: »Beim Singen ist es das A und O, glaubwürdig zu sein. […] Wenn jemand dich singen hört und dann sagt: Oh, das alles muss ihm persönlich iert sein, dann weißt du, dass es dir gelungen ist, etwas zu vermitteln. Das ist so, als wenn man ein guter Schauspieler ist. Man schafft es, dass die Leute etwas fühlen, man weckt Emotionen und so weiter.« Wenn du deine »Rolle« perfekt spielst – und als Redner ist das meist deine Paraderolle »Ich« –, nimmt dein Publikum dir dein Anliegen ab. Wenn du künstelst oder unecht wirkst, werden sich deine Zuhörer abwenden. Denn offenbar kann man dir nicht vertrauen. Wer sich verstellt, hat wahrscheinlich etwas zu verbergen. Lass keinerlei Zweifel an der Echtheit deiner Person oder deinen Inhalten aufkommen. Deshalb ist es kriegsentscheidend, dass du nicht nur einen sauberen Stil hast, sondern auch deinen eigenen Style. Unter Stil verstehe ich die sprachlichen Mittel, die du einsetzt; Style ist deine individuelle Note, deine Persönlichkeit, deine Art. Bring dich in jeden Text und Auftritt mit ein – deine Gedanken, deine Interessen und dein Anliegen. Bei der Musik ist es nichts anderes: Ein guter Songtext und eine schöne Melodie machen noch keinen Hit. »Das Tempo und das Feeling müssen bei jedem Song stimmen und der Groove – Mann, der Groove ist König!«, sagt Carlos Santana. Denn Musik ist mehr als ein Haufen Töne, genauso wie ein Text mehr als ein Haufen Wörter ist. Der Vibe entfaltet sich zwischen den Zeilen. Das meint auch Prince alias The Artist Formerly Known As Prince alias Love Symbol #2 alias … sagen wir einfach Prince: »Der Raum zwischen den Noten – das ist der gute Teil. Wie groß auch immer dieser Raum sein mag, so funky ist das Stück. Oder eben nicht.« Ray Charles vereinigte einst in der Soul-Musik die schwarzamerikanischen Genres Jazz, Gospel und Blues. Als er sich dann in den 1960er-Jahren der »weißen« Country- und Western-Musik zuwandte, waren Kritiker und Fans zunächst gleichermaßen irritiert. Das t doch gar nicht zum Style des SoulGenius! Ray Charles aber sagte, dass es nicht das Lied sei, das die Soul-Musik ausmache, sondern dessen Interpretation. Recht hat er! Pete Townshend von The
Who meint etwas Ähnliches, wenn er sagt: »Die Texte kommen aus dem Kopf, aber die Musik aus dem Herzen.« Was auch immer du tust – schreiben, malen, nähen, kochen oder boxen –, mach es in deinem Style.
FAZIT KAPITEL 2: Suche Inspiration und schaffe dir die enden Arbeitsbedingungen. Erzähle eine Geschichte und schreibe sie ohne Umwege, das heißt klar, konkret und verständlich. Würze deinen Text mit klug ausgewählten Stilmitteln und einer Prise Humor. Sei mutig, originell und authentisch.
Fazit
Viel lesen, viel schreiben – viel Erfolg!
3. SELF- UND SOUNDCHECK
Vorsicht, ich nehme dich für einen Moment mit in mein Schlafzimmer. Ich habe einen wiederkehrenden Traum: Es ist morgens, ein Schultag. Ich bin schätzungsweise acht Jahre alt. Gemeinsam mit meiner Familie sitze ich in der Küche am Frühstückstisch. Mein Blick fällt auf die Uhr an der Wand: schon 7:35 Uhr! Um acht Uhr geht die Schule los – ich bin viel zu spät! Wir müssen noch ein ganzes Stück mit dem Auto fahren, und davor muss ich erst mal meinen Ranzen packen! Panik! Im nächsten Moment knie ich in meinem Kinderzimmer vor einem großen schwarzen Schrank und suche unter viel zu vielen Heften und Büchern die richtigen heraus. Ich werde immer hektischer, aber einige Arbeitshefte kann ich einfach nicht finden. Die Flik Flak an meinem Arm ist gnadenlos: 7:45 Uhr! Das wird nichts mehr. Ich komme zu spät in die Schule. Fin. Dutzende Male bin ich aus diesem Traum aufgewacht. Es ist zwar kein Albtraum im klassischen Sinn, aber er lässt mich stets in einer seltsamen, bedrückenden Stimmung zurück. Einerseits fühle ich noch die Hektik des Traums. Flugzeugträger im Bauch. Auch mein Herz muss erst mal runterkommen. Andererseits fühle ich so etwas wie Enttäuschung und Versagen, als hätte ich jemandes Erwartungen nicht erfüllt. Die Morgenszene war übrigens keine Erinnerung oder ein Flashback: Meines Wissens war ich während meiner gesamten Schulzeit an jedem einzelnen Tag pünktlich. Und wenn doch nicht, hat es mich zumindest nicht gejuckt. Du kannst von Traumdeutung halten, was du willst – ich bin da auch eher skeptisch; aber für mich stand schnell fest, dass mir mein Unterbewusstsein etwas sagen möchte. Es war auffällig, dass mich der Traum besonders in Stressphasen, vor fordernden Terminen und Premieren jeder Art verfolgt hat. Für mich war das nie Lampenfieber. Direkt vor dem Auftritt war ich entspannt. Auch an den Tagen davor war ich ruhig und positiv. Aber in der Nacht hat es mich dann manchmal erwischt. Offenbar hatte ich unbewusst doch ein bisschen Schiss. Ich war mir schnell sicher: Der Traum erzählt die simple Geschichte meiner Angst, schlecht vorbereitet zu sein. Was also tun? Mich besser
vorbereiten! Mittlerweile schlafe ich besser.
SPIEGLEIN, SPIEGLEIN
Es ist ein Mythos, dass sich Rockstars nicht oder nur schlecht vorbereiten – die wilden, von Drogeneskapaden beherrschten Anfangstage diverser Bands mal ausgenommen. Auch wenn Keith Richards rückblickend sagt: »Wir waren nie vorbereitet. Um Vorbereitung geht es beim Rock ’n‹ Roll auch nicht.« Heute nimmt er wie der Rest der Rolling Stones seine Verantwortung auf der Bühne ernst und geht seine Gigs sehr akribisch an. Vor der Tour wird mehrere Monate alles im Detail geplant und geprobt: der Bühnenaufbau, die Lightshow, der Sound, die Songs, die Outfits et cetera. Auf der Bühne zu stehen macht Spaß, es kann dein Hobby sein oder deine Leidenschaft; aber am Ende des Tages ist es immer auch ein Job, den es zu erledigen, ein Auftrag, den es zu erfüllen gilt. Tina Turner sagt: »Ich habe mich immer als jemanden gesehen, der einfach aufsteht und zur Arbeit geht.« Die Mehrzahl der Rockstars würde diesen Satz wahrscheinlich unterschreiben. Und warum auch nicht? Das Zauberwort lautet: Professionalität. Wer gut sein möchte, muss seine Aufgabe seriös und gewissenhaft angehen. Deshalb solltest auch du – selbst wenn du kein Profi bist – auf der Bühne professionelle Standards an dich und deine Performance anlegen. Du ahnst, was das bedeutet: Du musst hart an dir arbeiten! Egal, wie viel Talent du hast – du musst es kultivieren, du musst fleißig sein und viel üben. Es gibt keinen Ersatz für harte Arbeit. »Du musst deine Fähigkeiten entwickeln, bis du wirklich weißt, wovon du sprichst […]. Es geht darum, dein Handwerk zu erlernen, damit du etwas zu bieten hast […]. Das alte Klischee, Erfolg sei 10 Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration, ist wahr«, sagt Produzent Quincy Jones. Lassen wir hierzu noch drei weitere Meister ihres Fachs zu Wort kommen. Ray Charles vertrat ebenfalls die Ansicht, dass Talent allein nicht ausreicht: »Das bedeutet, man muss üben. Eine Menge Leute mögen das nicht, und es macht ihnen keinen Spaß, aber ich denke, wenn du gut sein willst, dann musst du üben.
Ich bin noch nie jemandem begegnet, der ohne zu üben wirklich gut war. Übung macht den Meister.« Das sind 3 Euro für das Phrasenschwein, Ray! Für Jay-Z ist ebenfalls klar: »Ohne Arbeit keine Magie.« Als Rapper hat Jigga mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft, er war CEO beim Label Def Jam und ist heute Eigentümer der Modefirma »Rocawear« sowie Ehemann von Beyoncé – der Mann hat also nicht alles falsch gemacht. Neben Talent sind für ihn Disziplin, Training und Engagement entscheidend: »Es stimmt, dass ich manchmal in der Lage bin, innerhalb weniger Minuten Lieder zu entwickeln, […], aber das ist eine Fähigkeit, die ich in Hunderten von Übungs- und Arbeitsstunden verfeinert habe, seit ich neun Jahre alt war.« Dass diese Erkenntnis bereits einen Bart hat, belegt Maler und Bildhauer Michelangelo mit seinem Ausspruch: »Wenn die Leute wüssten, wie hart ich arbeiten musste, um mein Können zu erlangen, würde es ihnen nicht mehr wunderbar erscheinen.«
TRAINING
Für ein kontinuierliches Training gibt es mehrere gute Gründe: Du bekommst Sicherheit, du steigerst dein Niveau, du entwickelst deinen Stil. Und nicht zuletzt: Du bist es deinem Publikum schuldig. Du solltest den Anspruch haben, gut zu sein und dann immer besser zu werden. Du bist bereits ein erstklassiger Redner? Prima! Pack beim nächsten Mal trotzdem noch eine Schippe drauf! Wenn dein Text steht, folgt die Vorbereitung deines Auftritts. Nun stellen sich zwei große Fragen:
Sprichst du mit Notizen oder frei? Wenn du frei sprichst, lernst du dann Wort für Wort auswendig?
Auch wenn mir hier einige Bühnenprofis und Redner widersprechen werden: Diese Fragen kannst du nur individuell beantworten – in Abhängigkeit deines Typs und der verfügbaren Vorbereitungszeit. Du bist introvertiert, du hast keinerlei Erfahrung on stage und »darfst« auf Wunsch deines Chefs in drei Tagen eine Rede vor 500 geladenen Gästen halten? Dann rate ich dir zu Notizen! Grundsätzlich gilt jedoch: Sprich frei! Es kostet mehr Überwindung, aber es lohnt sich. Ein freier Vortrag hat zehn Mal mehr Power! Das ist übrigens auch der Grund, weshalb Vokalisten bei Studioaufnahmen ihre Texte im Kopf haben sollten – der Meinung ist zumindest Quincy Jones. Bei ihm durfte niemand vom Blatt singen. Nicht einmal Michael Jackson. Quincy ließ auch den King of Pop seine Texte so lange üben, bis er sie Wort für Wort im Kopf hatte. Wenn er auf das Textblatt nicht verzichten konnte, gab es keine Aufnahme. Toningenieur Bruce Swedien erinnert sich, weshalb Quincy auf dieses Vorgehen bestand:
»Wenn die Künstler die Texte aus dem Gedächtnis kennen und sie aus dem Gedächtnis interpretieren, werden ihre Instinkte anders. Sie werden besser, vielleicht realer. Das ändert alles.« Doch nicht nur dein Energielevel und dein Ausdruck sprechen für einen freien Vortrag: Wenn du kein Manuskript, keine Karteikarten oder Ähnliches in der Hand hältst, wendest du dich automatisch deinem Publikum zu. Du schielst nicht verstohlen nach unten, sondern richtest deinen Blick dahin, wo er hingehört: auf deine Zuhörer. Zudem bewegst du dich ohne Notizen freier und nutzt deine Hände mehr. Beides ist hilfreich, wenn du dein Publikum mitnehmen und emotionalisieren möchtest. Wenn es nicht ohne Gedankenstütze geht, sind Stichworte auf Karteikarten (Format A5 oder kleiner) die beste Option. Lieber hin oder wieder ein Blick auf den »Spickzettel«, als alle zwei Sätze einen Texthänger. Du kannst auch frei sprechen und die Karteikarten für das »gute Gefühl« in der Nähe bereitlegen. Mit Stichworten auf den Karten meine ich übrigens Stichworte. Druck nicht den vollständigen Text aus, denn dann liest du ab. Das Resultat ist für gewöhnlich ein quälend langweiliger Vortrag – es sei denn, du bist zufällig Dan Brown und hast gerade eine Buchlesung. Entscheidend ist, dass du natürlich klingst (Stichwort: Authentizität) und der Text fließt. Wie du das bewerkstelligst, bleibt am Ende deine Entscheidung. Genauso wie die Frage, ob du den Text Wort für Wort auswendig lernst oder ob du dir nur einzelne Schlagwörter merkst, anhand derer du dich durch den Vortrag hangelst. Dazu kann ich dir zwei Dinge sagen:
Das Auswendiglernen genießt unter Rednern keinen guten Ruf; es ist geradezu verpönt. Das kann dir herzlich egal sein!
Kaum ein professioneller Redner würde öffentlich dazu stehen, dass er seinen
Text auswendig lernen »musste«; denn begnadete Redner schütteln ihren Vortrag natürlich spontan aus dem Ärmel. Der Vorwurf lautet meist: Auswendig gelernte Texte hören sich heruntergeleiert an, ohne Herz und Seele. Aber auch, wenn du jedes Wort im Kopf hast, kannst du natürlich klingen – vorausgesetzt, der Text ist zum Sprechen geschrieben und du trägst ihn authentisch vor. Der Vorteil am auswendig gelernten Text ist, dass du bereits vorher weißt, was du sagst und (bestenfalls) jedes Wort sitzt. Zudem ist es leichter, den Zeitrahmen einzuhalten. All das gibt Sicherheit und hilft, frei genug zu sein, um sich auf den Rest der Performance zu konzentrieren. Wenn der Text in Fleisch und Blut übergegangen ist, kommen dir die Worte fast automatisch über die Lippen. Dein Hirn hat ein paar Prozent mehr Kapazität, um sich beispielsweise auf Gesten zu konzentrieren.
»Es gibt keinen Ersatz für harte Arbeit«
Auswendig lernen bedeutet, dass du den Text Wort für Wort exakt memorierst – so wie früher die Gedichte in der Schule. Sänger lernen ihre Songtexte auf diese Art, Komiker ihre Pointen. Es gibt nicht nur den »freien Vortrag«, sondern auch zahlreiche Textarten, die dir ohnehin keinerlei Spielraum lassen – hier muss jedes Wort an der richtigen Stelle sein. Willst du lange Texte auswendig lernen, bedeutet das in der Vorbereitung natürlich viel Action: Du brauchst Zeit und Geduld. Präge dir Satz für Satz ein, Absatz für Absatz, Seite für Seite. Lerne den ersten Abschnitt, dann den zweiten, dann wiederholst du den ersten und den zweiten Abschnitt. Wenn du den dritten im Kopf hast, gehst du wieder alles von vorne durch und so weiter. Irgendwann fängst du beim Wiederholen nicht jedes Mal von vorne an, sondern ein wenig später. Aber auf, dass du mit dem neuen Absatz keinen alten vergisst. Wenn du an einer Stelle immer wieder hängenbleibst oder einen Satz partout nicht behältst, ist das ein sicheres Anzeichen dafür, dass die Formulierung zu sperrig ist. Schreibe die entsprechende age einfach um.
Wichtig: Sprich laut! Dein Ohr lernt mit, und du erinnerst dich später an das Gehörte. Wenn du die Worte übertrieben deutlich und laut aussprichst, wird zudem deine Kiefermuskulatur aktiviert; diese Bewegungsempfindung wird ebenfalls mit dem Gesprochenen verknüpft. Hast du deinen Text vollständig im Kopf, gehe ihn erneut durch: ein Mal, zwei Mal, zwanzig Mal – so oft, wie es nötig ist. Ich lerne Texte entweder in der heimischen Ruhe oder auf Spaziergängen. Bewegung hilft. Selbst in der Wohnung tigere ich permanent auf und ab, wenn ich mir einen Text in den Kopf prügele. Wann immer möglich, nutze ich Wartezeiten – zum Beispiel in Bus und Bahn. Lade den Text auf dein Smartphone oder fotografiere dir das Manuskript ab, dann hast du es immer parat. Apropos Smartphone: Via Sprachnotiz kannst du deinen Text auch einsprechen, um ihn dir anzuhören; wenn du unterwegs bist, wenn du kochst oder vor dem Einschlafen. Jeder Tag bietet zahlreiche Gelegenheiten, Gelerntes zu wiederholen oder sich einen neuen Abschnitt zu merken. Als ich meine erste Traurede auswendig gelernt habe (mit immerhin 35 Minuten »Freisprechzeit«), wollte ich jeden freien Moment zur Vorbereitung nutzen, um es nicht zu versauen. Deshalb habe ich mir den Text Seite für Seite ausgedruckt, in Klarsichtfolien gepackt und mit Panzertape in die Dusche geklebt. Jeden Morgen und jeden Abend bekam ich den mal motivierenden, mal bedrohlichen Reminder: Du musst was tun! Und das habe ich. Ich kann die Dusche wärmstens empfehlen, aber bitte achte auf deinen Wasserverbrauch! Irgendwann beherrschst du deinen Vortrag im Schlaf und musst dich nicht mehr messerscharf auf jedes Wort konzentrieren. Du hast deinen Text drauf und das fühlt sich gut an! Diese Gewissheit gibt dir die notwendige Sicherheit, um am Tag X souverän abzuliefern. Ich will dir nichts vormachen: Bühnenpraxis bekommst du nur auf der Bühne. Natürlich ist die Situation eine andere, wenn die Scheinwerfer auf dich gerichtet sind. Aber die Gewissheit, gut vorbereitet zu sein, wird dir enorm helfen. Vor einem Auftritt bist du ohnehin angespannt; wenn du zusätzlich noch unsicher bist, ob du den Text parat hast, musst du ja nervös werden!
SELBSTBETRACHTUNG
Eine gute Show lebt allerdings nicht nur von den Inhalten, sondern auch von der Präsentation. Du solltest dir deshalb im Vorfeld eines Auftritts immer auch Gedanken über deine Performance machen. Wie stehst du, welche Gesten setzt du ein und wann bewegst du dich wie? In Kapitel 4 befassen wir uns im Abschnitt »Mimik, Gestik, Plastik« noch ausführlich mit dem Thema Körpersprache – ich schicke jedoch den Rat vorweg: Probe auch deinen Körpereinsatz. Visualisierung ist eine Möglichkeit des Trainings: Vor allem bei Sportlern ist die Methode sehr beliebt, um sich auf anstehende Wettkämpfe vorzubereiten. Formel-1-Piloten fahren vor ihrem geistigen Auge die Ideallinie einer Rennstrecke ab, während ihre Füße die imaginären Pedale bedienen. Sie konzentrieren sich intensiv auf jede Einzelheit des Bewegungsablaufs, so als säßen sie gerade wirklich im Cockpit. Das Erstaunliche: Es tritt ein messbarer Trainingseffekt ein, weil das Nervensystem die notwendige Muskelleistung auch per Vorstellungskraft erbringt. Künstler wie Jay-Z setzen auch für ihre Gigs auf Visualisierung. Adaptiere die Methode, indem du deine Augen schließt und deinen Auftritt wie einen Film vor dir ablaufen lässt – von dem Moment, wo du die Bühne betrittst, bis zu deinem Abgang. Stell dir alles ganz genau vor: Was wirst du sagen, was wirst du tun und wie wird dein Publikum reagieren? Ich visualisiere jeden Auftritt am Abend vorher, wenn ich im Bett liege. Und ich denke immer bis zum Schluss – ich will den Jubel aufbranden hören. Dann schlafe ich mit einem Grinsen im Gesicht ein. Du solltest deinen Auftritt allerdings nicht nur im Kopf durchspielen, sondern auch klassisch proben. Simuliere die Auftrittssituation so gut wie möglich. Wenn es dir hilft, trage dabei dein Bühnen-Outfit. Du arbeitest mit PowerPoint? Dann lass die Präsentation mitlaufen. Stell dir dein Publikum vor und schau es an. Bestenfalls organisierst du dir ein paar Zuhörer und lässt dir bei einem Probedurchlauf direktes geben. Der Blick von außen ist ein anderer – und mitunter sehr hilfreich.
Daher empfiehlt sich auch ein Training vor dem Spiegel. Plötzlich fällt dir auf, dass du die ganze Zeit von einem auf das andere Bein tänzelst oder immer den Kopf so komisch hältst. Noch besser als der Spiegel ist ein Video. Als »Schattenredner« (das sind die Cousins der Schattenboxer) musst du zwei Dinge gleichzeitig tun: performen und analysieren. Besser ist es, beides zu trennen. Nimm deinen Auftritt als Video auf – auch hier leistet das Smartphone gute Dienste – und dann sei dein eigener Zuschauer. Beobachte, kritisiere, verbessere. Die Jackson 5 haben in den Anfangstagen jede Probe aufgezeichnet, um anschließend Fehler zu finden. Eine gute Methode! Wenn du die Möglichkeit hast, halte nicht nur die Proben, sondern auch deine Auftritte fest. Ich habe Dutzende meiner Gigs mit einer Action Cam mitgeschnitten, um daraus zu lernen. Ich finde jedes Mal Dinge, die mir gefallen – und die ich mir für das nächste Mal wieder vornehme. Oder ich sehe etwas, das mich stört – dann kann ich es abstellen. Auf der Bühne ist man meist so im Tunnel, dass man vieles um sich herum nicht mitbekommt, inklusive der Reaktion des Publikums. An welcher Stelle war die Euphorie besonders groß, wo haben die Leute gelacht, wo bleibt eine erwartete Reaktion aus? Du bist dein Coach, deshalb schau genau hin. Mit der Zeit und den Auftritten wirst du automatisch besser. Du lernst dich sowie deine Stärken und Schwächen kennen. Du weißt, worauf du in der Vorbereitung dein Augenmerk richten musst. Vor Gigs mit der Band probe ich beispielsweise neuere oder schwierigere Songs häufiger als Lieder, bei denen ich mich bereits zu 98 Prozent sicher fühle. Ein, zwei Tage vor der Show sollte deine Vorbereitung abgeschlossen sein. Denn am Auftrittstag musst du den Kopf freihaben. Es gibt viele Dinge, an die du denken musst …
EIN GITARRIST OHNE GITARRE
Er hat Glück, dass ich in diesem Buch gänzlich auf Namen verzichte – deshalb nenne ich ihn einfach liebevoll »unseren Gitarristen«. Wir spielen immer noch zusammen und mögen uns, deshalb darf ich eine kleine lehrreiche Anekdote unseres Gitarristen mit der Öffentlichkeit teilen: Es begab sich einst an einem kühlen Märzabend, der Wind wehte aus nordöstlicher Richtung und hinter einem gemütlichen Hotel in Frankfurt am Main zog es die Sonne langsam Richtung Horizont. In eben jenem Hotel stand ein Gig mit unserer Band »Grundfunk« an; genauer gesagt ein Band-Contest. Da dementsprechend viele Musiker vor Ort waren, ging es noch hektischer zu als sonst. Sechs Bands mussten sich auf der Bühne einrichten und einen Soundcheck machen – folglich war das Timing tight. Aus unserer Kombo waren bereits alle da. Alle, bis auf unseren Gitarristen. Wo steckt der bloß? Gleich geht es los …! Ich habe ihn – halb besorgt, halb verärgert – angerufen und gefragt, wo zum Henker er sei. Noch auf der Autobahn! Was eigentlich gar nicht sein konnte, da er zur gleichen Zeit und vom gleichen Ort losgefahren ist wie wir. Wie sich herausstellte, musste er kurz vor Frankfurt noch einmal umdrehen und die dreiviertel Stunde nach Mainz zurückfahren. Warum, verdammt? »Ich habe meine Gitarre vergessen.« Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte – deshalb habe ich mich lieber fürs Lachen entschieden. Während die anderen an viele Dinge denken mussten (Instrumente, Verstärker, Mikroständer, Merchandise, ausgedruckte Tracklist und so weiter), hatte unser Gitarrist nur die Aufgabe, seine Hose anzuziehen und die Gitarre einzupacken. Wie konnte ein Gitarrist seine Gitarre vergessen? Nun, er konnte. Es war viel los an dem Tag. Und es war im Nachhinein auch nicht dramatisch: Wir haben den Soundcheck ein bisschen später gemacht, den Contest gewonnen und unser schuldbewusster Gitarrist hat der Band einen Kasten Bier spendiert.
ANFAHRT
Warum erzähle ich diese Geschichte? Weil ich dich dafür sensibilisieren möchte, dass ein gelungener Auftritt nicht erst auf der Bühne beginnt. Erscheinst du zu spät am Auftrittsort, gibt es Hektik und Stress – bei dir und allen Beteiligten. Das ist eine schlechte Voraussetzung für eine entspannte Vorbereitung auf die Show. Es kommt fast immer zu Verzögerungen; oft nehmen Aufbau und Soundcheck mehr als die geplante Zeit in Anspruch. Wenn es technische Probleme gibt, so sei es. Dann sind die Techniker gefragt. Aber du selbst solltest niemals der Grund für Verzögerungen und Spannungen jeglicher Art sein. Zudem fehlen dir entscheidende Minuten, wenn du direkt vom Auto auf die Bühne springen musst: Du kannst dich vor dem Auftritt nicht mehr sammeln und noch mal runterfahren. Plane die Anfahrt sorgfältig und kalkuliere auch Verzögerungen durch Staus oder Zugverspätungen mit ein. Mach dich rechtzeitig auf den Weg, damit du mit ausreichend Zeitpuffer eintriffst. Zuspätkommen ist ein Frevel und kann dir als Unprofessionalität oder Respektlosigkiet ausgelegt werden. Für Carlos Santana bedeutet Pünktlichkeit seit seinen Kindertagen (und der strengen Schule von Mom und Dad), eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit vor Ort sein. Gleiches erwartet er auch von seinen Bandkollegen: »Wer mir eine Magenverstimmung veren will, braucht nur zu spät zur Probe oder zum Soundcheck oder zu einer Show kommen. So etwas kann ich nach wie vor nicht ertragen.«
KLÄRUNGSBEDARF
Wenn du mit dem Auto kommst, kläre vorab mit dem Veranstalter, wo du parken kannst. Frage auch, ob du dich vor Ort umziehen kannst und ob es Catering gibt. Denn du solltest weder schlecht gedresst noch mit völlig leerem Magen auf die Bühne stiefeln. Bündele die wichtigsten Informationen rund um deinen Auftritt in einem Dokument (am besten analog und digital): Adresse, Zeiten, Namen und Telefonnummern sowie Infos zum Veranstalter, zum Event und zum Publikum. Du solltest alles auf dem Schirm haben, was deinen Auftritt beeinflussen kann. Besonders wichtig ist die Technik: Brauchst du einen Beamer, Sound, spezielles Licht oder ein drei Meter großes, aufblasbares Schwein? Kläre das mit dem Veranstalter – und bitte nicht erst am Veranstaltungstag. Auch wenn du nicht auf der »großen Bühne« und vor hunderten zahlenden Gästen stehst, sondern im Konferenzraum deiner Firma vor einer Handvoll Kollegen – check mit ausreichend Vorlauf alle wesentlichen Details: Technik, Arbeitsmaterialien, Bestuhlung, Snacks, Getränke und alles andere, was sich positiv oder negativ auf deinen Vortrag auswirken kann. Begehe die Räumlichkeiten mindestens 30 Minuten vor dem Veranstaltungsbeginn und prüfe, ob alles in deinem Sinn ist. Wie ist die Luft? Musst du die Fenster noch mal aufreißen? Läuft die Klimaanlage? Die Konzentration sinkt, wenn deine Zuhörer nur damit beschäftigt sind, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen oder ihre klappernden Zähne im Zaum zu halten. Musst du die Sonne mit den Jalousien aussperren, weil die PowerPoint-Slides sonst nicht lesbar sind? Der Teufel ist ein Eichhörnchen! Wenn du kurz vor knapp den Saal stürmst, alle bereits sitzen und warten, dass es losgeht, kannst du nicht mehr entspannt reagieren. Bestenfalls fühlt sich jemand mit dir verantwortlich, die enden Rahmenbedingungen zu schaffen; wenn nicht, leg selbst Hand an. Es ist deine Show und deine Verantwortung.
CHECKLISTE
Um nichts Wesentliches zu vergessen, zum Beispiel eine Gitarre, fertige ich mir vor jedem Gig eine Checkliste an. Beim Packen der Tasche hake ich nur noch ab: Wegbeschreibung, Laptop, Wasser, ein kleines Handtuch, Tamburin und so weiter. Auch das Outfit sollte bereitliegen – gerne gewaschen und gebügelt. Fällt dir der hässliche Fleck am weißen Hemd erst fünf Minuten vor der Show auf, hast du ein Problem. Ich lege mir meine Kleidung bereits einige Tage vor dem Auftritt zurecht; neue Stücke trage ich Probe. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst: Pack Wechselklamotten ein. Auch kurz vor dem Auftritt kannst du dein Outfit noch ruinieren.
MITEINANDER
Am Auftrittsort – wenn es nicht die eigenen vier Firmenwände sind – wirst du im Normalfall vom Veranstalter oder vom verantwortlichen Techniker in Empfang genommen. Lass dir die Räumlichkeiten zeigen: den Weg zur Bühne, zur Garderobe, zu den Toiletten. Vielleicht muss es vor dem Auftritt doch mal schnell gehen; dann solltest du nicht lange suchen müssen. Grundsätzlich gilt: Sei zu allen Anwesenden zuvorkommend und freundlich. Auch wenn du der Mainact des Abends bist oder dich für einen begnadeten Künstler hältst: Es verbietet sich jede Art von hierarchischer Arroganz. Gib nicht die Diva, sondern sei kooperativ. Wenn du den Veranstalter nervst, wird er sich zweimal überlegen, ob er dich noch mal verpflichtet. Wenn du den Techniker nervst, könnte dein Sound darunter leiden … Stelle dich höflich vor und rede deine Ansprechpartner mit Namen an. Richtig, du solltest den Namen deines Technikers kennen! Denn dieser Mensch sorgt dafür, dass man dich hört und sieht. Auf zum Soundcheck!
BÜHNE UND SOUND
Bevor du die Bühne enterst, schau dich um: Du solltest immer auch ein Auge für das Drumherum haben. Welche Besonderheiten hat der Raum? Kann man dich überall sehen? t die Bestuhlung für deine Zwecke? Falls nicht, suche das Gespräch mit dem Veranstalter. Überleg dir den Weg zur Bühne und schreite ihn ab. Achte auf Kleinigkeiten wie Stolperfallen, Kabel oder tückische Treppenstufen. Da du ein Profi bist, wird dich die Bühne nicht überraschen – du hast dich natürlich im Vorfeld beim Veranstalter über Größe, Form und Beschaffenheit erkundigt. Mach dich dennoch mit ihr vertraut: Ist es irgendwo glatt, gibt es Bodenunebenheiten oder Spalten zwischen Bühnenelementen? Sind deine Schuhe auf dem Untergrund zu laut? Welche Bühnenbereiche sind ausgeleuchtet und wo kann man dich am besten sehen? Welche Bewegungen erlaubt der verfügbare Raum? Überprüfe das Rednerpult – wenn es eines gibt – und richte dich ein: Hierhin kommt der Laptop, dort steht das Wasserglas und so weiter. Wichtig ist, dass du dich wohlfühlst und die Rahmenbedingungen en. Der Veranstalter ist genauso wie du an einer gelungenen Show interessiert, deshalb lassen sich häufig auch spontane Wünsche noch erfüllen. Elton John berichtet in seiner Autobiografie von einem »Sonderwunsch«, den er auf Prinzessin Dianas Beerdigung äußerte. Er sollte zum Trauergottesdienst in der Westminster Abbey die neugeschriebene Version von »Candle in the Wind« singen und bestand darauf, dass am Klavier ein Teleprompter steht. Warum? Weil er den Song hunderte Male mit einem anderen, dem ursprünglichen Text gesungen hat und nun zum ersten Mal die neue Version zu Dianas Ehren aufführte. Stell dir vor, er schaltet in den Autopilot, und die ganze Welt ist Zeuge, wie er diesen historischen Moment vergeigt. »Es war wirklich nicht völlig auszuschließen, dass ich auf der Bühne vor Aufregung den Teleprompter vergessen und gedankenlos den ursprünglichen Text singen würde. Wie schlimm konnte das schon sein? Nun, es wäre entsetzlich gewesen.«
Wenn du jetzt denkst: »Na, klar – ein Teleprompter, das ist die Lösung!«, dann muss ich dich enttäuschen. Bei Fernsehproduktionen sind sie Standard, aber auf Bühnen (vor allem den kleineren) sind sie die absolute Ausnahme. Ums Textlernen kommst du nicht herum.
CHECK ONE, TWO
Womit wir beim Thema Technik wären: Der Standard bei Vorträgen im Business-Kontext ist eine PowerPoint-Präsentation, die mit einem Beamer auf die Wand hinter dir projiziert wird. Schließe deinen Laptop an oder lass dir vom Fachmann helfen. Die enden Adapter, zum Beispiel für den Mac, solltest du sicherheitshalber dabeihaben. Teste Bild und Ton. Laufen die Videos? t die Auflösung? Wenn du andere audiovisuelle Hilfsmittel einsetzt, mach auch bei diesen die Probe aufs Exempel. Streikende Technik hat schon so manche Show sabotiert und sorgt für zusätzlichen Stress, den du nicht gebrauchen kannst. Auf die Beleuchtung hast du meist wenig Einfluss; falls doch – nutze ihn! Das Licht auf der Bühne ist enorm wichtig für deine Show. Nicht nur, weil du ohne im Dunklen stehst: Die Beleuchtung lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums, beeinflusst die Atmosphäre und kann Höhepunkte schaffen. Bestenfalls erfüllt dir der Techniker den einen oder anderen Wunsch. Achte vor allem darauf, dass die Scheinwerfer dich nicht übermäßig blenden. Beim Soundcheck solltest du aufmerksam mit dem Techniker zusammenarbeiten. Ziel ist, den optimalen Sound im Raum und auf der Bühne zu erzeugen. Redner dürfen einige Sätze sprechen, Sänger einige Zeilen singen. Sei nicht schüchtern! Sprich mit der Intensität, die du auch beim Auftritt hast – sonst kannst du dir den Soundcheck schenken. Der Techniker sucht die richtigen Einstellungen, damit deine Stimme auch im Verhältnis zu anderen Tonquellen (Musik, Videos et cetera) die ende Lautstärke hat. Fasse Handmikrofone nicht zu weit oben am »Kopf«, dem sogenannten Korb, an. Deine Finger beeinflussen das Klangfeld. Wenn du das Mikrofon »zuhältst«, riskierst du akustische Rückkopplungen und eine unkontrollierte Klangfärbung. Auch ich musste mir den richtigen Griff »antrainieren«, weil meine Hand immer wieder nach oben gerutscht ist. Bei Rappern siehst du das besonders häufig: Der Mikrofonkorb verschwindet praktisch in der Hand – was kool aussieht, aber grausam klingt.
Gehe mit den Lippen nah an das Mikrofon heran, ohne es zu berühren. Du tust deinem Sound, deinem Techniker und deinem Nachredner einen Gefallen, wenn du das Mikro nicht vollspeichelst. Wenn du die Stimme erhebst und lauter wirst, vergrößere den Abstand. Generell macht eine größere Distanz zum Mikrofon deine Stimme klarer; die kleine Distanz verstärkt den Tieftonbereich. Wenn du die Wahl zwischen einem Mikrofon mit oder ohne Kabel hast, empfehle ich Letzteres. Mit einem »Funkmikro« bist du flexibler auf der Bühne und kannst dich frei bewegen, ohne auf ein lästiges Kabel zu achten – vielleicht kennst du das vom Rasenmähen. Aber vergewissere dich beim Techniker, dass die Batterien ausreichend geladen sind. Ich kann mich an mehrere Auftritte erinnern, wo das nicht der Fall war – was erst Aussetzer und schließlich den Ausfall des Mikrofons zur Folge hatte. Ärgerlich! Alternativen zum Handmikrofon sind 1. das Clip- oder Ansteckmikro sowie 2. das Headset, ein kleines Mikro, das mit Ohren- und/oder Nackenbügel an deinem Kopf befestigt wird. Der große Vorteil: Du hast die Hände frei. Ich habe es eingangs schon erwähnt – es mag für dich zunächst ungewohnt sein, wenn du nichts zum Festhalten hast. Aber denk daran, dass du nicht nur Worte aufsagst; du lieferst eine Show ab. Dafür braucht es deinen vollen Körpereinsatz – und zwei freie Hände sind besser als eine. Wir vertiefen diesen Punkt in Kapitel 4 im Abschnitt »Mimik, Gestik, Plastik«. Wichtig ist nicht nur, dass das Publikum dich hört – auch du selbst musst dich gut verstehen. Dafür gibt es das Monitoring. Eine Möglichkeit sind Bodenmonitore, kleine Boxen, die auf der Bühne stehen und auf dich gerichtet sind. Deine Stimme erreicht dich direkt, nicht erst nach kurzer Verzögerung über die PA, die Beschallungsanlage in Richtung Publikum. Auch das Headset kann ein Monitor sein, wenn es nicht nur ein Mikrofon, sondern auch Kopfhörer hat. Besonders beliebt ist die Kombination aus Handmikrofon und In-EarMonitoring. »In-Ears« sind kleine Kopfhörer, die dir den Monitormix direkt aufs Ohr geben. Das bedeutet einen gleichbleibend guten Sound, mehr Bewegungsfreiheit und weniger Ablenkung durch Außengeräusche. Allerdings bist du durch In-Ears auch ein wenig isoliert von der Außenwelt – was nicht jedermanns Sache ist. Plus: In-Ears können rausfallen. Bei allzu akrobatischen Auftritten sind sie demnach nicht zu empfehlen. Finde zusammen mit dem Techniker die richtige Lautstärke für dein Monitoring. »Richtig« ist das, was sich für dich gut anfühlt. Wenn alles funktioniert, wenn
der Techniker mit dem Klang zufrieden ist und auch bei dir keine Wünsche mehr offen sind, ist der Soundcheck abgeschlossen. Nun dauert es nicht mehr lange. Nur noch eine Stunde bis zum Auftritt …
EYE OF THE TIGER
Wie verbringst du die Stunden und Minuten, bevor es losgeht? Es gibt vieles, was du tun kannst. Ich schicke direkt vorweg: Göttliche zehn Gebote wurden hierfür nicht überliefert. Wichtig ist, dass du möglichst fokussiert und gleichzeitig entspannt auf die Bühne gehst. Tue, was dafür nötig ist. Mach Sport, einen Spaziergang oder ein Nickerchen. Höre Musik oder meditiere. Manchen Menschen hilft es, sich vor dem Auftritt mit einem lockeren Plausch abzulenken; andere ziehen sich zurück, um sich zu sammeln. Das ist Typsache. Carlos Santana hat auf Tour in jedem Hotelzimmer eine Kerze entzündet und Weihrauch verbrannt. Dann hat er die Augen geschlossen und ist in sich gegangen. Das Gleiche hat er dann noch mal in der Garderobe gemacht, kurz bevor es auf die Bühne ging. Über Rituale haben wir im Zusammenhang mit Lampenfieber bereits gesprochen – wenn es dir hilft, folge Routinen.
MAHLZEIT
Wenn du Glück hast, hat der Veranstalter ein leckeres Catering organisiert. Greif zu! Aber nicht zu üppig und nicht unmittelbar vor dem Auftritt. Mit leerem Magen fehlt dir die nötige Power, aber ein voller Bauch macht träge. Denk an deine Kindertage im Schwimmbad: Da durftest du auch nicht gleich nach dem Essen ins Wasser. Die letzte Stunde vor dem Auftritt solltest du nur noch snacken oder gar nichts mehr essen. Rock-Poet Keith Richards meldet sich in der letzten Reihe: »[…] unmittelbar vor dem Konzert esse ich normalerweise nichts. Essen ist das Schlimmste, was man vorher machen kann, zumindest für mich. Ich will keinen halbverdauten Fraß im Magen haben, wenn ich auf die Bühne gehen und ›Start me up‹ spielen muss und weiß: Jetzt stehen noch zwei Stunden bevor.« Plastischer kann man es nicht ausdrücken. An dieser Stelle noch ein Hinweis zu einem der Nahrungsaufnahme verbrüderten Thema: Plane kurz vor dem Auftritt noch einen Gang zur Toilette ein. Wir mussten einmal unser Set unterbrechen, als unser Gitarrist – dieses Mal war es ein anderer – zwischen zwei Songs einfach von der Bühne stürmte. Er kämpfte sich durch das Publikum und wir schauten uns verdutzt an. Es war schnell klar, wohin sein Gang führte, und auch, dass wir nun einige Minuten überbrücken mussten. Wenn man muss, dann muss man! Wir haben es mit Humor genommen, ein bisschen rumgealbert und schließlich das Publikum aufgefordert, unseren blasenschwachen Gitarristen mit Sprechchören anzufeuern. Muss ein tolles Gefühl gewesen sein, vor dem Pissoir zu stehen und 200 Menschen den eigenen Namen skandieren zu hören. Aber auch, wenn du kein »dringendes Bedürfnis« verspürst, lohnt sich der Gang zu den Sanitäranlagen – mindestens für einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Sitzen die Haare? Sitzt das Make-up? Sitzt das Outfit? Hast du auch keinen Spinat zwischen den Zähnen? Für diesen Fall solltest du immer Zahnseide bei dir tragen. Wenn ich das Haus verlasse, klopfe ich meine Taschen auf fünf Dinge ab: Schlüssel, Handy, Portemonnaie, Kaugummis und …
Zahnseide. Ich verstehe gar nicht, wie man ohne Zahnseide aus dem Haus gehen kann – aber da bin ich wohl eigen.
AUFWÄRMEN
Mäßig essen macht dich leicht – nun machst du dich locker: Es ist ratsam, Körper und Stimme unmittelbar vor dem Auftritt ein wenig aufzuwärmen. Dehne deine Halsmuskulatur, indem du den Kopf erst nach links, dann nach rechts drehst und jeweils zehn Sekunden hältst. Lass deine Schultern, deine Arme und deinen Rumpf kreisen – jeweils zehn Wiederholungen reichen schon. Du kannst Kniebeugen machen, ein paar Hampelmänner oder was du sonst noch so aus dem Sportunterricht kennst. Auch für deine Stimme gibt es ein paar einfache Übungen: Atme tief ein und dann langsam aus – während du alle zwei Sekunden von einem stimmhaften »S« (wie in »Rose«) auf ein stimmloses »S« (wie in »Straße«) wechselst. Auch nett: Brumme oder summe auf »mmm«, »sss« oder »www« und variiere dabei die Tonhöhe. Versuche, möglichst entspannt die Tonleiter ein paar Mal rauf und runter zu gehen. Gähne übertrieben, um den Rachenraum zu dehnen. Stell dir vor, du isst ein saftiges Steak oder einen leckeren Salat, und dann kaue, was das Zeug hält. Schmatzen ist ausdrücklich erlaubt! Auf diese Weise lockerst du deine Kiefermuskulatur. Schauen wir mal, wie die Stars das so machen. Bist du auch ein Fan von Alicia Keys? Falls nicht – du solltest einer werden! Die Dame lebt in den USA und ist Soul-Sängerin, Pianistin, Songwriterin und Schauspielern. Sie beschreibt die letzten Minuten vor einem Gig wie folgt: »Ich wärme immer meine Finger und meine Stimmbänder auf und nehme mir etwas Zeit für den bevorstehenden Abend. Dann konzentriere ich mich auf die Besonderheiten der jeweiligen Show. Ich will einfach sicher sein, dass ich wirklich alles verinnerlicht habe und dass alles nach Plan verläuft.«
VERWANDLUNG
Viele Menschen brauchen vor einem Auftritt ein paar Minuten für sich – um sich innerlich einzustimmen, sich aufzupeitschen oder runterzubringen. Das Anlegen des Bühnen-Outfits kann wie ein Trigger wirken – du schlüpfst in dein Dress und gleichzeitig in deine Rolle. Tina Turner schildert in ihrer Autobiografie ausführlich ihre »Verwandlung« in der Garderobe. Sie sitzt vor dem Spiegel und trägt ihr Make-up auf – inklusive des obligatorischen, leuchtend roten Lippenstifts. Dann setzt sie ihre Perücke auf und sorgt dafür, dass diese auch nicht verrutschen kann. Zwischendurch blickt sie immer wieder prüfend in den Spiegel. Wie sehe ich aus? Ist alles da, wo es hingehört, und bleibt es auch bei heftigen Bewegungen dort? »Als ich meine Checkliste fertig hatte, schaute ich ein letztes Mal in den Spiegel. Wenn ich meine Arbeit richtig gemacht hatte, war die Frau, die in die Garderobe ging, weg; ersetzt durch Tina Turner, die Performerin. Ich war bereit für die Show.«
FOKUS
Kurz vor dem Auftritt geht es vor allem darum, das richtige Energielevel zu finden und sich auf die bevorstehende Aufgabe zu fokussieren. Lass dich in dieser Phase nicht mehr von Dingen ablenken, die nichts mit deinem Auftritt zu tun haben. Das gilt besonders für ungemütliche Themen – wie Streit mit dem Partner, lästige Pflichtaufgaben und alles andere, was dich ärgern oder belasten könnte. Mach dich frei von der schnöden Welt! Jetzt geht es um deine Show! Manchmal lässt sich die Konfrontation mit der Realität vor dem Auftritt nicht vermeiden; in diesem Fall musst du spätestens beim Betreten der Bühne den Hebel auf »Showmodus« umlegen. Glücklicherweise iert das meist ganz von selbst. Michael Jackson berichtet: »Es gab Momente unmittelbar vor einer Show, in denen mich geschäftliche oder persönliche Probleme quälten. Ich dachte: ›Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich weiß nicht, wie ich die Show durchstehen soll. So kann ich nicht auftreten.‹ Aber sobald ich an den Bühnenrand komme, iert etwas. Die Musik setzt ein, und die Scheinwerfer treffen mich, und die Probleme verschwinden.« Keith Richard beschreibt die Verwandlung ähnlich: »›Ladies and Gentleman, The Rolling Stones.‹ Seit über 40 Jahren höre ich das jetzt, aber egal, kaum bin ich da draußen und spiele die erste Note, habe ich das Gefühl, von einem Datsun in einen Ferrari zu wechseln.«
THE FINAL COUNTDOWN
Der Countdown läuft. T minus zwei Minuten. Gleich fällt der Vorhang und du wirst von der Leine gelassen. Schüttelt dich das Lampenfieber? Dann lies noch mal Kapitel 1. Oder nimm dir Elton Johns Worte zu Herzen: »Manchmal muss man sich einer Herausforderung einfach stellen, selbst wenn diese Herausforderung kilometerweit außerhalb deiner Komfortzone liegt. Das ist, als würde man ganz tief in sich hineingehen, alles, was man gerade empfindet, vergessen und sich sagen: O nein, du gehst sehr wohl da raus. Los, auf die Bühne. Da gehörst du hin. Das ist dein Lebensinhalt. Jetzt bring es endlich hinter dich.« T minus eine Minute. Mach einen letzten Check: Hast du alles, was du gleich auf der Bühne brauchst? Ist der Hosenstall zu? Binde auch deine Schnürsenkel noch einmal fest – um sicherzugehen, dass die Schuhe nicht bei den ersten Metern aufgehen. Wenn es dir hilft, sprich ein letztes Gebet. Und dann mach es wie Alicia Keys, die sich vor jedem Auftritt fragt: Will ich heute gut sein oder möchte ich großartig sein? Mach ich Dienst nach Vorschrift oder rocke ich den Laden, als gäbe es kein Morgen mehr? Ich habe die letzten Sekunden, bevor ich raus auf die Bühne gehe, gerne für mich. Ich atme tief durch und gehe im Kopf meine ersten Aktionen durch. Was mache und sage ich zuerst? Ich bereite mich darauf vor, gleich »on« zu sein – und das bis zu dem Moment, in dem ich die Bühne verlasse. Als Redner kannst du dir, genauso wie als Leadsänger, keinen Durchhänger erlauben. Du bist permanent im Fokus, deshalb musst du die ganze Zeit hochkonzentriert bleiben und darfst nicht in Gedanken abschweifen. T minus zehn Sekunden. Trinke einen letzten Schluck Wasser. Rück dich zurecht. Lächle. Und jetzt: Volle Konzentration! Volle Überzeugung! Volle Pulle! Du brauchst das Auge des Tigers – so wie König Rocky III. Wenn du im Vorfeld alles richtig gemacht hast, brennst du darauf, die Bühne zu stürmen. Du fühlst dich wie ein Windhund, der endlich aus der Startbox gelassen wird. Das ist deine Chance – nutze sie!
FAZIT KAPITEL 3: Lerne deinen Text sorgfältig und trainiere deine Performance – vor dem Spiegel, der Kamera oder einem Testpublikum. Mach dir eine Checkliste, damit du nichts vergisst. Erscheine pünktlich am Veranstaltungsort; mach dich mit Raum und Bühne vertraut. Folge beim Soundcheck den Anweisungen des Technikers und bleib immer freundlich. Finde die goldene Mitte zwischen Fokus und Entspannung.
Fazit
Du bist bereit! Let’s rock!
4. STIMME, KÖRPER UND RAUM NUTZEN
Beginnen wir mit einem Gedanken von Tina Turner: »Ja, es ist Schauspielerei, aber ich meine das auf eine gute Weise. Du musst jemand Großes auf der Bühne sein, nicht der, der du in deinem Alltag bist. Als ich auftrat, glaubte ich, dass jedes Lied eine Geschichte erzählte, die ich durch Gesang und Bewegung ausdrückte. Mein Publikum wollte Theater, und das haben wir ihnen gegeben.« Let me entertain you! Wenn die Show beginnt, bist du nicht mehr Otto Normal oder Lieschen Müller, sondern ein Entertainer. Deine Zuhörer möchten etwas geboten bekommen – denn ein lustloses Gesicht und langweiliges Gerede können sie viel billiger zu Hause haben. Aber heißt das nun, dass du wie Tina Turner »Theater« machen sollst? Was ist bitte mit der Authentizität? Zunächst: Du bist bereits Schauspieler! Du spielst jeden Tag Dutzende Rollen. Denn du sprichst und verhältst dich anders – je nachdem, in welchem Kontext du dich bewegst. Sitzt du gerade bei Kaffee und Kuchen im elterlichen Wohnzimmer, fragst du liebevoll: »Magst du noch ein bisschen Tee, Mama?« Beim Kundengespräch heißt es betont freundlich: »Darf ich Ihnen noch einen Kaffee bringen? Mit Milch und Zucker?« Und wenn du mit der Clique feierst, lallst du übermütig: »Noch ’n Bier, du Lusche!?« Du hast mit den Jahren gelernt, welches Verhalten in der jeweiligen sozialen Rolle angemessen ist. Doch obwohl du mehrere Rollen spielst, verstellst du dich nicht. Das bist du – mal so, mal so. Für die Bühne musst du nichts weiter tun, als eine neue Rolle entwickeln, eine Bühnenpersönlichkeit. Wie nah diese am »Original« ist, entscheidest du selbst. Schock-Rocker wie Alice Cooper, Marilyn Manson oder Rammstein haben Kunstfiguren geschaffen, die meist nicht viel mit den Privatpersonen zu tun haben. Doch Blutorgien, geköpfte Fledermäuse und Sodomie kommen auch nicht von ungefähr: Wir können davon ausgehen, dass die Herrschaften privat eine düstere Seite haben, die sie dann auf der Bühne überzeichnen und auf die Spitze treiben. Was bist du für ein Typ? Und wer möchtest du vor Publikum sein? Kombiniere
beide Bilder und mach daraus deine Bühnenpersönlichkeit. Wenn du introvertiert bist, musst du nicht den hyperaktiven Schreihals mimen; deine Rolle könnte eher der tiefsinnige Denker sein. Wenn du sportlich bist, mach dir das zunutze – setze deinen Körper auch auf der Bühne ein. Wenn du einen Sinn für Humor hast, streue Pointen ein, und es wird sich herumsprechen, dass es bei dir immer etwas zu lachen gibt. Es ist hilfreich, eine markante Bühnenpersönlichkeit mit Wiedererkennungswert zu entwickeln. Debbie Harry hat sich laut eigener Aussage für die Bühne im Stil einer ComicFantasie inszeniert: »Ich habe diese Rolle nur gespielt, sie war aber absolut ernst gemeint.« Ihre Kunstfigur Blondie war zu gleichen Teilen eine Hommage an Marilyn Monroe und ihr persönlicher Kommentar zur gesellschaftlichen Doppelmoral: schön und verrucht. Alicia Keys grenzt sich mit ihrer Bühnenpersönlichkeit bewusst von anderen erfolgreichen Sängerinnen wie Beyoncé, Jennifer Lopez und Shakira ab. Sie turnt beim Singen nicht herum, sondern sitzt lieber am Piano: »Ich war nie dazu bestimmt, da draußen auf der Bühne Dutzende von orchestrierten Bewegungen mit 20 Tänzern hinter mir auszuführen. Das ist nicht mein Ding.« Grundsätzlich gilt: Sei auch auf der Bühne du selbst – nur ein bisschen unterhaltsamer. Kehre deine »beste Seite« nach außen und setze auf deine Stärken. Zeig Präsenz! Zeig Persönlichkeit! Mit deinen Inhalten und deinem Auftreten. Dein Text ist die Basis, aber entscheidend für deine Wirkung ist die Frage, wie du ihn rüberbringst. Hier kommt es vor allem auf den Einsatz der Stimme und des Körpers an. Überraschung: Genau darum geht es in diesem Kapitel!
ORALVERKEHR
Lass dich von der Überschrift nicht täuschen – ich wollte dich nur in dieses Kapitel locken! Mit Schweinkram hat es ehrlicherweise nichts zu tun (Sorry!). Im Zentrum steht die Frage: Hast du mal ernsthaft darüber nachgedacht, wie du sprichst? Mir geht es nicht um deine Stimme an sich – die ist, wie sie ist. Wenn du Glück hast, besitzt du eine Stimme, die gemeinhin als »angenehm« empfunden wird. Das schadet auf der Bühne natürlich nicht. Aber mir geht es um den Einsatz deiner Stimme. Auf welche Art sprichst du und welche Wirkung erzielst du damit? Drei Faktoren sind maßgeblich: Tempo, Tonhöhe und Lautstärke.
TEMPO
Das Tempo ist ein Qualitätsmerkmal – zumindest bei Rappern. Unabhängig von den Inhalten zeigen extrem schnelle Raps technische Fähigkeiten, die Respekt verdienen. Je schneller, desto besser. Einer der schnellsten und besten ist Eminem, der spätestens seit seinem Film 8 Mile auch der breiten Masse ein Begriff ist. Für seinen Song Rap God erhielt er einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde: Eminem hat es vollbracht, 1 560 Wörter in weniger als sechs Minuten unterzubringen, also 4,28 Wörter pro Sekunde. Das Tempo ist mörderisch! In einer age setzt er sogar noch einen drauf und rappt 97 Wörter in 15 Sekunden (= 6,5 Wörter pro Sekunde). Das macht Rap God zu dem Song mit dem längsten Songtext ever. Eminems schnellste Zeilen finden sich im 2020 veröffentlichten Song Godzilla, in dem er unglaubliche elf Silben pro Sekunde rappt. Chapeau, Eminem! Wenn du eine Rede hältst, sieht die Sache anders aus: Mit Geschwindigkeit gewinnst du keinen Blumentopf. Sprich in gemäßigtem Tempo! Folge deinem natürlichen Sprachrhythmus – so, als erzählst du einem Freund eine Geschichte. Dein Publikum muss ausreichend Zeit haben, deine Gedanken nachzuvollziehen. Neigst du dazu, beim Auftritt schneller zu sprechen als bei den Proben? Das tun viele Menschen. Doch warum eigentlich? Meist sorgt Aufregung für die Tempoverschärfung. Du selbst merkst es wahrscheinlich gar nicht, dein Publikum leider schon – denn du wirkst gehetzt und angespannt. Vermeide den Eindruck, dass du so schnell wie möglich wieder von der Bühne runter willst. Auch dein Publikum kann sich nicht entspannen, wenn du Unsicherheit oder Unruhe ausstrahlst. Zudem kommt ein maßvolles Tempo deiner Verständlichkeit zugute. Die Gefahr, dass du Endungen verschluckst, steigt mit jedem zusätzlichen Stundenkilometer. Achte auf eine saubere Aussprache – vor allem bei den Endungen -ren, -nen, nem und -ngen. Weil wir gerade beim Thema Aussprache sind, schweife ich kurz ab: Es sollte
einen hörbaren Unterschied zwischen deinen S-Lauten sowie zwischen »e« und »ä« geben. Ich trainiere das gerne mit Wortpaaren wie »reisen/reißen«, »Geisel/Geißel« und »Seele/Säle«, »Segen/sägen« oder »je/jäh«. Sprich Vokale klar (»Kirsche« nicht »Körsche«) und sei auch exakt bei »d/t«, »b/p« und »g/k«. Wo waren wir? Genau: Hetze bitte nicht durch den Text, als wärst du auf der Flucht. Nimm dir ganz bewusst vor, dein Tempo zu drosseln. Take your time! Das ist deine Show, dein Revier, du bist der Boss auf der Bühne – ein wenig breitärschige Gemütlichkeit kannst du dir erlauben. Wenn du das Tempo anziehst, mach es bewusst; zum Beispiel, um Spannung zu erzeugen, Begeisterung zu transportieren oder dein Publikum zu motivieren. Ein interessanter Sidefact zur Wirkung der Sprechgeschwindigkeit: Ein paar schlaue Menschen haben sich die Mühe gemacht und die Wörter in den Reden des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama gezählt – bevor und nachdem er das Amt angetreten ist. Als er noch Herausforderer war, kämpferische Reden gehalten hat und Wähler mobilisieren wollte, kam er auf durchschnittlich 170 Wörter pro Minute. Als er Präsident war, wurden auch seine Reden »präsidialer« – er verwendete nur noch 102 Wörter pro Minute. Kool, oder? Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass vom anderen Extrem – durchgängig langsam sprechen – ebenfalls abzuraten ist. Damit entspannst du deine Zuhörer nicht; du schläferst sie ein. Sprich nur an ausgewählten Stellen übertrieben langsam, zum Beispiel, wenn es auf Details ankommt oder du gerade einen besonders wichtigen Gedanken ausführst. Was ich ebenfalls empfehlen kann: Pausen! Mach hier und da eine rhetorische Pause, um Aufmerksamkeit zu erzeugen oder deine Worte wirken zu lassen. (PAUSE)
TONHÖHE
Weißt du, was eine »Tonsprache« ist? Ich gebe dir einen Tipp: Deutsch ist keine, chinesisch ist eine. Bei tonalen Sprachen gehört der Ton fest zum Wort, das heißt, ein Wort bekommt eine andere Bedeutung durch eine Änderung der Tonhöhe oder des Tonverlaufs. Im Deutschen bleibt die Buchstabenkombination H-E-R-Z immer »Herz« – unabhängig davon, wie du das Wort aussprichst, tief gebrummt oder hoch gesungen. Im Chinesischen, Schwedischen oder Kroatischen entstehen völlig neue Wörter mit anderen Bedeutungen, wenn du die Aussprache variierst. Doch auch die deutsche Sprache ist melodisch. Das beste Beispiel: Um Fragen anzuzeigen, gehen wir am Ende des Satzes mit der Stimme nach oben. Ein unterhaltsamer Vortrag lebt von seiner Varianz, deshalb setze auch deine Töne gezielt! Mit einer Veränderung der Tonhöhe kannst du beispielsweise Größen oder Entfernungen andeuten. Hebe den Ton, wenn du Begeisterung und Erregung vermitteln oder einzelne Wörter unterstreichen willst (»Ich sage Ihnen eines …«). Senke den Ton bei schlechten Nachrichten (»Das Projekt war leider ein Misserfolg!«). Gleiches gilt, wenn du Kummer und Angst ausdrücken möchtest. Vermeide ein monotones Aufsagen des Textes; orientiere dich an deiner natürlichen Sprachmelodie. Du erinnerst dich: Du erzählst eine Geschichte! Um den »richtigen Ton« zu treffen, solltest du dir schon beim Auswendiglernen deines Textes überlegen, wo du deine Stimme wie einsetzt. Ich markiere mir in meinem Manuskript die Stellen, an denen ich die Stimme hebe oder senke, mit einem Pfeil nach oben oder unten. Auch Besonderheiten des Tempos und der Lautstärke vermerke ich mit einer kurzen Notiz oder simplen Zeichen. Beim Auftritt habe ich dann nicht nur den Text im Kopf, sondern auch die Sprachmelodie. Ich weiß genau, wo ich ausdrücklich betone, wo ich eine Pause einbaue, wo ich die Stimme hebe und so weiter. Noch ein letztes Wort zur Stimmlage: Eine unausgebildete Stimme kann in puncto Tonhöhe durchschnittlich eine gute Oktave abdecken, eine ausgebildete
Stimme bis zu drei Oktaven. Wenn du keine Gesangskarriere anstrebst, ist es jedoch nicht notwendig, deinen Stimmumfang zu erweitern. Für den »gemeinen Redner« ist eine Oktave vollkommen ausreichend – wenn diese auch entsprechend genutzt wird. Du solltest dir allerdings bewusst machen, dass hohe und tiefe Stimmen unterschiedlich wirken. Weshalb hören wir bei Radiowerbung wohl meistens schrille Stimmen? Und weshalb haben Märchenerzähler immer diesen angenehm tiefen Basston? Eine hohe Sprechanlage fordert auf, motiviert – und nervt mit der Zeit. Mit einer tiefen Tonlage verbinden wir dagegen Vertrauen, Entspannung und, wenn es schlecht läuft: Langeweile.
LAUTSTÄRKE
Grundsätzlich solltest du auf der Bühne insgesamt etwas lauter sprechen als sonst. Aber schrei dein Publikum bitte nicht an! Wie bei Tempo und Tonhöhe ist auch bei der Lautstärke das Zauberwort: Variation. Weiche von deiner Grundlautstärke gelegentlich ab, mal nach oben, mal nach unten – allerdings nicht mit programmierter Regelmäßigkeit, sondern den Inhalten entsprechend. Stell dir vor, es ist Halloween und du sitzt im Halbdunkel mit einigen Freunden zusammen, um ihnen eine Gruselgeschichte zu erzählen. Du beleuchtest dein Gesicht von unten mit einer Taschenlampe und berichtest deinen gespannten Zuhörern von der regennassen Fahrbahn bei Nacht, der verängstigten Frau hinter dem Steuer und dem zweiten Fahrzeug, das der Frau mit Lichthupe auf den Fersen ist. Wie sprichst du, wenn du Spannung erzeugen willst? Eher laut oder eher leise? Natürlich leise! Du reduzierst deine Stimme bisweilen fast auf einen Flüsterton, um eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Und am Ende: BAAAAM! Wenn der Killer zuschlägt, explodierst du und wirst laut. Deine Stimme überschlägt sich fast, wenn du deinen geschockten Zuhörern offenbarst, dass die Person im zweiten Fahrzeug die Frau nur warnen wollte – vor dem axtschwingenden Mörder auf ihrem Rücksitz. Wer die ganze Zeit leise spricht, wirkt entweder lustlos oder unsicher. Gezielt eingesetzt, kann eine Reduzierung der Lautstärke allerdings ein kraftvolles Stilmittel sein: Eine leise Stimme erzeugt Spannung, suggeriert mehr Intimität und richtet sich eher an den Einzelnen. Wir fühlen uns persönlich angesprochen. Auch wenn du Besorgnis oder Angst ausdrücken willst, solltest du leiser sprechen. Wichtige Punkte deines Vortrags, Aufforderungen und Appelle hebst du stets mit Nachdruck hervor; im Kontrast kann eine geringere Lautstärke für dein Publikum ein Hinweis auf weniger wichtige Inhalte sein. Du siehst: Auch bei der Lautstärke solltest du nichts dem Zufall überlassen! Ein unterhaltsamer Vortrag ist nicht nur abwechslungsreich geschrieben, sondern auch abwechslungsreich gesprochen. Deine Stimme ist ein Instrument, das du entsprechend üben, stimmen und spielen solltest. Beherrschst du dein
Instrument, kannst du deine Stimme gezielt einsetzen. Du hauchst deinem Vortrag Leben ein, weckst Emotionen und – last but not least – wirst besser verstanden.
PSSST …!
Hier noch zwei Profitipps:
Vermeide Schmatzgeräusche, indem du deinen Mund bereits vor dem ersten Wort ein wenig öffnest. Wenn unsere Lippen geschlossen sind, haften sie aneinander; werden sie zum Sprechen geöffnet, kommt es zum »Schmatz«. Deshalb immer Mund auf, kurz bevor du neu ansetzt – vor allem wenn du ein Mikro nutzt. Reduziere deine Atemgeräusche, indem du in den Bauch atmest. Hebt und senkt sich beim Sprechen dein Brustkorb oder dein Bauch? Eine wichtige Frage! Denn bei der Brustatmung besteht einerseits die Gefahr, dass du außer Atem gerätst, andererseits erzeugt sie sehr laute Geräusche beim Einatmen. Du kennst vielleicht das hektische Einziehen großer Mengen Luft am Ende eines langen Satzes – genau das führt zu den hörbaren Atemgeräuschen, die es zu vermeiden gilt. Die bessere Option ist die Bauch- oder Zwerchfellatmung. Wenn wir entspannt sind, zum Beispiel beim Schlafen, atmen wir automatisch in den Bauch. Beim Sprechen wird unsere Atmung hingegen »unnatürlich«. Trainiere deshalb wie professionelle Sprecher, Sänger, Blasmusiker und Kampfsportler die Bauchatmung: Lass die Luft nach dem letzten gesprochenen Wort von selbst einströmen, indem du Bauch und Mund lockerlässt. Deine Bauchdecke hebt sich dabei. Im Liegen und mit der Hand auf dem Bauch spürst du die Bewegung besonders gut. Es dauert einige Zeit, bis dir die Bauchatmung in Fleisch und Blut übergeht – aber Kondition zahlt sich aus: Du sprichst entspannter und ohne lautes Atmen.
Stimme: Check! Let’s get physical!
MIMIK, GESTIK, PLASTIK
Wahrscheinlich hast du schon oft gelesen, dass unsere Wahrnehmung anderer Menschen zu 55 Prozent von der Körpersprache abhängt, zu 38 Prozent von der Stimme und nur zu 7 Prozent vom Inhalt. Die Kurzform: 93 Prozent unserer Kommunikation ist nonverbal! Diese Zahlen basieren auf Experimenten des kalifornischen Psychologen Albert Mehrabian aus den späten 1960er-Jahren und wurden seither in abertausenden Seminaren, Vorträgen, Büchern und Aufsätzen wiederholt. Es wird Zeit, dir zu sagen: Vergiss den Quatsch – das ist Mumpitz! Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht Albert Mehrabian, der 40 Jahre nach der Veröffentlichung seiner Studie selbst sagte: »[…] immer, wenn ich von dieser Fehlinterpretation meiner Untersuchungen höre, krümmt es mich. Denn eigentlich sollte es für jeden, der einen Hauch gesunden Menschenverstand besitzt, offensichtlich sein, dass das nicht die korrekte Aussage ist.« Ja, Körpersprache ist wichtig, sogar entscheidend. Aber eben nicht allesentscheidend. Zudem erscheint es mir fragwürdig, ihre komplexe Wirkung auf eine derart exakte Prozentzahl herunterzubrechen. Ich sage dir allerdings mit 97,3-prozentiger Gewissheit: Dein Körper ist dein Kapital! Wucher mit deinen Pfunden – im wahrsten Sinne! Denn du wirst auch mit einem tollen Text und dem enden Stimmeinsatz keine Begeisterung entfachen, wenn du dabei 30 Minuten lang regungslos auf der Bühne stehst. Du kannst dein Publikum nicht bewegen, wenn du dich selbst nicht bewegst. Von Paul Watzlawick, seines Zeichens Kommunikationswissenschaftler, Philosoph und Psychotherapeut, haben wir gelernt: Wir können nicht nicht kommunizieren. Unser Körper sendet permanent Signale, die von unserer Umwelt intuitiv interpretiert und bewertet werden – als Angst, Freude, Überraschung und so weiter. Emotionen zeigen sich nicht nur in eindeutigen Gesichtsausdrücken, sondern auch in subtileren Signalen wie der Körperspannung. Vieles läuft unbewusst. Daher ist es umso wichtiger, dass du ein »Körperbewusstsein« entwickelst. Analysiere deine Körpersprache und
trainiere einzelne Aspekte ganz gezielt. Entscheidend ist die Kongruenz von Inhalt, Stimme und Körper. Deine Mimik und Gestik müssen im natürlichen Einklang mit dem Gesagten sein. Nur dann bist du wirklich überzeugend. Bestenfalls sind alle Bereiche deiner Performance aufeinander abgestimmt und ergeben ein homogenes Bild. In der Folge möchte ich dir deshalb einige Möglichkeiten vorstellen, wie du deine Körpersprache zum Vorteil deiner Performance einsetzen kannst. Keine Angst: Ich fordere dich nicht zu artistischen Tanzeinlagen und ausgefeilten Choreografien auf! Es geht eher um die großen Kleinigkeiten …
KOPFHALTUNG
Fangen wir oben an: beim Kopf. Mach bitte nicht den Wackeldackel! Halte deinen Kopf beim Sprechen ruhig. Das verleiht deinen Worten mehr Souveränität und Autorität. Es gibt einen guten Grund, weshalb Offiziere gedrillt werden, beim Erteilen von Befehlen keine Kopfbewegungen zu machen. Auch Schauspieler werden dafür sensibilisiert – vor allem, wenn es um »ernsthafte« Rollen geht. Vor der Kamera – und damit meine ich auch die Webcam – ist »stillhalten« noch wichtiger. Videokonferenzen, Online-Meetings oder virtuelle Pressekonferenzen werden künftig noch mehr Präsenzveranstaltungen ersetzen. Deshalb mach dir vor der Kamera stets bewusst, dass im Bildausschnitt links und rechts von deinem Kopf meist nicht viel »Platz« ist. Heftige Kopfbewegungen fallen daher deutlich mehr auf. Wenn du dich zu weit zur Seite bewegst, »fliegst« du schlimmstenfalls ganz aus dem Bild. Das gilt natürlich auch, wenn du mal in die Verlegenheit kommst, im TV (oder einem zeitgemäßeren Videoformat) aufzutreten.
MIMIK
Zieh nicht so ein Gesicht! Bitte lächeln! Wenn es den Inhalt deines Vortrags nicht konterkariert, setze grundsätzlich ein freundliches Gesicht auf. Das macht dich auf den ersten Blick sympathisch und zeigt deine Wertschätzung für das Publikum. Zudem setzt eine positive Mimik bei dir und deinen Zuhörern positive Energie frei. Du weißt ja: Gute Laune steckt an. Der wichtigste Gesichtsausdruck ist und bleibt deshalb das Lächeln! Ein weiterer Vorteil: Du klingst netter. Denn Mimik ist hörbar. Dein Gesichtsausdruck – ob fröhlich, traurig oder wütend – beeinflusst den Klang deiner Stimme. Die Muskelspannungen im Gesicht wirken direkt auf die Resonanzräume im Kopf und damit auf die Schwingungen der Töne. Doch bitte vermeide ein debiles Dauergrinsen, wie du es aus der Werbung oder von überambitionierten Verkäufern kennst. Wirkt dein Lächeln aufgesetzt, wird dein Publikum misstrauisch. Es beginnt, an dir und schließlich an deinen Inhalten zu zweifeln – Glaubwürdigkeit ade. Der Trick für den richtigen Gesichtsausdruck ist eigentlich gar kein Trick: Fühle, was du sagst! Wenn du deine Inhalte selbst emotional nachvollziehst und wirklich »drin bist«, spiegelt sich dies automatisch in deiner Mimik wider. Auf diese Weise musst du keine Grimassen ziehen oder eine »Maske aufsetzen«. Verzichte auf Plastik und setze stattdessen auf eine lebendige, natürliche Mimik.
BLICKKONTAKT
Was machen deine Augen, wenn du auf der Bühne stehst? Wohin schaust du? Natürlich zu deinem Publikum! Du kennst das vom Flirten: Kontakt wird zuerst über die Augen aufgebaut. Deshalb lass deinen Blick während des Vortrags schweifen und verweile für kurze Momente im Blickkontakt mit einzelnen Zuhörern. Auf diese Weise signalisierst du Offenheit, Interesse und Souveränität. Du sprichst dein Publikum direkt an und animierst es zu eigenen Reaktionen. Manche Performer schließen während des Vortrags ihre Augen, um sich zu konzentrieren. Andere scheuen den offenen Blick zum Publikum und fixieren lieber einen festen Punkt, zum Beispiel den Tontechniker am Ende des Raums. Wieder andere schauen ins Leere oder lassen ihren Blick knapp über den Köpfen der Zuhörer schweifen, um zumindest den Eindruck eines Kontakts zu erwecken. Mach es besser! Dein Vortrag richtet sich an dein Publikum – nicht den Tontechniker oder die Saalwand –, deshalb musst du es auch entsprechend adressieren. Schau in so viele verschiedene Gesichter wie möglich. Konzentriere dich dabei nicht nur auf die vorderen Reihen und die Mitte; versuche, dein ganzes Publikum zu erreichen. Die größte Wirkung hat der Blickkontakt am Ende eines Gedankens: Schau einen Zuhörer während der letzten Worte eines Satzes an und verharre kurz bei ihm – im Normalfall fühlt er sich aufgefordert, dir seine Zustimmung durch Nicken auszudrücken. Aber starre dein Publikum nicht an, denn zu lange Blicke werden unangenehm! Wenn wir von fremden Personen mehr als drei Sekunden intensiv angeschaut werden, gibt es für uns meist nur noch zwei Optionen: Kiss or kill. Du kannst mit deinem Blick im Übrigen auch die Aufmerksamkeit deiner Zuhörer lenken, denn diese registrieren meist, wohin du schaust. Deshalb auf, dass du nicht permanent Richtung Tür schielst – es könnte so aussehen, als wolltest du flüchten. Deine Augen geben die Richtung vor und sollten das Geschehen auf der Bühne vorbereiten. Was meine ich damit? Es ist wichtig, dein Publikum vorher subtil wissen zu lassen, dass gleich etwas Besonderes iert –
zum Beispiel mit einem Blick in die entsprechende Richtung. Wenn während deiner Show ein Ehrengast aus einer riesigen Torte springt, ist das ein netter Effekt; allerdings nur, wenn das Publikum gerade Richtung Torte schaut und das Spektakel auch sieht. Wenn du dein Publikum komplett überrumpelst, kann es sein, dass manche genau in diesem Moment blinzeln oder in die falsche Richtung schauen. Du kennst das aus Horrorfilmen: Hier ist es häufig die Musik, die Spannung aufbaut und uns signalisiert, dass gleich etwas iert. Trotz dieser »Vorwarnung« erschrecken wir uns. Auch wenn es paradox klingt: Bereite dein Publikum auf Überraschungen vor!
STAND
Kommen wir vom Scheitel zur Sohle und beschäftigen uns mit der Frage des richtigen Stands. Zunächst: Steh ruhig! Ständige Bewegung lässt dich nervös und schwach aussehen. Schwanke nicht hin und her und tripple nicht von einem Fuß auf den anderen – selbst wenn es nur kleine Bewegungen sind. Wenn dir das Stillstehen schwerfällt und du versucht bist, ständig zu laufen oder dich zu bewegen, empfehle ich dir ein Training mit Stühlen: Stelle unmittelbar links und rechts neben dir jeweils einen Stuhl auf, postiere dich dazwischen und halte deine Rede. Die Stühle hindern dich am »Weglaufen« und sind ein guter Reminder für das Stillstehen. Wichtig für einen guten Stand ist vor allem der Abstand der Füße. Es wird viel darüber diskutiert, wie breitbeinig man als Redner auf der Bühne stehen sollte. Mach bitte nicht auf Cristiano Ronaldo vor dem Freistoß! Wenn du mit übertrieben breiten Beinen vor deinem Publikum stehst, siehst du nicht wie ein kooler Rockstar aus, sondern nur wie ein Idiot mit übergroßem Ego. Enggeschlossene Beine sind hingegen eher die »Diva-Pose« und führen zu einem recht labilen Stand. Auch davon rate ich ab. Du findest den richtigen Stand ganz leicht: Spring mit beiden Beinen fest vom Boden ab und – jetzt kommt’s – lande wieder. So wie du jetzt stehst, stehst du richtig. Es mag dir ein wenig breitbeiniger vorkommen, als du es gewohnt bist – aber das ist dein Stand! Stehe gerade und beuge deinen Oberkörper nicht nach vorne oder hinten über. Ersteres kann aggressiv und übergriffig wirken, Letzteres wie ein Ausweichen (diesen Eindruck solltest du vor allem bei kritischen Einwürfen oder Fragen vermeiden!). Wenn du ein Rednerpult nutzt, kannst du dich gelegentlich darauf stützen; aber häng dich nicht auf das Pult – sonst wirkst du kraftlos. Status ist ein gutes Stück räumlich bedingt, deshalb ist es wichtig, dass du deinen »Raum« für dich beanspruchst. Nach innen gewendete Füße und ein Buckel machen dich klein. Postierst du dich aber mit breitem Kreuz und dem richtigen Stand auf der Bühne, strahlst du Präsenz und Kompetenz aus. Mach
dich groß! Ich ergänze: ohne dabei auf die Zehenspitzen zu gehen. Noch ein Wort zum Sitzen: Es kann vorkommen, dass du – zum Beispiel im Rahmen einer Podiumsdiskussion – vor aller Augen auf einem Stuhl Platz nehmen musst. Lümmel dich bitte nicht darauf, als wäre es dein Kuschelsessel. Dein Hintern sollte auf dem vorderen Teil des Stuhls sein, deine Füße flach auf dem Boden und dein Rücken gerade. Ist der Anlass informeller, kannst du dich auch anlehnen und die Beine übereinanderschlagen – aber ebenfalls mit Haltung. Bei wichtigen Statements solltest du jedoch immer »mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben«.
BEWEGUNG
Da wir uns nun mit der Bewegung auf der Bühne beschäftigen, möchte ich dir einen Mann vorstellen, der eigentlich keiner Vorstellung bedarf: Man kennt ihn als »Mr. Dynamite«, als »Soul Brother Number One« oder den »Godfather of Soul«, als »Sex Machine« und nicht zuletzt als »Hardest Working Man in Show Business«… Mister James Brown! Er hat den Soul mit aus der Taufe gehoben und den Funk geschaffen. James Brown ist eine Musiklegende, und das nicht zuletzt wegen seiner atemberaubenden Live-Performance. Michael Jackson hat James Brown in Kindertagen auf der Bühne gesehen und später gesagt: »Ich muss gestehen, dass mich sein Auftritt überwältigte, emotional erschöpfte. Seine physische Ausstrahlung, das Feuer, das von ihm ausging, war einfach phänomenal. Man fühlte jede Schweißperle auf seinem Gesicht, und man wusste, wie viel Kraft es ihn kostete. Ich habe nie wieder jemanden gesehen, der sich so verausgabte wie er.« Ganz ähnlich hat es US-Bürgerrechtler Al Sharpton erlebt: »Mehr Energie hatte ich noch an keinem anderen menschlichen Wesen beobachtet. James Brown blieb über zwei Stunden lang in ständiger Bewegung, mit der Geschwindigkeit eines Schnellfeuergewehrs, immer wieder wechselte er sein Kostüm, raffte seinen Umhang um sich, tanzte, sackte in den Spagat. Für mich war er eine Art Vergnügungspark in Person, die sämtliche Attraktionen auf sich vereinte. Es war faszinierend.« Wenn du Blut geleckt hast, schau dir mal einen Konzertmitschnitt von James Brown an. Oder optional vom »King of Soul« Otis Redding – auch so eine Maschine. Du bekommst einen Eindruck, was auf der Bühne alles möglich ist. Versteh mich nicht falsch: Ich möchte dich nicht dazu ermuntern, Moves wie das »Drop-Dead-Dancing« zu imitieren – James Browns Finale, bei dem er vor schierer Anstrengung mehrfach zusammenbricht und wieder aufersteht. Aber du kannst dich vom »Godfather of Soul« mindestens in zweierlei Hinsicht inspirieren lassen: von der puren Energie und dem vielseitigen Bewegungsrepertoire.
Wie steht es um deine Power auf der Bühne? Fliegst du auf Adrenalin oder läufst du untertourig? Bist du ein Springäffchen oder eher Typ Kartoffelsack? So oder so, entscheidend ist, dass du deine Energie bewusst einsetzt. Lauf beispielsweise nicht auf der Bühne hin und her, um »Dampf abzulassen«. Unnötige und nervöse Bewegungen lenken ab. Hier noch ein paar Ablenkungsklassiker, aus denen man fast Filmtitel machen könnte: »Der Griff ins Haar«, »Das Spiel mit dem Kuli«, »Das große Kratzen« und »Die zurechtgezupfte Bluse – Reloaded«. Genau diese Kleinigkeiten sind es, die dir bei der Videoanalyse deines Auftritts auffallen werden. Oftmals haben wir uns bestimmte Bewegungsmuster über Jahre antrainiert, ohne es überhaupt zu merken. Versuche, alles Ungewollte abzustellen und ausschließlich bewusste Bewegungen zu machen. Konzentration und Übung – mehr ist es nicht. Der Merksatz für dich: Jede Haltungsänderung, jede Geste, jede Bewegung sollte das Ziel haben, deine Botschaft zu transportieren. Du darfst auf der Bühne nicht überdrehen, aber du brauchst ein ausreichendes Maß an Spannung für ausdrucksstarke Bewegungen. Mach keine halbgaren Gesten oder zögerliche Schritte. Auf der Bühne zählen nur klare Aktionen. Wenn du stehst, stehst du. Wenn du dich bewegst, dann nicht einfach drauflos, sondern zielgerichtet. Welche Bewegungen du machen kannst, hängt von deinen Inhalten, deiner Bühnenpersönlichkeit und der Bühne ab. Natürlich muss deine Körpersprache authentisch rüberkommen; aber ein klein wenig »overacten« darfst du. Die Gesten können etwas ausladender, die Bewegungen etwas kraftvoller sein als im Privatgebrauch. Grundsätzlich gilt: Je größer die Bühne, desto größer die Geste. Bevor wir uns eingehend mit Handgesten befassen, noch ein paar Sätze zu möglichen Bewegungen – mit denen ich zuvorderst eine Positionsveränderung auf der Bühne meine: Es kann vorkommen, dass dir nur ein Minimalraum zur Verfügung steht, also kaum mehr Platz als der, auf dem du stehst. In diesem Fall gewinnen dein Blick und deine Hände an zusätzlicher Bedeutung. Versuche dennoch, mit dem verfügbaren Raum zu arbeiten, zum Beispiel, indem du mal zur Bühnenkante gehst und dich zum Publikum herunterbeugst. Dreh dich und adressiere agenweise die Zuhörer links und rechts im Saal. Wenig Platz darf nicht bedeuten, dass du stillstehst. Ich kann es auch noch platter ausdrücken: Nutze den Raum! Egal wie deine Bühne aussieht – ebenerdig oder
erhöht, groß oder klein –, schöpfe alle Bewegungsmöglichkeiten aus. Keith Richards schreibt über Tanzteufel Mick Jagger: »Auf kleinen Bühnen, auf den man sich kaum umdrehen konnte, kam sein Talent am besten zur Geltung. Vielleicht war er nie wieder so gut. Ich glaube, seine Bewegungen rühren großenteils von diesen winzigen Bühnen her.«
»Konzentration und Übung – mehr ist es nicht.«
Auf großen Bühnen stellen sich andere Herausforderungen: Du musst mehr Raum im Griff haben und darfst nicht verloren wirken. Debbie Harry erinnert sich, dass sie am Anfang ihrer Live-Karriere diesbezüglich wertvolle Tipps von David Bowie und Iggy Pop bekommen hat, die gemeinsam mit Blondie tourten. Debbie war große Bühnen noch nicht gewohnt und bewegte sich während des Konzerts in einem überschaubaren Aktionsradius. David und Iggy hingegen sprangen wild herum oder kletterten auf Boxentürme. Ihr Rat an die junge Sängerin: »Nimm einen größeren Teil der Bühne für dich in Beschlag, gehe vor und zurück.« Gesagt, getan. Von da an tanzte und sprang auch Blondie. Wenn der Bühne entsprechend auch dein Publikum groß ist, musst du zudem mehr Menschen adressieren. Verändere deine Position während des Auftritts und gib allen die Chance, dich zu sehen. Beginne beispielsweise in der Mitte, wechsle mal zur linken, mal zur rechten Seite oder tritt noch näher an dein Publikum heran. Sprich weiter, wenn du von einem Ende der Bühne zum anderen schlenderst. Dabei sind Bewegungen von links nach rechts für dein Publikum immer wirkungsvoller als von vorne nach hinten – was sich leicht mit der menschlichen Tiefenwahrnehmung erklären lässt. Willst du intensiv mit deinem Publikum in Kontakt treten und möglichst viele Zuhörer einbeziehen, schreite den Bühnenrand jeweils bis zum äußersten Rand ab und verweile dort ein wenig. Eine Steigerung dieses »Grenzgangs« ist der Ausbruch ins Publikum. Damit meine ich nicht, dass du deine Kollegen bei der nächsten Präsentation mit Stagediving überraschen sollst (du wirst hart landen). Aber es kann sinnvoll sein, die Bühne zu verlassen und sich unters Volk zu mischen. Diese Option bietet sich vor allem an, um ins Gespräch zu kommen,
Fragen zu stellen oder zu beantworten. Von Comedians kennst du das vielleicht. Otto Waalkes geht beispielsweise am Anfang seiner Show durch die Reihen, um das Eis zu brechen: »Wie viele Kinder haben Sie?« – »Vier!« – »Haben Sie auch noch andere Hobbys?!« Je näher du am Publikum dran bist, desto aktiver und intensiver wird deine Performance wahrgenommen. Daher solltest du dich auch nur mit triftigem Grund im hinteren Teil der Bühne aufhalten – zum Beispiel, wenn du dort etwas zeigst oder einer anderen Person vorne Platz machst. In der Mitte bist du stärker in das Bühnengeschehen eingebunden, was bei speziellen Aufbauten Sinn machen kann. Wenn es dir hilft, fertige dir einen Positionsplan an. Leg bereits bei den Proben exakt fest, wann du dich wohin bewegst. Aber achte immer auf den Bezug zum Inhalt. Wenn du dich in regelmäßigen Mustern bewegst – zum Beispiel alle zwei Minuten ein Seitenwechsel –, sorgst du nicht für Aufmerksamkeit, sondern für ungewollte Lacher.
GESTIK
Gehen wir noch einmal zurück ins Jahr 1976: Genesis veröffentlichte A Trick of the Tail, das erste Album mit Phil Collins als Leadsänger, und tourte anschließend durch Europa und Amerika. Heute wissen wir, dass die Band den größten kommerziellen Erfolg noch vor sich hatte; damals war völlig unklar, wie Kritiker und Fans reagieren würden. Plötzlich war der Frontmann weg! Stell dir Scooter ohne H. P. Baxxter vor! Peter Gabriel war nicht nur die Stimme, sondern auch das Gesicht von Genesis. Nicht zuletzt seine Showeinlagen und Kostüme haben die Band bekannt gemacht. Mal kam er als alter Mann auf die Bühne, mal mit einem riesigen Blumenkopf oder – ohne es vorher mit den anderen Bandmitgliedern abzusprechen – mit rotem Abendkleid und Fuchskopf. Phil Collins wollte nicht so eine Show abziehen, aber das warf Fragen auf: »Wenn man nicht dazu aufgelegt ist, Fledermausflügel am Kopf zu tragen und in der Luft herumzufliegen, was tut man dann, wenn man gerade mal nicht singt?« Wohin vor allem mit den Händen? Es hat seine Zeit gebraucht, bis Phil sich an die neue Rolle gewöhnt hat: »Trotzdem habe ich die Hände beim Singen über weite Strecken fest in den Hosentaschen stecken. Es wird eine Weile dauern, bis ich das Mikrofon anfasse, aus der Halterung nehme und damit herumlaufe. Erst als das iert, habe ich das Gefühl, dass es nun offiziell ist: Ich, Phil Collins, bin ein Sänger.« Wer das Glück hatte, Phil Collins in den vergangenen 40 Jahren live zu erleben, hat einen echten Showman gesehen. Auch ohne Kostüme und Special Effects reißt er sein Publikum mit. Ein Klassiker ist sein »Tamburintanz«, bei dem er sich das Instrument rhythmisch gegen Hände, Ellenbogen, Knie, Füße und den Kopf schlägt. Die deutlich bessere Alternative, als die Hände in den Hosentaschen zu vergraben! Bei der Performance sind Arme und Hände die auffallendsten »Bewegungsinstrumente« – und du hast sogar jeweils zwei davon! Mach Gebrauch von ihnen! Dass du bestenfalls mit freien Händen sprichst, haben wir bereits bei den »Drei Tipps zum Start« geklärt. Nun beschäftigen wir uns mit den
Möglichkeiten, Hände und Arme einzusetzen. Zunächst noch einmal die Don’ts: Stecke deine Hände nicht in die Hosentaschen! Es sei denn, du willst dein Publikum die ganze Zeit mit der Frage beschäftigen, was du da treibst. Gelegentlich eine Hand in der Tasche ist okay, aber dann nicht zu lange. Du solltest deine Arme auch nicht verschränken. Weder vor dem Körper – das sieht entweder bedrohlich oder abwehrend aus – noch hinter dem Körper – das erinnert an einen Knasti in Handschellen. Die Hände dauerhaft in die Hüften zu stemmen weckt ebenfalls unschöne Assoziationen; ich denke da immer an strenge Mathelehrer. Schränke dich nicht ein! Nutze Hände und Arme für gezielte Gesten; immer aus deiner Grundposition heraus (siehe »Drei Tipps zum Start«). Die Rockstars haben es hier natürlich leicht: Wenn nahezu alles erlaubt ist, hat man viele Möglichkeiten – inklusive Instrumente zertrümmern und anzünden. Frag mal The Who. Pete Townshend erinnert sich: »Keith warf seine Stöcke in die Luft und spielte im Stehen Schlagzeug; Roger schwang sein Mikrofon und schlug es gegen die Becken; ich sprang hoch, trat in die Luft und schwang meinen Arm beim Windmilling.« Wenn du auf unnützes Wissen stehst: Das Windmilling, eine Art Armkreisen während des Gitarrenspiels, ist Pete Townshends Signature Move und eine der berühmtesten Gesten der Rockgeschichte. Interessanterweise stammt der Move jedoch gar nicht von Pete selbst, sondern von Keith Richards von den Rolling Stones. Bei einem gemeinsamen Gig wärmte sich der Stones-Gitarrist mit dem Armkreisen auf und wurde dabei von zwei interessierten Augen beobachtet. Die gehörten Pete Townshend und das Windmilling ab diesem Zeitpunkt auch. Stichwort: Inspiration. Ich lasse bei Gigs auch von Zeit zu Zeit den Arm kreisen – meistens beim großen Finale. Bei Business-Vorträgen und Traureden konnte ich den Move bisher noch nicht unterbringen. Aber da gibt es ja glücklicherweise auch noch andere Optionen. Du musst dir jedoch die enden Gelegenheiten dafür schaffen. Auch hier ist dein Text der Ausgangspunkt. Wenn du Aufzählungen einbaust, kannst du mit den Fingern »erstens, zweitens, drittens« mitzählen. Oder halte bei Zahlen bis fünf die entsprechende Anzahl von Fingern hoch. Zeige mit Daumen und Zeigefinger, wie klein etwas ist, und mit sich voneinander entfernenden Handinnenflächen vor dem Körper, wie groß.
»Auf der einen Seite … auf der anderen Seite« und ähnliche Formulierungen schreien ebenfalls nach deinem Handeinsatz – zeige einmal zur linken, einmal zur rechten Seite. Hier ein Profitipp: Mach dir bewusst, dass dein Publikum dich spiegelverkehrt sieht (deine linke Hand ist aus Publikumssicht auf deiner rechten Seite) und dass wir es gewohnt sind, von links nach rechts zu lesen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf kannst du mit deinen Händen gezielt visuelle Anker setzen. Nutze beim Gestikulieren deine rechte Hand, wenn es um Vergangenes oder Negatives geht. Deine linke Hand kommt zum Zug, wenn du von zukünftigen und positiven Dingen sprichst. Dein Publikum sieht dann wie gewohnt von links nach rechts die »Entwicklung« – erst war es so, jetzt ist es so. Mach einladende Gesten, beispielsweise indem du die Arme weit öffnest. Zeigen die Handflächen nach oben, forderst du dein Publikum zum Mitmachen auf (»Gibt es bis hierhin Fragen?«). Mit den Handflächen nach unten beruhigst du oder setzt ein starkes Zeichen. Die ausgestreckte Faust zeigt dich kämpferisch, die Hand aufs Herz dankbar. Zeige auf dich, auf Fragesteller oder auf Dinge, die du erklärst. Wenn du die frenetische Masse weiter aufpeitschen willst, treibe sie mit kreisenden Handbewegungen an, halte das Mikrofon Richtung Publikum oder die Hand hinters Ohr, als wolltest du sagen: »Ich kann euch nicht hören!« Du siehst: Der Möglichkeiten gibt es viele. Probiere dich aus und trainiere die Moves im Vorfeld, damit sie maximal authentisch rüberkommen. Im besten Fall sind deine Gesten kraftvoll, ohne dass sie bemüht wirken. Je höher du gestikulierst, desto selbstsicherer wirkst du: Wenn deine Hände die Ellenbogen übersteigen, erzielst du einen dramatischeren Effekt; auf Kopfhöhe wird dieser noch einmal verstärkt. Dein Körper ist eine Waffe auf der Bühne! Handle with care! Du kannst damit beim Publikum einen Volltreffer landen oder dich ins eigene Knie schießen. Deine Gesten und Bewegungen dürfen keine Posen werden, denn Poser mag keiner. Wenn du übertreibst, wirst du zum Clown oder zum Plastik-Performer. Nutze deine natürliche Energie für eine authentische Körpersprache. Energetisch und locker, variabel und kongruent, ein bisschen Show, ein bisschen du, immer mit Blick für den Inhalt, das Publikum und die Bühne.
ÄUSSERLICHKEITEN
Jetzt werden wir oberflächlich! Endlich! Denn gut sein ist wichtig – dabei gut aussehen aber auch. Wie viele Gedanken widmest du deiner Garderobe? Ziehst du bei einem Auftritt einfach das an, was im Schrank zufällig vorne hängt? Oder wählst du dein Outfit gezielt aus? Jetzt rate mal, was besser ist … Natürlich ist dein Look wichtig! Deine Haare, dein Make-up, deine Kleidung prägen entscheidend deine Wirkung auf der Bühne (und auch abseits davon). Denn jedes Outfit enthält eine Symbolik, weckt Assoziationen und sendet Signale an das Publikum. Ob locker und bunt oder förmlich und gedeckt: Du vermittelst mit jedem Farbton, jedem Detail, jeder Knitterfalte ein spezielles Bild von dir. Lege Wert auf dein Äußeres und setze dich in Szene! Du brauchst dafür nicht zwingend ein spezielles »Bühnen-Outfit«; ein solches kann aber ein entscheidender Aspekt deiner Bühnenpersönlichkeit oder das gewisse Etwas deiner Show sein. Es ist zum Beispiel ein echter Hingucker, wenn du deinen nächsten Auftritt im Entenkostüm absolvierst – Elton John hat es ausprobiert. Rotes Kleid und Fuchskopf sind, wie wir gelernt haben, auch ein Klassiker. Interessanterweise sind extreme »Kostümierungen« meist entweder Ausdruck einer extrovertierten Persönlichkeit oder aber eines schüchternen Charakters – Letzteres gilt zum Beispiel für Peter Gabriel. Hinter »Masken« kann man sich verstecken. Gleichzeitig erzeugen sie jedoch den gegenteiligen Effekt: Sie helfen uns, aus uns herauszugehen, uns auszudrücken und auszuleben. Für einen Auftritt im Business-Kontext würde ich dennoch auf eine Maske im Stil von Kiss, Slipknot, Sido, Cro oder Daft Punk verzichten – außer du willst einen legendären letzten Auftritt hinlegen. Wir sollten uns offenbar nicht zu sehr am konkreten Outfit der Rockstars orientieren. Was wir uns allerdings abschauen können, ist ihre Professionalität in puncto Außendarstellung.
KLEIDER MACHEN STARS
Ich möchte – nein, ich muss zwingend – an dieser Stelle noch einmal auf James Brown zu sprechen kommen. Denn kaum ein anderer Star hat mehr griffige Zitate und unterhaltsame Anekdoten zu bieten als er, wenn es um das Thema Outfit geht. »The Hardest Working Man in Show Business« ist auch in diesem Bereich ein Vorzeigeprofi. Oder was hältst du von einem Mann, der seine Band zu Bußgeldern für ungeputzte Schuhe und fleckige Hemden verdonnert und Sätze sagt wie: »Ich versuchte sogar im Gefängnis, meine Hosen zu bügeln.« James Brown wusste, wie wichtig der Look für das Image und die Gesamtwahrnehmung seiner Performance war. Und er wusste es vom ersten Tag an: »Sehen Sie, ein Entertainer, der ein Star sein will, denkt immer, er muss auf sein Auftreten achten. In der Periode von ›Try me‹, als ich gerade meinen brandneuen, roten 1959er-Cadillac bekommen hatte, hielten wir auch bei der größten Hitze die Fenster geschlossen, damit man glauben sollte, wir hätten eine Klimaanlage.« Wer kool sein will, muss schwitzen … In Ergänzung lauschen wie der langen Zunge des Kiss-Bassisten Gene Simmons: »Sieh wie ein Rockstar aus, benimm dich wie ein Rockstar, und wenn du Glück hast, wirst du vielleicht ein Rockstar werden. Bis du es schaffst, musst du so einiges vortäuschen.« Ich rate davon ab, sich erst das Outfit auszusuchen und darauf aufbauend eine Bühnenpersönlichkeit zu entwickeln, aber James und Gene machen auf einen guten Punkt aufmerksam: Kleider machen Stars. Noch bevor du auf der Bühne den ersten Ton von dir gibst, hat dein Publikum über dich geurteilt. Profis sehen wie Profis aus, Künstler wie Künstler, Rockstars wie Rockstars. Wenn du im ausgeblichenen Schlabberpulli erscheinst, wirkst du eher wie der Hausmeister, der vor der Show noch mal die Bühne feudeln will. Aber zurück zur Professionalität: Eine Anekdote aus dem Backstage zeigt besonders schön, wie James Brown tickt. Nach jedem seiner zweistündigen Konzerte, in denen er alles aus sich herausgeholt hat, kam er schwitzend und völlig ausgelaugt hinter die Bühne. Er hätte sich nun einfach frische Klamotten anziehen und schnellstmöglich ins Hotel fahren können, um sich auszuruhen.
Aber James Brown setzte sich stattdessen 45 Minuten unter einen Haartrockner, richtete seine Frisur und legte den feinsten Zwirn an, bevor er den Veranstaltungsort verließ. Warum? Weil er der Meinung war, dass ihn auch auf den zwei Metern zur Limousine oder ins Hotel ein Fan sehen könnte. Und dieser eine Fan hatte es verdient, James Brown in Bestform zu sehen. Das ist natürlich extrem. Aber eben auch extrem professionell. Natürlich musst du nicht ganz so weit gehen, um mit deinem Look zu punkten. Behalte aber James Browns Einstellung gerne im Hinterkopf, wenn ich dir im Folgenden einige Dos & Don’ts zum Thema Outfit vorstelle. Am Ende entscheidest du selbst, wie viel Akribie und Liebe zum Detail du in deinen Look als Teil deiner Performance steckst. Doch meine Meinung ist: Alles ist wichtig! Auch die Farbe der Socken! Eine wirkungsvolle Show ist rund und funktioniert auf jeder Ebene. Du solltest daher auch den visuellen Elementen – und da gehörst du dazu – deine volle Aufmerksamkeit schenken.
BASICS
Zunächst zu den Basics: Erscheine »gepflegt« auf der Bühne! Die Haare sind gewaschen, die Fingernägel sauber, die Zähne glänzen und der Atem ist frisch. In diesem Punkt verhandele ich nicht! Gute Performer haben keine schlechte Hygiene. Sid Vicious von den Sex Pistols vielleicht ausgenommen. Je seriöser das Umfeld ist, desto »aufgeräumter« oder »ordentlicher« sollte dein Outfit sein. Aber der Typ »zerstreuter Professor« ist generell ein Auslaufmodell. Wenn dir das Hemd aus der Hose quillt oder die Brille schief sitzt, ist das nicht »putzig«. Wenn ich solche Redner vor mir sehe, weiß ich nicht, ob ich Mitleid haben oder mich ärgern soll – ein Blick in den Spiegel ist doch wirklich nicht zu viel verlangt! Zudem sollte dein Outfit »angemessen« sein, das heißt end zum Inhalt, zum Event und zu deinem Publikum. Der plakative Extremfall: Ein Trauerredner trägt bei der Beerdigung kein Hawaiihemd, Shorts und Flip-Flops. Ich bin im Übrigen generell kein Freund von kurzen Hosen auf der Bühne – vor allem, wenn diese erhöht ist. Denn dann starrt dein Publikum auf deine Beine. Und Shorts sehen immer ein bisschen zu sehr nach Freizeit aus. Sag das aber bitte nicht Angus Young von AC/DC – Schuluniformen sind eine Grauzone. Es gibt Veranstaltungen mit Dresscode; an diesen solltest du dich halten. Wenn du kein Risiko eingehen kannst oder willst, kleide dich eher konservativ. Lieber nicht auffallen als negativ. Zudem lenkt der Look »Paradiesvogel« von deinen Inhalten ab – ernsthafte Themen verlangen ein angemessenes Outfit. Sonst wirkst du unseriös.
AKZENTE SETZEN
Aber auch wenn es förmlich zugeht, hast du noch Spielraum: Setze beispielsweise Farbakzente mit Krawatten und Fliegen, Schuhen und Socken, Einstecktüchern oder anderen Accessoires. Wie wäre es mal mit Hut? Oder einer stylischen Brille? Warum muss ich plötzlich wieder an Elton John denken!? Ein Insider: Elton John musste eigentlich gar keine Brille tragen – anfangs: »Eigentlich war sie mir verschrieben worden, damit ich die Buchstaben an der Tafel lesen konnte. Da ich unter der Wahnvorstellung litt, damit auszusehen wie Buddy Holly, trug ich sie jedoch von morgens bis abends und ruinierte mir dadurch die Augen. Danach musste ich sie tatsächlich ständig tragen.« Ich trage seit meinem ersten Auftritt immer eine Kopfbedeckung – meistens eine Cap, manchmal eine Wollmütze, im seriösen Kontext einen Hut. Anfangs habe ich mir darüber wenig Gedanken gemacht; es hat sich einfach ergeben, da ich auch privat fast immer eine Baseballkappe auf dem Kopf hatte. Mittlerweile ist es eine Art Markenzeichen geworden. Genauso verhält es sich mit den schwarzen Boxbandagen, die ich als Rapper seit mehr als zehn Jahren bei jedem Auftritt anlege. Ich wurde häufig gefragt, was zum Teufel das soll. Gute Frage! Ich fand die Teile seit meiner kurzen Zeit als Boxer irgendwie stylisch – wahrscheinlich, weil sie meinen Look ein bisschen härter machen. Mittlerweile kann ich gar nicht mehr anders. Tina Turner legt den Schalter auf Bühnenpersönlichkeit um, wenn sie ihre Perücke aufsetzt; ich bin »on«, sobald ich die Bandagen anlege. Vielleicht ging es Michael Jackson mit seinem strassbesetzten Handschuh ähnlich: »Vor Thriller hatte ich jahrelang einen einzelnen Handschuh getragen. Ich hielt das für cool. Zwei Handschuhe zu tragen kam mir gewöhnlich vor, aber ein einzelner Handschuh war etwas anderes und hatte definitiv persönlichen Stil.« Mit Kleinigkeiten wie diesen verleihst du deinem Look eine individuelle Note. Du bist leichter wiederzuerkennen und lieferst deinem Publikum vielleicht sogar
ein wenig Gesprächsstoff. Letzteres habe ich im künstlerischen Kontext immer als Vorteil gesehen. »Warum trägt er die Dinger?« Man kann es kool oder unkool finden, aber wenn die Menschen darüber sprechen, macht dich das interessanter. Übertreibe es aber nicht und achte auch bei den Details darauf, dass sie sich ins Gesamtbild fügen. Michael Jackson sagt zu Recht: »[…] ich bin schon seit Langem überzeugt, dass es einer der größten Fehler ist, die man machen kann, wenn man sich zu sehr auf sein Aussehen konzentriert, denn der Stil eines Künstlers sollte auf natürliche Weise entstehen, spontan. Man kann sich derartige Dinge nicht ausdenken; man muss sich in sie einfühlen.« Suche deinen individuellen Look und lass dich im Zweifel von Menschen mit Modegefühl beraten. Unabhängig davon, ob du einen schwarzen Smoking oder eine pinke Federboa trägst: Du solltest dich wohlfühlen in deiner zweiten Haut. Deshalb achte auch darauf, dass deine Kleidung bequem ist. Auf die Krawatte kannst du heute in den meisten Fällen verzichten. Vielerorts hat die Bluejeans die Anzughose ersetzt und Sneakers zum Jackett sind längst Standard – Halleluja! Für die Bequemlichkeit spricht jedoch nicht nur Bequemlichkeit. Bruce Dickinson, Sänger der Metal-Band Iron Maiden, ist beispielsweise ein Verfechter von elastischen Hosenbünden: »Die Einengung des Bauchbereichs ist extrem unbequem und führt dazu, dass das Zwerchfell seiner Funktion als Blasebalg des Körpers nicht nachkommen kann und einen unzureichenden Luftstrom produziert.« Ergo: Die Stimme leidet. Wenn du in den schnieken neuen Schuhen nicht laufen kannst, die Hose zwickt oder dir der Gürtel die Luft nimmt, kannst du dich nicht hundertprozentig auf deine Performance konzentrieren. Apropos konzentrieren: Dein Publikum sollte nicht von der Frage beschäftigt werden, was du in deinen vollgestopften Hosentaschen hast. Leg Schlüssel, Handy und andere Dinge vorher ab. Und bitte steck dir keine Kulis, Füller oder Textmarker sichtbar in Hemd- und Jackentaschen. Du provozierst, dass dir jemand einen Zettel auf den Rücken klebt – mit der Aufschrift »Streber«. Bevor wir zum Abschluss des Kapitels noch einige modische Besonderheiten beim schöneren Geschlecht beleuchten, wage ich mich kurz auf dünnes Eis … Mich geht weder dein Gewicht noch deine Gesundheit etwas an, aber wenn du etwas beleibter bist (also schwere Knochen hast), solltest du deine Kleiderwahl mit besonders viel Fingerspitzengefühl treffen. Such dir eine Kleidung, die deine Vorzüge hervorhebt und deine Problemzonen kaschiert (also bitte keine
Querstreifen). Ganz plump gesprochen: Attraktivität hilft auf der Bühne. Deshalb hol immer das Beste aus dir heraus und versuche, eine gute Figur zu machen.
FOR LADIES ONLY
Liebe Damen, bitte verzichtet – außer in sehr festlichem Rahmen – auf zu auffälligen Schmuck. Er könnte die Anwesenden ablenken: »Ob das echtes Gold ist?« Ein bisschen Glanz ist erlaubt, aber zu viel Blingbling blendet euer Publikum und überstrahlt den Inhalt. Aus akustischen Gründen sind auch große Ohrringe oder Armreifen problematisch, die klimpern und klappern – denn das Mikrofon hört mit. Überleg dir genau, wie viel Haut du zeigen möchtest. Wenn es um deinen Inhalt und nicht um dein Dekolleté gehen soll, kleide dich entsprechend. Tina Turner hat sich in ihrer Autobiografie mit der Frage beschäftigt, wie viel Sexappeal ein Outfit verträgt. Sie wollte nie, dass ihr Look dazu führt, dass die anwesenden Damen vor Neid erblassen, vor Scham erröten oder sich schwarzärgern. »Auf der Bühne sexy auszusehen war nie mein primäres Ziel, und ich machte mir keine Sorgen, wie die Jungs auf mein Aussehen reagieren würden. Ich spielte immer zu den Frauen im Publikum, denn wenn man die Mädchen auf seiner Seite hat, hat man auch die Jungs.« Punkt für Tina! Versuche in jedem Fall den Eindruck zu vermeiden, als hättest du dich zu sehr um dein Outfit bemüht – besonders im Business-Kontext. Denn das erhöht die Chance, dass man dich auf dein Äußeres reduziert. Zudem könnten dir Fehler doppelt um die Ohren fliegen: »Hätte sie mal lieber mehr Zeit mit der Vorbereitung der Präsentation und weniger Zeit vor dem Spiegel verbracht!« Das ist natürlich ungerechter Bullshit, aber Neider sind nun mal nicht gerecht. Schlichte Schönheit t meistens besser ins Bild, deshalb setz dich und deine Vorzüge dezent in Szene. Egal wie schick dein Outfit ist, es muss in jedem Fall praxistauglich sein. Das Kleid sollte nicht so eng sein, dass du kaum laufen kannst. Der Rock sollte lang genug sein, dass du dich bücken kannst, ohne dafür Standing Ovations von den sabbernden »Herrschaften« zu bekommen. Zu laute Schuhe – ich denke da vor allem an High Heels – stören ebenfalls.
Hier noch ein Praxistauglichkeit-Profitipp: Wenn du ein Ansteckmikrofon oder ein Headset nutzt, solltest du dir vorher überlegen, wie und wo der dazugehörige Sender an deinem Outfit befestigt werden kann. Denn bei Kleidern kann das mitunter schwierig sein. Der Sender ist rund 10 mal 5 Zentimeter groß und wiegt maximal 400 Gramm. Meist wird er mit einem Clip am Gürtel oder am Hosenbund angebracht. Wenn du im Kleid performen möchtest, solltest du deshalb immer einen Gürtel dazu tragen. Tina Turner hat es geschafft, ihren Stil auch in höherem Alter zu pflegen – ohne sich als Teenie zu verkleiden. Ihre letzte Tour hat sie 2009 mit 69 Jahren absolviert, und auch danach war sie noch regelmäßig in der Öffentlichkeit zu sehen – zuletzt im Rahmen der Premiere des »Tina Turner Musicals« 2019 in Hamburg. Heute sagt sie zu ihrem Look: »Ich versuche nicht, mich wie die jungen Mädchen anzuziehen. Ich habe festgestellt, dass ich genauso gut aussehen kann, ohne zu viel Dekolleté zu zeigen oder sehr kurze Röcke zu tragen. […] Man muss es einfach akzeptieren und einen Stil finden, der zu einem t. Gib dein Bestes mit Make-up, Haaren und Kleidung. Du musst dich weiterentwickeln.« Wenn du noch mehr Tipps aus erster Hand willst, empfehle ich dir Tinas Autobiografie. Hier lernst du unter anderem, wie man eine Perücke echt aussehen lässt und mit High-Heels tanzt (Spoiler: auf den Zehen). Das letzte Wort hat Debbie Harry von Blondie, die sicher der einen oder anderen Dame aus dem Herzen spricht: »Manchmal bin ich mit meinem Aussehen zufrieden, manchmal nicht; so ist es immer schon gewesen. Aber ich bin nicht blind, und ich bin nicht dumm: Ich mache mir mein Aussehen zunutze und setze es für meine Zwecke ein.« Warum auch nicht!? So viel zum Thema Outfit! Wir bleiben jedoch bei der Optik deiner Show und schließen Kapitel 4 mit einigen Tipps rund um die visuellen Hilfsmittel, die dir zur Verfügung stehen.
POWERPOINT, FLIPCHART UND CO.
Das Wichtigste vorab: Du und dein Text müssen auch ohne visuelle Hilfsmittel funktionieren. Wenn du den Vortrag nicht halten kannst, ohne alle zehn Sekunden auf die Leinwand hinter dir zu lugen, bist du nicht ausreichend vorbereitet. Was machst du, wenn die Technik streikt? Gehst du dann nach Hause? »Hilfsmittel« bedeutet auch, dass die Technik dir nie die Inhalte diktieren sollte. Dein Text ist die Basis; alles Drumherum dient ausschließlich der Unterstützung. Lass dich auch nicht von technischen Sperenzchen verführen, die du kool oder witzig findest, die aber keinen tatsächlichen Mehrwert bieten. Ich erinnere mich an einen Vortrag in der Schule, bei dem wir zum ersten Mal mit PowerPoint arbeiten durften – was waren wir begeistert! Vor allem von den Animationen und Soundeffekten! Aber wenn auf jeder Slide die Überschrift mit dem Geräusch von quietschenden Autoreifen ins Bild schießt, nutzt sich der Effekt doch überraschend schnell ab.
POWERPOINT
Auch wenn es einige andere Optionen gibt – im Business-Kontext herrscht König PowerPoint. Doch neun von zehn PowerPoint-Präsentationen sind – wie sage ich das höflich? – zum Kotzen schlecht. Sorry, aber das ist die Zusammenfassung von: unansehnlich, geschmacklos, verwirrend, überladen und überflüssig. Michael Jackson hat mal gesagt: »Mein Ziel ist es, auf jedem Gebiet mein Bestes zu geben, warum also sollte ich an einem Album hart arbeiten und dann ein schreckliches Video produzieren?« Genauso ist es mir ein Rätsel, weshalb sich so viele Redner die Mühe machen, einen anspruchsvollen Text auszuarbeiten, um ihn dann mit einer lieblos zusammengestümperten PowerPoint zu torpedieren. Wenn du eine Präsentation nutzt, gib dir bitte Mühe bei der Erstellung. Hast du keine Zeit, deine Slides ausreichend zu durchdenken oder optisch ansprechend zu gestalten? Dann verzichte auf PowerPoint! Gehen wir davon aus, du hast ausreichend Kapazitäten für die Erstellung einer PPT – auf was ist zu achten? Um sich die wichtigste Regel zu merken, musst du nur den alten Gassenhauer I Was Made For Lovin‹ You summen, denn dann denkst du an die Band »Kiss«. Und diese vier Buchstaben stehen für »Keep it short and simple«. Oder was ich noch eingängiger finde: »Keep it straight and stupid«. Der häufig begangene Kapitalfehler: Die Slides sind zu vollgepackt. Spare am Text und halte die Seiten so schlank und übersichtlich wie möglich. Sieben Bullets mit je sieben Wörtern sind das absolute Maximum. Eliminiere jedes überflüssige Wort! Fang gerne bei deinen Titeln an, denn nicht jedes Slide benötigt eine Überschrift. Streiche sie und leite selbst ein. Bestenfalls befinden sich nur die Kernaussagen deines Textes auf der Slide. Warum? Weil die Aufmerksamkeit deines Publikums begrenzt ist. Zu viele Fakten, Daten und Zahlen verwirren und lenken vom gesprochenen Wort ab. Entweder dein Publikum liest sorgfältig den Text auf den Slides oder es hört dir
aufmerksam zu. Beides geht nicht. Zudem besteht bei zu viel Text die Gefahr, dass du selbst zum Vorleser wirst, anstatt dein Publikum zu adressieren. Natürlich darfst du gelegentlich Richtung Präsentation schauen und gestikulieren, aber dein Fokus sollte zu 90 Prozent den Menschen vor dir gelten. Zudem verbietet sich das wortwörtliche Vorlesen der Slides ganz grundsätzlich: Es macht schlicht keinen Sinn, auf der Tonspur den geschriebenen Text laufen zu lassen oder anders herum auf die Slides exakt das zu schreiben, was du erzählst. Das gesprochene und das geschriebene Wort sollten sich ergänzen, nicht doppeln. Wechsle nicht zu früh zum nächsten Slide: Ist der geschriebene Text deinem Vortrag »voraus«, hört dir keiner zu, weil alle bereits lesen. Zudem besteht die Gefahr, dass dein Publikum abschaltet – nach dem Motto »Ich weiß ja schon, was kommt, dann brauch ich dem Redner auch nicht mehr zuhören«. Zeige die Slides exakt dann, wenn du auch darüber sprichst. Optional bieten sich Animationen an, um die Inhalte deiner Slides (Bullets, Bilder und so weiter) nach und nach einzublenden, das heißt immer dann, wenn du gerade den betreffenden Punkt ausführst. Auf diese Weise erzielst du die größtmögliche Wirkung. Verwende nicht mehr als zwei Schriftarten – außer du hast einen wirklich triftigen Grund oder willst dein Publikum mit Vorsatz verwirren. Willst du für Abwechslung sorgen (wofür dir jedes Publikum der Welt dankbar sein wird), variiere bei der Gestaltung der Seiten. Folge nicht immer demselben Muster. Oben Überschrift und darunter eine Handvoll Bullets funktioniert einmal, auch fünfmal, aber nicht zwanzigmal hintereinander. Baue Tabellen, Diagramme oder Grafiken ein – wenn möglich animiert. Bewegte Bilder sorgen für Aufmerksamkeit und bleiben hängen. Besser als sieben statische Balkendiagramme in Reihe ist demnach ein einziger Balken, der nach und nach ansteigt. Wenn du einen dynamischen Prozess veranschaulichen willst, dann bestenfalls mit einer dynamischen Darstellung. Wenn immer möglich, nutze Bilder – nicht nur in Ergänzung des Textes, sondern als Ersatz. Die besten Slides sind komplett mit einem Bild gefüllt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Aussagekräftige Bilder werden sofort verstanden, wecken Emotionen und machen einfach mehr Spaß als Bleiwüsten. Versuche doch mal eine PowerPoint-Präsentation ausschließlich mit Bildern zu gestalten und auf den Text vollständig zu verzichten – das wäre ein echter Hingucker.
Aber Vorsicht: Auch in der Bilderwelt gibt es Phrasen und Klischees, die du vermeiden solltest. Verzichte bitte auf die tausendfach eingebauten Zahnräder und Puzzleteile, die Zielscheibe oder den guten alten Handschlag. Bitte kurz melden: Wer hat diese Bilder schon in diversen Präsentationen gesehen? Vielen Dank, du kannst die Hand wieder runternehmen. Dein Publikum will etwas Neues sehen, nicht die ewig gleichen, ausgelutschten Stockfotos. Ein bisschen Leben bringst du auch durch Farbe in die Bude. Die Farbpsychologie lehrt uns, dass Farben die dargestellten Botschaften verstärken oder schwächen können. Denn sie beeinflussen uns – meist subtil und unbewusst, aber fühl- und messbar. Weiß, grau und schwarz ausgenommen, solltest du nicht mehr als drei verschiedene Farben pro Slide verwenden, gerne aus einer »Farbfamilie«. Je bunter deine Präsentation ist, desto verspielter und kindischer wirkt das Ganze – was besonders bei seriösen Themen zum Nachteil wird. Wähle deine Hintergrundfarbe mit Bedacht, denn sie beeinflusst nicht nur alle weiteren Farbentscheidungen für Text, Hervorhebungen oder ClipArts, sondern vor allem die Stimmung deiner Präsentation. Auch wenn du ein Fan von Schwarz bist – was ich verstehen kann, da ich es auch bin –, rate ich dir von einem schwarzen Hintergrund ab. Du assoziierst damit möglicherweise Eleganz; die meisten Menschen allerdings Tod und Trauer. Zu viel Schwarz drückt auf die Stimmung. Darüber hinaus ermüdet dein Publikum schneller, denn wir haben gelernt: Schwarz = Nacht = Schlafengehen. Du kannst jedoch von Zeit zu Zeit eine völlig schwarze Seite einblenden, denn dann hast du die volle Aufmerksamkeit. Nichts lenkt von dir und deiner Botschaft ab – kein Text, kein Bild, kein Lichtkegel. Auch Rot ist keine Flächenfarbe und damit für den Hintergrund ungeeignet. Rot signalisiert uns »Achtung« und ist deshalb die richtige Wahl für Überschriften, Kernbotschaften und wichtige Hinweise. Mit einem roten Pfeil lenkst du die Aufmerksamkeit deines Publikums; ein roter Rahmen zeigt an: Hier wird es wichtig. Farben können auch hilfreich sein, um deine Struktur zu vermitteln. Wenn du beispielsweise einzelnen Kapiteln verschiedene Blautöne zuordnest, erleichterst du deinem Publikum die Übersicht. Ich fühle mich immer ein bisschen verloren, wenn ich nicht weiß, wo im Text oder in der Agenda wir gerade sind – und so geht es den meisten Menschen. Eine andere Möglichkeit, für Übersicht zu
sorgen, sind Trennfolien zwischen den Kapiteln. Hier kannst du deine Gliederung nochmals vollständig zeigen und das nächste Kapitel hervorheben. Was ist sonst noch wichtig? Achte darauf, dass die Leinwand, auf der du die Präsentation zeigst, nicht in der Mitte der Bühne platziert ist. Der Mittelpunkt der Show bist du – das sollte auch optisch klar werden. Die Aufmerksamkeit gehört dir, nicht deiner Präsentation. Aus diesem Grund rate ich dir auch davon ab, Handouts und Zusammenfassungen im Vorfeld des Vortrags auszuteilen. Dir wird nur noch die Hälfte des Publikums aufmerksam zuhören.
FLIPCHART
Die analoge Alternative zu PowerPoint ist das Flipchart, das sich besonders für kleinere Runden mit bis zu 20 Zuhörern eignet. Flipcharts haben den Vorteil, dass sie unabhängig von den technischen Voraussetzungen vor Ort genutzt werden können. Das größte Plus ist jedoch das Mehr an Interaktion: Ein PowerPoint-Vortrag kann wie Frontalunterricht in der Schule wirken; mit Flipcharts kannst du spontaner reagieren, Einwände aufgreifen und plötzliche Ideen umsetzen. Zudem lässt du dein Publikum live am Entstehungsprozess von Thesen und Grafiken teilhaben. Auf diese Weise kannst du gemeinsam mit deinen Zuhörern Themen entwickeln – weshalb das Flipchart besonders bei Seminaren sehr beliebt ist. Auch beim Flipchart gilt: erst sagen, dann zeigen. Bestenfalls stehst du während des Vortrags in der Mitte der Bühne und das Flipchart aus Publikumssicht rechts von dir. Du erinnerst dich: Wir lesen von links nach rechts. Wenn du links stehst, geht der erste Blick immer zu dir. Stell dich beim Schreiben nicht direkt vor das Flipchart – dein Publikum muss sehen können, was du machst. Wie war das noch? »I Was Made For Lovin› You, Baby. You Were Made For Lovin‹ Me …« Genau, die KISS-Formel! Arbeite auch beim Flipchart mit einfachen Formen und wenig Text. Schreibe groß und deutlich; wenn deine Schrift so furchtbar ist wie meine, am besten in Druckbuchstaben. Jede Seite sollte eine aussagekräftige Überschrift haben. Diese kannst du entspannt im Vorfeld des Vortrags zu Papier bringen – das spart später Zeit. Apropos Papier: Ich empfehle dir Blankoblätter ohne Linien und Karos – es sei denn, du benötigst diese zwingend für deine Darstellungen. Warum? Die Hilfslinien lenken nur unnötig ab. Verwende ausschließlich spezielle FlipchartStifte, bei denen die Tinte nicht verläuft oder sich auf die darunterliegende Seite durchdrückt. Arbeite mit verschiedenen Farben für Überschriften, Hinweise und grafische Elemente oder um dein Thema zu strukturieren. Karten in verschiedenen Farben, Formen und Größen sorgen für zusätzliche Abwechslung und Aufmerksamkeit. Auch diese kannst du bereits zu Hause vorbereiten.
Fehlt dir die Erfahrung oder das lockere Händchen, um live eine Flipchart-Seite entstehen zu lassen, hier Trick 17: Zeichne Grafiken, Diagramme oder Ähnliches fein mit Bleistift vor. Optional kannst du auch in der unteren rechten Ecke eine kleine Vorlage »verstecken«. Dein Publikum darf die Striche allerdings nicht sehen! Bewahre um jeden Preis den »Live-Charakter« deiner Show. Aber mach dir nicht zu viele Gedanken um deine künstlerischen Fähigkeiten – du musst kein Kunststudium absolviert haben, um einfache Formen oder Strichmännchen zu zeichnen. Ein bisschen Übung schadet allerdings nicht. Als Service kannst du deinem Publikum anbieten, die Flipchart-Seiten nach dem Vortrag abzufotografieren und als PDF zu schicken. Wie arbeitet Schock-Rocker Marilyn Manson mit Flipchart? Ich hätte dir gerne ein entsprechendes Zitat geliefert; bisher habe ich leider noch keins gefunden. Aber ich reiche es nach …!
VIDEO UND AUDIO
Was gibt es noch außer PowerPoint und Flipchart? Sag jetzt bitte nicht »Overhead-Projektor«. Der war mal angesagt – kurz nach dem Krieg. Technik, die so oldschool ist, findest du enderweise eigentlich nur noch in alten Schulen. Spannender sind Musik und Soundeffekte, wenn sie dezent und klug eingesetzt werden. Über das Ohr kannst du dein Publikum emotionalisieren und in die richtige Stimmung versetzen. Liegt dir ein Zitat als O-Ton vor, nutze diesen! Wir hören zehnmal lieber eine menschliche Stimme, als dass wir einen Ausspruch lesen. Die Steigerung zum Sound sind Videos, denn hier werden zwei Sinne beschäftigt. Zum Einstieg und zur Auflockerung sind sie optimale Hilfsmittel. Filme erzählen Geschichten, nehmen uns mit und ziehen uns in ihren Bann. Nutze die Kraft des bewegten Bildes! Sowohl Audio als auch Video kannst du leicht in deine PowerPoint-Präsentation integrieren. Last but not least: Nutze handfeste Gegenstände. Wenn du über ein Produkt referierst, nimm es in die Hand und zeige es deinem Publikum. Plötzlich sind das Handy, der Hammer oder der Staubsauger greifbar und existieren nicht nur in der Theorie. Je plastischer dein Vortrag ist, desto besser.
MITTEL ZUM ZWECK
Die Frage, welche Präsentationsart zu welcher Gelegenheit t, kann nur individuell beantwortet werden – wiederum in Abhängigkeit deines Typs, der Bühne und der technischen Voraussetzungen sowie deines Publikums. Generell kann jeder Inhalt mit verschiedenen Hilfsmitteln oder ganz ohne vermittelt werden. Vergiss nie: Am Ende geht es um dich und deinen Vortrag! So viel in aller Kürze zu PowerPoint, Flipchart und Co. Wenn du in das Thema tiefer einsteigen willst, schau mal bei YouTube rein. Hier findest du viele lehrreiche Tutorials zu den verschiedensten Aspekten rund um die Präsentation mit »Hilfsmitteln«.
FAZIT KAPITEL 4: Nutze deinen Körper – mit allem, was du hast. Achte beim Stimmeinsatz auf Tempo, Tonhöhe und Lautstärke. Suche Blickkontakt, lächle, gestikuliere abwechslungsreich und gezielt, stehe fest und bewege dich bewusst. Fülle den Bühnenraum. Wähle dein Outfit mit Bedacht. Bediene dich ender visueller Hilfsmittel.
Fazit
Looking good!
5. KOMPLIKATIONEN
Stellen wir uns der Realität: Egal, wie gut du vorbereitet bist – auf der Bühne kann immer etwas schiefgehen. Die Technik versagt, deine Stimme verabschiedet sich oder du stolperst, wirfst ein Glas um und löst mit einem Kurzschluss einen Großbrand aus. Nenn es Fauxpas, Fehler, Panne, unglückliche Umstände oder einfach Pech. Shit happens. Manchmal bist du selbst schuld, manchmal nur der Leidtragende. Auf der Bühne spielt das übrigens keine Rolle: Halte dich bitte mit Schuldzuweisungen zurück. Auch wenn eindeutig »der vertrottelte Vorredner das Kabel so blöd in den Weg gelegt hat« – du darfst so etwas denken, aber niemals laut aussprechen. »Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf sich selbst.« Boom! Auch Politiker haben Punchlines! Diese ist vom dritten Bundespräsidenten der BRD, Gustav Heinemann. Mit guter Vorbereitung werden böse Überraschungen auf der Bühne unwahrscheinlicher; stell dich dennoch auf alles ein. Spiele nicht unmittelbar vor einem Auftritt alle möglichen »Krisenszenarien« im Kopf durch (das mag deine Zuversicht nicht), aber mit ein wenig zeitlichem Abstand und ganz generell solltest du ein paar Überlegungen in der Richtung anstellen. Was machst du, wenn du eigentlich zu krank für den Auftritt bist? Wie reagierst du, wenn die Leinwand plötzlich schwarz wird? Was sagst du, wenn du durch Zuschauer gestört wirst? Wenn du weißt, was im Fall X zu tun ist, verfällst du nicht in Hektik, sondern bleibst souverän und kool. Nur darum geht es! Du darfst nicht aus der Rolle fallen! Du solltest dir – egal, was iert – nur eine Nanosekunde Irritation gönnen. Im nächsten Moment tust du wieder, was nötig ist. Sei es, den Vortrag fortzusetzen oder erst mal die Sauerei wegzumachen. Entscheidend ist nie der »Fehler« – denn Fehler ieren jedem, immer und überall. Entscheidend ist einzig und allein, wie du damit umgehst. Auf diese Weise kannst du sogar von Komplikationen profitieren. Dein Publikum wird es positiv registrieren, wenn du eine kritische Situation souverän
meisterst. »Wow, der lässt sich nicht aus der Ruhe bringen!« Das stärkt deine Performance, deine Position und deine Bühnenpersönlichkeit. Anders herum kann dein Publikum in einer Sekunde den Respekt vor dir verlieren, wenn du falsch reagierst. Werde auf der Bühne niemals aggressiv, wütend, genervt, ungeduldig oder offenkundig traurig. Gene Simmons von Kiss hat recht, wenn er sagt: »Bei der Arbeit wird nicht geheult!«. Schluck den Frust runter, sammle dich und weiter geht’s. Wenn du die Bühne beherrschen willst, darfst du niemals unbeherrscht sein.
HUSTEN, WIR HABEN EIN PROBLEM
Ich kenne das Problem leider nur zu gut: Es sind nur noch wenige Tage bis zu einem Auftritt und plötzlich … hüstel, hüstel. Der Hals kratzt, die Nase läuft und der Schädel brummt – »Verdammt, ich werde krank!« Ein ordentlicher Infekt raubt uns die Power und ist Gift für eine konzentrierte und kraftvolle Performance. Die Stimme leidet, die Optik auch. Was tun? Trittst du trotzdem auf?
KRANK IST KRANK
Es gibt körperliche und seelische Zustände, die einen Auftritt unmöglich machen. Das sind die Momente, in denen du keine Wahl hast (eine 10 von 10 auf der Pain-in-the-Ass-Skala), und die Momente, in denen du quasi keine Wahl hast (eine 8 oder 9). Wenn du wirklich (also so richtig richtig) krank bist, dann gehörst du zum Arzt und/oder ins Bett. Ein Magen-Darm-Infekt, eine Grippe oder eine ausgewachsene Migräne kann dir niemand übelnehmen. Deshalb spiel nicht den Märtyrer! Wenn du keinen klaren Gedanken fassen oder dich kaum auf den Beinen halten kannst, brauchst du nicht zu überlegen, ob es vielleicht doch geht. Du solltest weder dich selbst quälen noch dein Publikum. Niemand will eine sprechende Leiche auf der Bühne sehen – das erschreckt die Kinder …! Ich weiß, ich weiß: »Das kann ich meinem Chef/meinen Kollegen/dem Veranstalter/meinen Fans/meiner Karriere nicht antun!« Oh, doch – das kannst du! Das musst du sogar, denn es ist unprofessionell, auf die Bühne zu stiefeln, wenn du die Show nicht durchstehst. Keine der Personen, die du beeindrucken willst, hat etwas davon, wenn du von der Bühne kippst. Es wird deinem Chef, dem Veranstalter und so weiter im Gegenteil negativ ausgelegt: »Warum haben Sie dieses Wrack auf die Bühne gelassen? Ist der Druck bei Ihnen so groß?« Wenn absehbar ist, dass du den Auftritt nicht absolvieren kannst, nimm umgehend mit allen Menschen Kontakt auf, die es wissen müssen. Wenn möglich, sorge für Ersatz. Es ist bis heute meine Horrorvorstellung, eine Traurede kurzfristig wegen Krankheit absagen zu müssen. Ein Gig mit der Band wäre schon schlimm, ein Vortrag bei einem Unternehmen ebenfalls, aber einem Brautpärchen sagen zu müssen, dass sie am »schönsten Tag ihres Lebens« ohne Trauredner dastehen … Bis jetzt ist es immer gut gegangen. Toi, toi, toi. Obwohl es einmal knapp war: Nur ein, zwei Stunden nach einer Traurede hat mich absolut ohne Vorwarnung ein Magen-Darm-Massaker niedergestreckt. Aber so richtig! Da ging einfach gar nichts mehr – außer die Klospülung alle paar Minuten. An diesem Tag sind mir zwei Dinge klar geworden:
Es kann dich auch mal erwischen. Du solltest darauf vorbereitet sein.
Der beste Fall ist ein Backup-Redner, eine Art Zweitbesetzung. Wenn du diese nicht selbst organisieren kannst, stelle in jedem Fall sicher, dass dein Text am Veranstaltungsort oder bei den Verantwortlichen landet. In der Firma muss dann eben ein Kollege ran. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass Traureden von Trauzeugen gehalten worden sind. Ein tröstender Gedanke! Und solange es nicht gerade eine Traurede ist: Die Welt dreht sich meist auch weiter, wenn ein Vortrag doch mal ausfällt.
THE SHOW MUST GO ON
Kommen wir nun zu einem Zustand mit einer 7 abwärts auf der (demnächst patentierten) Pain-in-the-Ass-Skala. Sagen wir, es geht dir irgendwie zwischen »Es ging schon mal besser« und »Ich weiß nicht, ob ich es heute packe«. Ich bin kein Arzt und lehne jede medizinische Verantwortung ab, doch ich rate dir in einem solchen Fall: Probiere es! Vielleicht, weil ich es ein bisschen mit Pete Townshend halte, der sagt: »Ich war ›in einem Koffer auf die Welt gekommen‹, wie man so sagt, das Kind einer Showbusiness-Familie. Ich hatte die feste Überzeugung praktisch in den Genen, dass die Show weitergehen musste, was auch immer geschah.« Das Mantra »The Show Must Go On« sollte dich nicht vom Sterbebett zurückholen; aber wenn du in einigermaßen ablem Zustand bist, kann es ein motivierender Reminder an deine Verantwortung als Entertainer sein. Und sind wir mal ehrlich: Häufig ist es nicht so schlimm, wie es sich anfühlt oder wie wir tun. Wir lassen uns auch gerne mal ein bisschen bemitleiden und bitten. Oder wir wollen zeigen, wie tough wir sind, wenn wir erst offensichtlich leiden und dann trotzdem rocken. Ich rate übrigens eindringlich davon ab, auf der Bühne den sterbenden Schwan zu geben und alle an deinem Leid teilhaben zu lassen. Manche Menschen buhlen auf diese Weise um Sympathie und wollen den Eindruck vermitteln, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind – nur um eine Ausrede parat zu haben oder sich später ein größeres Lob zu ergaunern. Finger weg von diesem Kindertrick! Wenn du auf die Bühne gehst, reiß dich zusammen! Einige nutzen den »Mir geht’s nicht so gut«-Joker auch, um eine Ausrede zu haben, gar nicht erst auf die Bühne zu müssen. Es reicht schon ein wenig Heiserkeit, die nur gefühlt, nicht mal gehört wird – und schon ist Elton John auf dem Heimweg. True Story. Phil Collins berichtet, dass er einmal Zeuge war, als Sir Elton ein Konzert wegen einer belegten Stimme absagen wollte. Wahrscheinlich hat er nur die Diva gegeben, denn schließlich ließ er sich umstimmen. Ein bisschen Heiserkeit ist für 20 000 weit gereiste und seit
Stunden wartende Fans auch keine nachvollziehbare Entschuldigung für einen Konzertausfall. Ich hatte öfter den Eindruck, dass meine Stimme bereits vor einem Gig angeschlagen war oder dass sie im Laufe der Performance den Geist aufgibt. Sie wird immer schwächer, rauer und unkontrollierter. In seltenen Fällen war bei den letzten Songs tatsächlich nur noch ein lausiges Krächzen zu hören. Manchmal habe allerdings auch nur ich gehört, dass die Stimme nicht »rundläuft«. Ich solchen Fällen bin ich nach dem Gig erst unzufrieden und dann überrascht, wenn ich realisiere, dass es für das Publikum völlig normal klang. Als Vokalist ist man sehr sensibel in Bezug auf die eigene Stimme: Man bemerkt die Nuancen, die kleinen Unterschiede in Kraft und Klang lange vor dem Publikum. Mach dir also nicht zu viele Gedanken – selbst wenn du spürst, dass deine Stimme nicht bei 100 Prozent ist.
… UND ES GEHT DOCH!
Karel Gott, »die goldene Stimme aus Prag«, sagte einst: »Das einzige Attest, das zur Absage eines Konzerts berechtigt, ist die Sterbeurkunde.« Naja, so ein Satz klingt natürlich kernig, aber wir sollten ihn nicht zu wörtlich nehmen. Wenngleich ein wenig Rockstar-Mentalität im Krankheitsfall nicht schadet. Nehmen wir Keith Richards von den Stones: »Manchmal wache ich mit 39,4 Grad Fieber auf und gehe trotzdem auf die Bühne, weil ich weiß: Ich krieg das hin, wahrscheinlich schwitze ich es einfach raus. Und meistens behalte ich recht.« Keith ist laut eigener Aussage häufig mit heftigem Fieber aufgetreten und war manchmal nach der Show geheilt. Es kam jedoch auch öfter vor, dass er hinter den Verstärker gekotzt hat. Aber hey – das ist Rock ’n‹ Roll! Als Alicia Keys während ihrer Schwangerschaft Konzerte gegeben hat, wäre es ihr beinahe ähnlich ergangen. Bei einem Gig in Lissabon überkam sie plötzlich mitten in ihrem Hit-Medley die Übelkeit und – sorry, ich muss da jetzt ins Detail gehen – das Erbrochene sammelte sich bereits in ihrer Kehle. Sie sah in die vielen glücklichen Gesichter und sagte sich: »Du wirst jetzt nicht über das ganze Klavier kotzen, Alicia!« Bei der nächstbesten Gelegenheit lehnte sie sich unauffällig zur Seite, schluckte alles herunter und atmete tief durch. Sie hatte Glück: Ihr Mageninhalt blieb, wo er war. Sogar Elton John hat – unabhängig seiner zahlreichen Fluchtversuche vor Gigs – meistens die Zähne zusammengebissen. In seinen Memoiren erinnert er sich an einen Gig, in dessen Vorfeld ihm vor Schmerzen sogar die Tränen kamen. Er quälte sich den ganzen Tag und selbst die Band schlug vor, den Gig zu canceln. Aber Elton blieb tapfer: »Ich dachte nur, wenn ich die Schmerzen ohnehin ertragen muss, würde ich lieber auf die Bühne gehen, als untätig zu Hause rumzusitzen. Also zogen wir die Show durch. Und es lief sogar einigermaßen gut.« Der letzte Satz des »Rocket Man« ist entscheidend: Unwohlsein bedeutet nicht automatisch eine schlechte Show. Denk deinen Zustand nicht größer, als er ist,
sondern konzentriere dich auf deinen Job. Dann läuft es häufig »sogar einigermaßen gut« oder besser.
ERKLÄRUNG STATT ENTSCHULDIGUNG
Wenn deine Stimme unüberhörbar angeschlagen ist und dein Publikum irritieren oder amüsieren könnte, gehe im Laufe deiner Einleitung kurz darauf ein. Bitte jedoch nicht um Entschuldigung! Schließlich kannst du nichts für deine Erkältung. Sprich es kurz an, dann ist das Thema kein Thema mehr. Ich empfehle eine Variante mit Charme und Augenzwinkern, sowas wie: »Bitte wundern Sie sich nicht, dass meine Stimme heute wie ein Reibeisen klingt. Mein Grippevirus und ich haben beschlossen, dass ich heute ein bisschen tiefer spreche. Für alle, die gerne näherkommen und sich für eine freie Woche anstecken lassen wollen – ich muss Sie enttäuschen, es besteht keine Ansteckungsgefahr mehr.« Der letzte Punkt ist wichtig, denn dein Publikum sollte weder Angst noch Ekel oder Mitleid bei deinem Anblick empfinden. Wer sich fürchten muss, durch deine Killerviren tatsächlich krank zu werden, wird sich mindestens unbewusst von dir »fernhalten«. Das wäre dann das Gegenteil eines zugewandten Publikums. Darüber hinaus signalisierst du mit dem Hinweis auf die Ansteckungsgefahr, dass du über den Berg bist und sich dein Publikum keine Sorgen machen muss, dass du gleich kollabierst. Ich erinnere mich an ein Konzert des großartigen Randy Newman in der Frankfurter Alten Oper. Der Schöpfer zahlreicher Pixar-Soundtracks (zum Beispiel Toy Story) und genialer Songs wie Political Science und Short People hatte eine heftige Erkältung. Es war wirklich unüberhörbar und klang vor allem bei einigen hohen Tönen ziemlich furchtbar. Aber niemand im Publikum hat es ihm übelgenommen. Im Gegenteil, er wurde für seinen Einsatz zusätzlich beklatscht. Und Randy hat es geschickt gemacht, indem er die Situation mit einer Tasse Tee in der Hand und einigen lustigen Sprüchen direkt zu Beginn erläutert hat. Alle hatten etwas zu lachen und volles Verständnis. So machen das also die Großen …!
SPRITZEN, TABLETTEN UND TEE
Wir halten fest: Wenn du krank bist, bleib im Bett. Wenn du dich für die Bühne entscheidest, mach das Beste daraus. Kämpf dich durch! Besteht die Gefahr, dass deine Stimme während des Auftritts vollständig versagt, schone sie bestmöglich, das heißt, verzichte auf extreme Töne oder Schreie, die den Zustand verschlimmern könnten. Die Stimmgewalt von Iron Maiden, Bruce Dickinson, vergleicht einen Vokalisten, der seine Stimme verliert, mit einem Fußballspieler, der sich das Bein bricht. Und da der Stimmapparat ein fragiles Gebilde ist, hinkt der Vergleich tatsächlich weniger als der Fußballer mit dem Gipsbein. Wer beispielsweise bei einer Kehlkopfentzündung weitersingt, riskiert seine Gesangskarriere. Wenn deine Stimme angeschlagen ist, gebe ich dir den freundschaftlichen Rat: Halt die Klappe! Schweigen hilft. Genauso wie schlafen – am besten in einem Raum ohne Klimaanlage. Trinke viel, zum Beispiel Ingwer- und Zitronentee mit einem Löffel Honig, und stärke deinen Körper mit Vitamin C. Iss Gemüse und verzichte auf Milchprodukte sowie Lebensmittel, die zu einer übermäßigen Schleimproduktion führen. Ach ja, das Rauchen würde ich – dann umso mehr – sein lassen. Um eine Erkältung im Voraus abzuwehren, haben sich bei mir ZinkBrausetablette bewährt. Die kosten in der Apotheke einen Appel und ein Ei, aber können den Schaden oft begrenzen. Wenn alles zu spät ist und ich den Auftritt auch mit angeschlagener Stimme absolvieren muss, lutsche ich in den Stunden vor der Show spezielle Halstabletten, die mir vor Jahren mal in einer Apotheke mit den Worten empfohlen wurden: »Die kaufen immer die Sänger«, und seither haben sie mir mehrfach gute Dienste geleistet. Rockstars lassen sich für ihre Shows gelegentlich »fit spritzen«, zum Beispiel mit Vitamin B12 oder dem Steroid Prednison – eine Option, die du nur in Erwägung ziehen solltest, wenn eine Absage einer mindestens mittelschweren Katastrophe gleichkommt. Bei mir ging es bislang glücklicherweise ohne »harte Drogen«, deshalb lassen wir uns von Phil Collins aufklären: »Das Steroid rettet
einem das Konzert, doch wenn man erst einmal drauf ist, bleibt man zehn Tage drauf. Außerdem hat es eine ganze Latte hübscher Nebenwirkungen: psychotische Stimmungsschwankungen, Wassereinlagerungen, Mondgesicht.« Merke: Finger weg von Prednison, wenn du nicht eine Woche lang als schlecht gelaunter Pfannkuchen rumrennen willst.
VERLETZUNGEN
Eine Erkältung ist eine Sache – mit ihr kannst du dich im Vorfeld und während des Gigs einigermaßen arrangieren. Es kann aber auch vorkommen, dass du auf der Bühne umknickst, dir den Arm verrenkst oder einen Hexenschuss bekommst. Oder du rutschst aus, knallst mit dem Kopf gegen einen Stahlträger und fällst dann über den Bühnenrand mehrere Meter in die Tiefe – wie Maiden-Gitarrist Janick Gers. Da hört der Spaß dann doch auf. Der Kollege hat auch ein paar Monate gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Auch bei Verletzungen gilt: Wenn möglich, zieh durch! Phil Collins berichtet von einem missglückten Sprung am Ende eines Songs, bei dem er sich schmerzhaft den Fuß verstauchte. Er hätte die Bühne gerne verlassen, aber er hielt durch: »Irgendetwas – Adrenalin, Kortison, Versicherungsprämien, die drohenden Konventionalstrafen bei Konzertabsagen – sorgte dafür, dass ich weiter auf Kurs blieb.«
»Wenn möglich, zieh durch!«
Merke: Verstauchung geht noch klar, gebrochenes Bein eher nicht. Wobei … Peter Gabriel berichtet, einen Gig mit gebrochenem Knöchel auf Knien zu Ende gebracht zu haben. Was lehrt uns das? Rein gar nichts! Ein wenig Schmerz musst du aushalten, aber wie viel »ein wenig« ist, entscheidest du selbst. Ich bin mal in der Nacht vor einem wichtigen Kundentermin barfuß in ein Sektglas getreten und war dennoch guter Dinge, die zweimal vierstündige Zugfahrt sowie das Meeting durchzustehen. Trugschluss! Aus dem Bett habe ich es noch geschafft, aber mit dem ersten Schritt schoss mir das Blut aus dem provisorisch angelegten Druckverband. Die Schmerzen sind das eine, aber ich habe mir vorgestellt, wie es der Kunde findet, wenn mir Blut aus dem Schuh
läuft. Deshalb bin ich lieber zum Arzt. Was übrigens goldrichtig war: Frau Doktor war mir fast etwas böse, dass ich nicht direkt in der Nacht gekommen bin, da die Wunde ein imposantes Ausmaß hatte. Der professionelle Anspruch – unter allen Umständen die Show durchziehen zu wollen – ist grundsätzlich lobenswert. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Irgendwann wird es verantwortungslos und schließlich unprofessionell. Denn ein Profi weiß, was er sich und seinem Körper zumuten kann; ein Laie überschätzt sich aus blanker Angst oder blindem Pflichtbewusstsein. Entscheide immer im Einzelfall: Geht es (weiter) oder nicht? Oder zieh Kapital aus deiner Verletzung: Als sich Bruce Dickinson 1985 vor Millionen TV-Zuschauern beim ersten »Rock in Rio« eine Platzwunde am Kopf zuzog, machte er einfach blutüberströmt weiter. Sein Manager bat ihn sogar noch, ein bisschen an der Wunde rumzudrücken, damit sie mehr blutet: »Sieht großartig aus im Fernsehen!« Kann man machen, muss man aber nicht …
MIT ANLAUF INS FETTNÄPFCHEN
Kommen wir nun zu weiteren »Komplikationen«, die nichts mit deinem Gesundheitszustand zu tun haben. Die Liste möglicher Fehltritte ist lang, weshalb ich mich in der Folge auf einige exemplarische Beispiele beschränke.
VERSPRECHER
Beginnen wir mit dem Klassiker: dem Versprecher. Wenn du aus einem »Vorstandsvorsitzenden« einen »Vorstandsfurzenden« machst, korrigiere dich. Ebenso wenn du Wörter verwechselst oder an der falschen Stelle gebrauchst. Lass Falschaussagen nicht stehen. Wiederhole das Wort korrekt oder beginne den Satz von vorne. Letzteres gilt auch, wenn du dich in einem Satz verstrickst. Sammle dich kurz und beginne erneut. Live-Aufzeichnungen ausgenommen, hast du auch bei Videointerviews jederzeit die Möglichkeit »zurückzuspulen«. Frag einfach höflich nach einem nochmaligen Beginn. In 9,5 von 10 Fällen wird dir der zweite Anlauf gewährt. Niemand hat etwas davon, wenn du dich durch eine Antwort stotterst – außer dein Gegenüber will dich bloßstellen. Die Steigerung zum Versprecher ist der totale Blackout – schau hierfür nochmal in die »Drei Tipps zum Start«.
TECHNISCHE PANNEN
Auch die beste Vorbereitung und viele Stunden Übung sind keine Garantie dafür, dass du fehlerfrei durch den Text kommst. Hast du deine Inhalte oft genug wiederholt, werden Versprecher allerdings unwahrscheinlicher. Ebenso hilft der Soundcheck dabei, Fehlerquellen zu minimieren; doch auch er kann dich nicht vor technischen Pannen schützen. In den seltensten Fällen reden wir von einem Stromausfall, denn dieser beendet eine Veranstaltung meist in Gänze. Häufiger fallen einzelne Komponenten aus: Dein Video hat keinen Ton mehr, deine Präsentation wird in der falschen Auflösung dargestellt oder der Bildschirm wird plötzlich schwarz. Was tun? Zunächst bitte dein Publikum um einen Moment Geduld: »Geben Sie uns eine Sekunde, um die Technik zum Laufen zu kriegen – es wäre schade, wenn Sie das Video nicht sehen könnten.« Dann organisiere schnellstens Hilfe. Im Normalfall wird dir der Techniker zur Seite springen. Das ist gut so, denn das ist sein Job. Wenn du wie ich kaum Ahnung von Technik hast, verfalle nicht in hektischen Aktionismus, sondern lass die Profis ran. Natürlich leidest du in diesem Moment am meisten unter der technischen Panne, aber verantwortlich für die »Reparatur« muss sich in erster Linie der Veranstalter und dessen Personal fühlen. Im besten Fall ist der Schaden in zwei Minuten behoben. Dauert es länger, musst du dich entscheiden, ob du dennoch fortfährst. Wenn du nur einen 20-MinutenSlot für deinen Vortrag hast, kannst du nicht zehn davon auf die Instandsetzung der Technik warten. Achte auch auf dein Publikum: Machen sich Unruhe oder Ärger breit, fahre fort im Text. Abbrechen solltest du wirklich nur dann, wenn dein Vortrag ohne technische Hilfsmittel keinen Sinn ergibt. Leider kannst du den neuen Werbespot auf der Großleinwand nicht präsentieren, wenn der Beamer durchgeraucht ist. Von diesen Extremfällen abgesehen, sollte dein Text allerdings auch für sich genommen stark genug sein, um die Show zu tragen. Musst du ein paar Minuten überbrücken, wende dich an dein Publikum: »Gibt es bis hierhin Fragen oder Anmerkungen?« Du kannst das bisher Gesagte auch
noch einmal resümieren oder du lenkst deine Zuhörer ab. Teile eine Anekdote, zum Beispiel von einem vorherigen Auftritt, bei dem alles schiefgegangen ist. Auf diese Weise hältst du dein Publikum bei der Stange und gewinnst Sympathien. Es sollte immer dein Ziel sein, den Kontakt zum Publikum aufrechtzuerhalten. Die Aufmerksamkeit nach einer längeren Pause zurückzugewinnen ist ungleich schwerer. An dieser Stelle noch ein Wort zu »Rückkopplungen«, auf die wir bereits in Kapitel 3 kurz zu sprechen gekommen sind. Wodurch entsteht das unangenehm laute Pfeifen, das manchmal auf Bühnen zu hören ist? Einfach ausgedrückt, nimmt das Mikrofon deine Stimme auf und die Boxen geben das Mikrofonsignal verstärkt weiter. Wird dieses Signal wiederum vom Mikrofon »aufgefangen« und nochmal an die Boxen geleitet, schaukelt es sich in einem Kreislauf immer weiter auf – bis es schließlich nur noch pfeift. »Rückkopplungen« sind meist zurückzuführen auf die Charakteristik des Mikrofons, die Ausrichtung der Boxen oder die Raumeigenschaften. Dennoch kannst du helfen, Rückkopplungen zu vermeiden: Halte das Mikrofon oben am Korb nicht zu und bewahre immer ausreichend Abstand zu den Monitorbeziehungsweise PA-Boxen. Wenn du einmal eine Rückkopplung auslöst – was soll’s. Wenn sich deine Zuhörer aber alle 30 Sekunden mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren zuhalten, werden sie irgendwann sauer.
OOPS, I DID IT AGAIN
Was kann noch auf der Bühne ieren? Du kannst stolpern oder fallen – manchmal zur Erheiterung deines Publikums. Ich gebe zu, es gibt angenehmere Vorstellungen. Wer macht sich schon gerne zum Klops vor anderen Menschen? Aber auch hier kommt es nur auf deine Reaktion an! Du solltest dich schnellstmöglich berappeln und wieder auf den Füßen stehen. Ein lockerer Spruch hilft: »Keine Sorge, ich lebe!« Wenn du selbst keine große Sache daraus machst, hat dein Publikum den Zwischenfall in zwei Minuten wieder vergessen. Ich persönlich stoße »gerne« Getränke um. Bei Gigs mit der Band habe ich meist eine Flasche Wasser oder Bier vor mir auf der Bühne stehen. An zwei von drei Abenden kicke ich im Überschwang mindestens eine davon um und flute den Boden. Für die Zuschauer ist das meist gar nicht zu sehen. Problematisch ist es eher für mich, wenn ich dann den Rest des Gigs beim Tanzen und Rumspringen aufen muss, nicht auszurutschen. Doch auch wenn jeder dein Wasserglas fallen sieht, das du mit einer energischen Handbewegung vom Rednerpult gefegt hast, gibt es keinen Grund zur Panik. Auf einen nassen Boden reagierst du bestenfalls mit trockenem Humor: »Sie sehen, dieser Punkt ist mir besonders wichtig, deshalb wollte ich ihn mit einer kleinen Showeinlage hervorheben.« Entscheide situativ, ob du einfach entspannt fortfährst oder ob du erst Ordnung machen willst/lässt.
MODEMAKEL
Scherben sind eine Sache. Dramatischer ist es, wenn dein Outfit Schaden nimmt. Wer enge Beinkleider wie Anzughosen trägt, ist gefährdet – besonders beim Bücken. Vielleicht kennst du das: Du gehst in die Hocke, um etwas aufzuheben, und plötzlich GRRRRRRR reißt deine Hose im Schritt. Fuck! Renn bitte nicht gleich panisch von der Bühne! Erwäge stattdessen deine Optionen. Zunächst ist die Frage, ob der Riss in deiner Hose überhaupt zu sehen ist. Denn meistens ist das nicht der Fall. Zumal du normalerweise frontal vor deinem Publikum stehst. In neun von zehn Fällen kannst du einfach fortfahren. Wenn du unsicher bist, ob nun deine rote Unterwäsche hervorlugt, entschuldige dich kurz und bitte hinter der Bühne jemanden um einen prüfenden Blick. Du hast leider nicht die Zeit, das Loch zu stopfen – das wäre nur eine Option, wenn die Hose vor dem Auftritt reißt. Die Vollprofis schreiben deshalb auf ihre Checkliste zum Mitnehmen neben Wechselklamotten auch Nadel und Faden. Die Zeit sollte allerdings meistens reichen, um schnell in die Wechselhose zu springen. Deinem Publikum kannst du die neue Hose mit einem lockeren Spruch erklären: »Meine Damen und Herren, ich wollte Sie nicht mit meiner Unterwäsche ablenken, deshalb habe ich doch lieber die Hose gewechselt.« Mit Kleinigkeiten wie einem abgesprungenen Knopf solltest du im Normalfall leben. Dein Publikum sitzt einige Meter von dir entfernt, demnach wird es kaum oder gar nicht auffallen. Generell gilt: Behalte deine gute Laune! Sich zu ärgern, wenn etwas schiefläuft, bringt dich nicht weiter. Dein Umgang mit einer Panne verrät deinem Publikum, wie du wirklich bist; und ein Wutanfall outet dich als labilen Choleriker. Das Gegenteil von kool und souverän. Häufig ist der »Human Factor« sogar hilfreich. Menschen mögen, wenn es menschelt. Wenn du für Gelächter sorgst, lach am besten mit. Auf diese Weise stellst du dich auf die Seite deiner Zuhörer und amüsierst dich über die Situation. Das ist etwas ganz anderes, als wenn du verlegen deinen Fauxpas betrauerst und das Publikum sich über den unbeholfenen Deppen da vorne lustig macht.
SORRY!?
Ebenso wie für den Krankheitsfall gilt auch hier: Entschuldige dich nicht. Natürlich ist ein kurzes »Sorry, das Glas stand in meinem toten Winkel« erlaubt. Aber wiederhole nicht zehnmal, wie leid es dir tut. Du schwächst dich damit. Es ist vor allem davon abzuraten, einen Vortrag mit einer Entschuldigung zu beginnen. Denn Entschuldigungen sind eine Art Alarmzeichen und lösen negative Erwartungen aus. Dein Publikum kann nichts Gutes erwarten, wenn die ersten Worte aus deinem Mund sind »Ich möchte mich zunächst dafür entschuldigen, dass …« Im Übrigen ist jede Art von Entschuldigung für den Umstand verboten, dass du dich unsicher fühlst oder nicht ausreichend vorbereitet bist. Ich teile nicht die landläufige Meinung, dass es »sympathisch« wirkt, wenn man seine Unsicherheit offen kommuniziert. Einige haben die Hoffnung, die Zuschauer hätten dann ähnlich wie Sportfans das Gefühl, ihren Helden mit ihrer Unterstützung zum Sieg zu tragen. So kann es laufen, muss es aber nicht. Dein Publikum kann deine offensichtlich mangelhafte Vorbereitung auch als Beleidigung empfinden und sich zu Recht fragen: Wenn er nicht vorbereitet ist, warum verschwendet er dann unsere Zeit? Zieh in einem solchen Fall einfach durch und stoß deine Zuhörer nicht gleich mit der Nase auf deine Schwächen. Sonst warten alle nur auf Fehler. Und vielleicht läuft es ja gut, du bleibst fehlerfrei und die Entschuldigung ist ohnehin überflüssig. Gehe positiv ran und rede die Fehler nicht noch herbei.
EINER DIESER TAGE
Und schließlich: Finde dich damit ab, dass es rabenschwarze Tage gibt. Manchmal läuft es einfach schlecht. Selbst Superstars wie Phil Collins kennen diese Tage. In seiner Autobiografie lässt er den 13. Juli 1985 Revue ieren – die große Show bei »Live Aid«, bei der auch Freddie Mercury zugegen war. Phil Collins trat als einziger Künstler bei beiden Konzerten auf, erst im Londoner Wembley-Stadion und einen Concorde-Flug später im John-F.-Kennedy-Stadion in Philadelphia. Es ging schon schlecht los, als er Sting bei Every Breath You Take begleiten sollte. Kurz vor der Show sagt ihm Sting noch ganz lässig, dass er manchmal den Text etwas durcheinanderbringt. Und was iert? Während Phil sich an den Wortlaut des Textblatts hält, improvisiert Sting und schmeißt die Zeilen durcheinander. »Derweil kommen die Rufe aus dem Publikum: ›Halt die Klappe, Collins, verdammt nochmal! Du singst den falschen Text! Du hättest proben sollen!‹« Als Phil später sein eigenes Set spielt, wird es nicht besser. Da es ein heißer Tag in London ist, herrscht auf der Bühne eine sengende Hitze. Phil schwitzt extrem und einer seiner Schweißfinger rutscht bei Against All Odds von der Klaviertaste. »Es ist ein grober Schnitzer, und ich kann fast spüren, wie die 80 000 Zuschauer in Wembley zusammenzucken.« Autsch! Weiter geht es für Phil in die Staaten. Hier hat er die große Ehre, Led Zeppelin bei einem Comeback-Gig als Schlagzeuger zu unterstützen. Für Proben blieb nicht viel Zeit – und offenbar war das auch zu hören. Die Jungs waren einfach nicht eingespielt. Phil ist froh, als es vorbei ist. »Mein Gott, war das entsetzlich.« So entsetzlich, dass Led Zeppelin die Genehmigung verweigern, den Auftritt auf der offiziellen Live-Aid-DVD zu veröffentlichen. Und wer hat Schuld? Phil muss feststellen, dass man vor allem ihn für den missglückten Gig verantwortlich macht. »Es kann ja nicht sein, dass die heiligen Led Zeppelin etwas verbockt haben. Es war dieser Typ, der mit der Concorde herkam und nicht vorbereitet war. Er war der Schuldige. Dieser Angeber.« Du siehst: Auch Rockstars sind nicht vor Reinfällen und schlechten Tagen
gefeit! Wenn du so einen Tag erwischst – ein Fettnäpfchen nach dem anderen mitnimmst oder wirkst wie ein Elefant, der mit Ming-Vasen jongliert –, kannst du nicht viel dagegen tun. Was ist, ist. Akzeptiere es, ziehe die richtigen Schlüsse daraus, und beim nächsten Mal läuft es wieder besser.
EINE ODE AN DAS SELBSTVERTRAUEN
»Der wichtigste Baustein auf dem Weg zur Popularität lässt sich auf einen Charakterzug reduzieren: das Selbstvertrauen. Es ist weder genetisch fixiert noch vererbbar und auch nicht zu kaufen. Aber man kann es erlernen, und es ist zu 100 Prozent essentiell für den Erfolg«, sagt Gene Simmons. Auch in diesem Punkt kann ich dem Kiss-Bassisten nicht widersprechen. »Erfolg« ist natürlich relativ. Für unseren Zusammenhang können wir ihn als den kurzfristigen Erfolg auf der Bühne verstehen, wenn der Auftritt läuft wie gewünscht, aber auch als langfristigen Erfolg, wenn du dich mit deiner Bühnenpersönlichkeit etablierst. Du musst keine »Popularität« anstreben wie Paul Stanley und Gene Simmons von Kiss, aber du solltest immer eine maximal gute Performance zum Ziel haben. Ohne Selbstvertrauen wirst du dieses Ziel nicht erreichen. Wenn du im Vorfeld alles für eine perfekte Show getan hast (Vorbereitung!), vertrau dir auf der Bühne. Sei stets lösungs-, nicht problemorientiert. Denke immer positiv und glaube felsenfest an deinen Erfolg. Dieses Denken verleiht nicht nur deiner Bühnenpersönlichkeit mehr Stärke und Strahlkraft; du benötigst das Zutrauen in deine Fähigkeiten auch, um deine Leistung zu 100 Prozent abzurufen. Wer hadert, gerät ins Stocken. Wer zögert, bremst sich aus. Selbstvertrauen wird von außen leider manchmal mit Überheblichkeit verwechselt. Entscheidend ist, dass du den Unterschied kennst. James Brown hat ihn gekannt und stets betont, dass er sich nicht für etwas Besseres hält. Doch er wusste auch, dass er an sich glauben musste, um sein Ziel zu erreichen: »Die Leute sagen mir nach, ich hätte ein übergroßes Ego, aber ich musste ein solches Ego haben, um zunächst einmal überhaupt etwas aus mir zu machen.« Und dieses Ego ist es auch, dass ihn immer weiter antrieb – von Gig zu Gig, von Hit zu Hit, von Erfolg zu Erfolg. Auch Miles Davis sagte ohne falsche Bescheidenheit: »Ich glaube wirklich an
mich selbst, an meine Fähigkeit, in der Musik etwas zu bewegen. Ich denke nie daran, etwas nicht zu schaffen, vor allem nicht in der Musik.« Wie sprichst du von und zu dir? Mach es gerne wie ein Boxer vor dem Kampf und sag dir: »Wer ist der Champ? Du bist der Champ! Du bist die Nummer eins!« Aber vergiss im Überschwang bitte nicht, dass sich all das nur in deinem Kopf abspielt. Du solltest nicht im Superman-Shirt aller Welt erzählen, was für ein toller Typ du bist und wie du es draufhast. Dritten gegenüber solltest du nur aufen, dich nicht kleinzureden. »Ich habe mich gut vorbereitet und hoffe, dass die Show gut läuft.« All said. Im Umkehrschluss gilt: Rede dir bitte nicht ein, dass du ein Versager, Tollpatsch oder Pechvogel bist, denn das sind sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Eine solche Einstellung zeigt nur, dass es dir an Selbstbewusstsein mangelt und du dir ein Alibi verschaffen willst. Wenn du dir einredest »Ich bin halt so«, willst du nur einen Vorwand für den Fall, dass etwas danebengeht. Egal, wie du es rahmst – du bekommst kein Alibi. Was du allerdings bekommst, ist ein Kopf gefüllt mit negativen Gedanken. Und Gedanken haben die Tendenz, sich in der physischen Welt zu materialisieren. Du erhöhst mit dieser Denkweise die Wahrscheinlichkeit von Fehlern auf der Bühne. Vertraue darauf, dass du richtig handelst, auch wenn die Show nicht nach Plan verläuft. Du hast dir bereits Gedanken gemacht, was du bei einem Fauxpas machen und sagen kannst – also ruhig Blut. Der Rest ergibt sich in der Situation. Wenn du von Haus aus mit einem gesunden Ego ausgestattet bist, wird es dir leichter fallen, die Ruhe zu bewahren und positiv zu denken. Doch auch wenn du anders tickst, ist das möglich. Es mag viele Menschen überraschen, wenn Rammsteins Frontmann Till Lindemann im Interview preisgibt: »Ich mag das nicht, wenn ich angeguckt werde. Ich versuche, das nicht zu registrieren. Ich vermeide das irgendwie.« Ein Bär von einem Mann, der zu brachialen Gitarrenriffs noch härtere Texte über Gewalt und Sex schreibt, der gerne im brennenden Mantel vor seinem Publikum steht – ja, auch er hat Ängste und Unsicherheiten. Es sollte uns nicht überraschen. Denn auch er ist – mach dich gefasst – nur ein Mensch, der seinem Job nachgeht. Und das übrigens außergewöhnlich gut. Bei Michael Jackson überrascht uns ein solches Bekenntnis weniger: »Ich bin ein schüchterner Mensch. Es stimmt. Ich mag es nicht, Interviews zu geben oder
in Talkshows aufzutreten.« Dennoch ist es faszinierend zu sehen, was für eine Show dieser »schüchterne Mensch« dann auf der Bühne abgeliefert hat. Seine Präsenz und seine Energie waren einzigartig. Off stage war er zurückhaltend, aber on stage war er eine Maschine. Weshalb ist das so? Ein Teil der Antwort ist mit Sicherheit sein Selbstvertrauen. Das Vertrauen in seine Arbeit, seine Kunst und den Erfolg, der sich damit einstellt: »Wenn ich ein Projekt beginne, glaube ich 100-prozentig daran. Ich lege mein ganzes Herz hinein. Ich würde sterben dafür. So bin ich eben.« Noch bevor die Arbeiten am legendären Thriller-Album begonnen haben, verkündete MJ, dass er das meistverkaufte Album aller Zeiten produzieren will. Gesagt, getan – und das trotz seiner Schüchternheit. »Die Leute sehen einfach nicht, was ich sehe. Sie haben zu viele Zweifel. Man kann nicht sein Bestes geben, wenn man an sich selbst zweifelt. Wenn man nicht selbst an sich glaubt, wer dann?« Du solltest nicht nur dein erster Kritiker sein, sondern auch dein erster Fan. Es ist nichts falsch daran, die Qualität der eigenen Arbeit anzuerkennen. Gönn dir auch kurze Momente der Zufriedenheit und des Stolzes. »Ja, das habe ich gemacht!« Im nächsten Moment solltest du den Fokus allerdings wieder auf das anstehende Projekt richten. Es gilt, sich weiter zu verbessern. Mit dieser Einstellung – und dem Wissen, dass es wie immer im Leben ein Quäntchen Glück braucht – steht deinem Erfolg nichts mehr im Weg. Also, rauf auf die Bühne!
FAZIT KAPITEL 5: Stell dich auf mögliche Komplikationen ein, denn es geht selten alles gut. Entscheidend ist die souveräne Reaktion. Bei Krankheit bist du entschuldigt – ohne Wenn und Aber. Siehst du die Möglichkeit, den Auftritt auch angeschlagen zu realisieren, probiere es. Wenn du auf der Bühne stehst, musst du dich allerdings zusammenreißen und durchziehen. Kommt es zu Pannen oder Fehlern, löse die Situation und bleib dabei kool. Tritt selbstbewusst auf und verzichte weitestgehend auf Entschuldigungen.
Fazit
Don’t worry, be happy!
6. AUF FRAGEN, KRITIK UND BULLSHIT REAGIEREN
WAS BISHER GESCHAH: Dein Text steht, du bist gut vorbereitet, du hast dein Lampenfieber im Griff, du enterst die Bühne und überzeugst das Publikum mit deinem Text, deiner Stimme und deinem Körper. Dein souveräner Auftritt wird nicht einmal von kurzzeitigen Tonproblemen deines Laptops beeinträchtigt. Doch plötzlich erhebt ein Zuhörer die Stimme: »Das ist ja alles schön und gut! Aber ich habe kürzlich eine Studie gelesen, die zu völlig anderen Ergebnissen kommt. Ich habe fast den Eindruck, Sie wollen uns hier für dumm verkaufen!« Wow, das hat gesessen! Die entspannte Atmosphäre ist dahin. Du wurdest angegriffen! Alle Augen richten sich auf dich. Wie wirst du zurückschlagen? Ignorierst du den unhöflichen Einwurf und machst weiter, als wäre nichts iert? Weist du die Security an, den Störenfried aus dem Saal zu schleifen? Oder springst du ihm direkt selbst an die Kehle? Das würde ich mir an deiner Stelle zwei Mal überlegen. Es muss nicht an dir oder der Technik liegen, dass ein Auftritt zur Herausforderung wird – auch das Publikum kann schwierig sein. Nicht jeder teilt deine Ansichten, nicht alle verstehen dich und nicht alle lieben dich. Manche Menschen sitzen zwar im Zuschauerraum, wünschen sich aber insgeheim selbst auf die Bühne und versuchen deshalb, dir die Show zu stehlen. Wieder andere sehen sich als die »wahren Experten« und müssen manche Dinge einfach besser wissen. Und nicht zuletzt gibt es in einem Publikum von 100 Personen rein statistisch auch mindestens ein bis zwei charakterlich fragwürdige Menschen, kurz: Arschlöcher. Im Normalfall richtet sich aufkommende Kritik gegen deine Inhalte. Ich habe es zumindest noch nicht erlebt, dass sich jemand aus dem Publikum darüber beschwert, wie der Redner gestikuliert oder welche Krawatte er zu seinem Anzug trägt. Von nachweislich falschen Daten und Fakten abgesehen, gibt es allerdings immer Interpretationsspielraum. Du solltest auf der Bühne klare Standpunkte vertreten und eine Meinung haben. Diese Meinung wird natürlich nicht von allen Anwesenden geteilt. Sei deshalb darauf gefasst, deine Sicht der
Dinge zu verteidigen – und zwar charmant und höflich. Gehe nie davon aus, dass deine Sichtweise die einzige ist. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit verschiedenen Optionen, wie du auf schwierige Fragen, Kritik, Provokationen und Beleidigungen reagieren kannst.
GEBEN UND NEHMEN
Bevor wir ans Eingemachte gehen, möchte ich gerne einige Gedanken zur Grundsituation auf der Bühne loswerden – nur damit es keine Missverständnisse gibt. Ja, dein Publikum kann fies sein, aber du hast es zu großen Teilen selbst in der Hand, wie man dir begegnet. Ich könnte jetzt was von Wäldern erzählen, in die man hineinruft, aber die beliebte Rock ’n‹ Roll-Legende Jerry Lee Lewis drückt es viel schöner aus: »Du bekommst nur die Liebe, die du gibst.« Wenn dir »Liebe« zu viel ist, ersetze das Wort durch »Energie«, »Motivation« oder »Wohlwollen«. »Wenn du dein Publikum erreichst, hat es funktioniert. Was du nicht spürst, spürt dein Publikum auch nicht«, sagt der weise Carlos Santana. Zwischen dir und deinem Publikum findet ein kommunikativer Austausch statt, den du als zentrale Figur entscheidend bestimmst. Verstehe dich als Gastgeber – wenn du eine Party schmeißt, möchtest du, dass sich deine Gäste wohlfühlen. Denke und fühle dich in dein Publikum ein. Es kann nicht nur darum gehen, deine Show durchzuziehen; du musst auf die Bedürfnisse deines Publikums achten. Wenn du beispielsweise als letzter Redner eines langen Konferenztages 150 abgekämpfte Zuhörer vor dir hast, zeig Verständnis: »Ich kann mir vorstellen, nach all diesen intensiven Vorträgen qualmt Ihnen der Kopf genauso wie mir. Ich möchte Sie jedoch dazu ermuntern, die Sinne noch ein letztes Mal zu schärfen – es lohnt sich …«
GEBEN
Atme die Stimmung im Raum ein und schaffe darauf aufbauend eine Atmosphäre, in der sich dein Publikum wohlfühlt. Ein Gastgeber verbindet, bringt seinen Gästen Wärme entgegen und vermittelt den Eindruck, mit ihnen auf einer Wellenlänge zu liegen. Tina Turner erinnert sich, welchen Rat sie der Musical-Darstellerin gab, die sie verkörpern sollte: »[…] die wichtigste Lektion, die ich ihr beibringen konnte, war, immer an ihr Publikum zu denken – sich auf das zu konzentrieren, was es fühlt. […] Ich sagte ihr, sie müsse ihren Enthusiasmus nehmen und ihn ihnen gleich wieder zurückgeben, wie ein Geschenk.« Was kannst du deinem Publikum neben schlauen Inhalten und Energie geben? Zum Beispiel deine Aufmerksamkeit. Wenn du auf deine Zuhörer, deren Erwartungen oder Bemerkungen eingehst, bindest du sie stärker in deinen Vortrag ein. Nimm dein Publikum mit und referiere nicht vom Elfenbeinturm herunter. Lass deshalb immer Fragen zu – am Ende deines Vortrags. Andernfalls werdet ihr, du und dein Erzählfluss, ständig unterbrochen. Gib Anlass zur Freude! In Kapitel 2 haben wir uns bereits mit der wichtigen Rolle des Humors beschäftigt: Bau Lacher ein oder mindestens Stellen zum Schmunzeln. Es macht einfach mehr Spaß, gute Laune zu haben. Humor macht jede Show kurzweiliger. Zudem schadet es nicht, sympathisch zu wirken. Ein wichtiger Punkt!
SYMPATHIE
Andersherum gilt auch: Es hilft, wenn du nicht wie ein arroganter Snob oder eine aufgeblasene Diva rüberkommst. Du bist auf Augenhöhe mit deinem Publikum, dem Veranstalter, den Technikern und auch den Reinigungskräften. Egal, wie gefragt, beliebt oder erfolgreich du bist – du bist keinen Deut mehr wert als jeder andere im Raum, also verhalte dich entsprechend. Bleib bescheiden, demütig und dankbar. Warum? Weil sich das so gehört! Zudem wirkst du auf diese Weise sympathisch und sammelst Punkte für dein KarmaKonto. Selbstbewusstsein ist förderlich, Überheblichkeit nicht. Viele Stars treiben Konzertveranstalter beispielsweise mit wenig bescheidenen Sonderwünschen in den Wahnsinn: Jennifer Lopez tritt nur auf, wenn ihre Garderobe komplett weiß eingerichtet und exakt 25,5 Grad warm ist. Lady Gagas Backstage-Bereich muss mit Silberfolie verkleidet werden und mit Postern ihrer musikalischen Helden David Bowie, Elton John und Billy Holiday geschmückt sein. Ihre Handtücher müssen nach Lavendel duften und sie braucht natürlich ein Sauerstoffzelt. Justin Bieber wünscht sich schon mal einen Helikopter und täglich fünf frisch zubereitete Menüs, die nach seinen erfolgreichsten Songs benannt sind. Dagegen ist Rapper 50 Cent richtig bescheiden: Auf seiner Wunschliste stehen 24 Krabbencocktails und 100 Kondome. Klingt für mich alles in allem nach völlig normalen Wünschen … wenn man ein egozentrischer Freak ist. Du solltest dir lieber Tina Turner zum Vorbild nehmen, die nicht mal ein eigenes Zimmer verlangt. Sie möchte weder auffallen noch bevorzugt behandelt werden. Man kann also auch normal bleiben, wenn man ein paar Millionen Platten verkauft hat. Das ist sympathisch! Du solltest nicht nur auf, sondern immer auch abseits der Bühne professionell und nett auftreten. Für die Gesamtwirkung ist dein Verhalten vor und nach dem Auftritt ebenfalls essenziell. Es gibt Rockstars, die ihre Fans vor dem Gig keines Blickes würdigen, jeden Autogramm- oder Selfie-Wunsch harsch zurückweisen, doch on stage dann wie auf Knopfdruck den Prinz Charming geben. Das bringt keine Sympathiepunkte! Genauso gibt es Redner, die auf der Bühne mit Eloquenz glänzen, doch im entspannten Smalltalk unbeholfen oder bemüht
wirken. Wenn du dich nicht auf deine Spontanität verlassen möchtest, leg dir ein paar Sätze zurecht – auch für die Momente abseits der Bühne. Ein Beispiel: Ich hatte häufiger das Vergnügen von Geschäftsterminen mit englischsprachigen Kollegen. Mein Englisch ist ganz vernünftig, vor allem bei Vorträgen, die ich vorbereiten kann. Im Smalltalk fehlt mir allerdings die Routine, sodass ich stets Bedenken hatte, ob ich mein professionelles Bild in diesen Situationen aufrechterhalten kann. Aus diesem Grund habe ich mir mögliche Gesprächsverläufe vorab überlegt, ins Englische übersetzt und auswendig gelernt. Im Dialog konnte ich immer einige Sätze gut unterbringen und mich mit dem Gedanken beruhigen, dass ich – selbst wenn meine englische Zunge nicht so will – immerhin einige gerade Sätze von mir gebe. Auch im Deutschen kannst du dir ein paar Sätze oder Fragen zurechtlegen, die du situativ einbringst. Egal, ob »vorgedacht« oder Freestyle, zeig dich rund um deinen Auftritt offen und gesprächsbereit. Die Art, wie du mit Verantwortlichen und Gästen sprichst, gibt viel über dich preis. Zeigst du Respekt oder wirkst du überheblich? Bist du herzlich und offen oder zickig und verschlossen? Und nicht zuletzt: Bist du ein Profi durch und durch oder doch ein Blender, der nur im Rahmen seines Vortrags funktioniert? Für mich ist das vergleichbar mit den Ansagen zwischen Songs bei Konzerten. Man könnte meinen, die sind nicht so wichtig. Es geht ja um die Lieder und nicht die paar Sätze dazwischen. Falsch! Auch die Ansagen prägen eine Show und sind entscheidend für die Wahrnehmung der Bühnenpersönlichkeit. Besonders bei weniger erfahrenen Bands habe ich es oft erlebt: Das Konzert läuft, die Songs sind klasse, die Band wirkt sicher und professionell – doch dann kommt eine verschüchterte, halb vernuschelte und inhaltlich nichtige Ansage, die zum nächsten Lied überleiten soll. Meine Illusion ist zerstört! Das sind ja gar keine Rockstars, sondern nur vier Buben, die Instrumente halten können …! Es ist erstaunlich, wie viele Musiker bei den Ansagen schwächeln. Meistens, weil sie sich im Vorfeld zu wenige Gedanken darüber machen. Ich bin schon vor Jahren dazu übergegangen, für Gigs nicht nur die Songtexte, sondern auch die Ansagen auswendig zu lernen. Ich behalte mir auf der Bühne vor, spontan zu reagieren und in die Ansage auch immer das Geschehen vor Ort mit einzubauen. Theoretisch habe ich jedoch für jedes Lied ein paar funktionierende Zeilen parat. Sei es ein Dialog mit dem Publikum, eine Anekdote zur Entstehung des Songs
oder unterhaltsamer Nonsens. Alles ist besser, als 20 Mal am Abend zu hören: »Das nächste Lied heißt …« Nach meinem Verständnis ist der Act immer in der Bringschuld. Ich kann nicht erwarten, dass mich das Publikum hofiert – nicht nach dem Auftritt und schon gar nicht davor. Junge Bands müssen sich ihre Fans »erspielen«, und auch du musst dein Publikum erst erobern, auf und abseits der Bühne. Du musst liefern! Wenn du Glück hast, wird deine gute Leistung honoriert. James Brown drückt es so aus: »Wenn man da oben steht, ist das Publikum, das Eintritt bezahlt hat, der Boss, auch wenn es sie nur einen Vierteldollar gekostet hat. Man arbeitet für sie.«
VERSTÄNDNIS
Ich habe schon oft erlebt, dass Musiker und Redner auf der Bühne geradezu gekränkt reagieren, wenn ihnen nicht das Maß an Aufmerksamkeit zuteilwird, das sie ihrer Meinung nach verdienen. Das grenzt an Majestätsbeleidigung! Es kann vorkommen, dass deine Zuschauer desinteressiert sind, mit dem Handy rumspielen oder dir den Rücken zukehren. So what?! Lass dich nicht beirren! Wir sind nicht in der Schule – hier ist keiner zum Zuhören gezwungen. Wenn sich Sitznachbarn während deines Vortrags in ein entspanntes Gespräch vertiefen, wäge ab, ob andere Zuhörer davon gestört werden. Wenn dem so ist, hast du jedes Recht einzuschreiten. Meist endet das Gespräch abrupt, wenn du die betreffenden Personen in das Geschehen auf der Bühne einbindest: »Die zwei Herren in der dritten Reihe: Haben Sie einen Gedanken zum Thema beizutragen?« Oder du machst es auf die freundlich-tückische Art: »Die zwei flüsternden Damen in der dritten Reihe: Wenn Sie wirklich wollen, dass man Sie nicht hört, müssen Sie noch ein klein wenig leiser sprechen.« Eine elegante Watschn. Lass dich von einer kurzfristigen Störung des Publikums nicht aus dem Konzept bringen. Mach positiv und ruhig weiter. Du solltest auch nicht zu viel in die Blicke deiner Zuschauer hineindeuten: Manchmal sehen sie gelangweilt oder ablehnend aus, sind aber eigentlich nur konzentriert. Ich habe es öfter erlebt, dass ich erst dachte »Oh Mann, so wie die gucken, haben die gar keinen Bock!«; und schlussendlich hat mich ein donnernder Applaus eines Besseren belehrt.
MITEINANDER
Wenn es richtig gut läuft, gibt es eine Wechselwirkung zwischen dir und dem Publikum. Du gibst Energie und bekommst Energie zurück. Dann macht der Auftritt am meisten Spaß. Tina Turner beschreibt diesen Zustand wie folgt: »Eines meiner größten Vergnügen war es, die Menge so sehr zu genießen wie sie mich. Man tanzt anders, wenn man sich amüsiert. Das hat mich motiviert.« Bring dein Publikum in Bestform, dann pusht es dich ebenfalls zu Höchstleistungen. Auf diese Weise schaukeln sich beide Seiten gegenseitig hoch. Keith Richards hat die Erfahrung oft gemacht: »Bei jeder Show legt Mick etwa 15 Kilometer zurück, ich ungefähr die Hälfte und das mit Gitarre um den Hals – völlig unmöglich ohne die Energie des Publikums.« Sprich deine Zuhörer direkt an, stelle Fragen und fordere auf. Anders ausgedrückt: Animiere dein Publikum zum Mitmachen. Du kennst das von Konzerten: »Put ya hands in the air, now scream!« Die Zuschauer rufen, singen oder klatschen, springen, machen eine Laola oder halten Handylampen in die Luft. Zugegeben, nicht alles lässt sich in die Business-Welt übertragen, aber auch hier kannst du mit dem Publikum spielen. Starte beispielsweise eine kleine Umfrage: »Bitte ein kurzes Handzeichen: Wer von Ihnen kennt das Problem?« Oder lass dein Publikum aufstehen und stell dann Ja-oder-Nein-Fragen: »Arbeiten Sie bereits länger als ein Jahr in Ihrem Unternehmen? Wenn ja, bleiben Sie stehen, wenn nein, dürfen Sie sich setzen.« Dann fährst du fort: »Wer ist mehr als fünf Jahre für das Unternehmen tätig?« Und so weiter. Je nach Rahmen kannst du auch das klassische Call-and-Response nutzen: »Seid ihr gut drauf?«, »Jaaaaa!«, »Ich kann euch nicht hören – seid ihr gut drauf?«, »Jaaaaaaaa!«. Das interaktive und dialogische Prinzip aktiviert das Publikum und bezieht es ins Geschehen ein. Motivationstrainer lieben die Nummer. Wer mal einen Gospelgottesdienst gesehen hat, weiß ebenfalls um die mächtige Wirkung des Call-and-Response – Gebt mir ein Amen! »Amen!«
Publikumsanimation setzt deinerseits eine eindeutige Kommunikation voraus: klar im Inhalt, klar in der Stimme, klar im Körper. Lass keine Missverständnisse aufkommen! Wer zu zaghaft auffordert, bekommt schwache oder gar keine Reaktionen. Wie viel Feuer kannst du entfachen, wenn du die Frage »Are you ready to rock?« schüchtern bis ängstlich stellst, mit zerbrechlicher Stimme und verlegenem Blick auf den Boden? Trau dich! Nur wenn du aus dir rausgehst, macht dein Publikum das auch. Häufig müssen deine Zuhörer erst ein wenig warm werden – mit dir, deinem Inhalt und dem Gedanken, sich beteiligen zu müssen, anstatt gemütlich zu dösen. Lass dich deshalb nicht entmutigen, wenn deine erste Aufforderung unbeantwortet bleibt. Bleib dran! »Ich kann euch nicht hören! Are you ready to rock?« Die Erfahrung lehrt: Je mehr Menschen dein Publikum zählt, desto besser funktioniert das Ganze. In der Masse fühlen wir uns unbeobachtet und haben weniger Probleme damit, quer durch den Raum zu brüllen. Wenn die Stimmung oder die Gegebenheiten nicht danach sind oder wenn dein Publikum partout nicht mitmachen möchte, arbeite dich nicht ab. Mach zwei, drei Anläufe – mehr nicht. Sonst wird es peinlich. Du kannst auffordern, auch bitten, aber niemals betteln. Eine Reaktion lässt sich nicht immer erzwingen. Ein ganz praktischer Fall: Ich habe bei Konzerten immer auf eine Laola verzichtet, wenn zu wenig Leute vor der Bühne standen. Denn das hätte erstens nicht funktioniert, zweitens traurig ausgesehen und drittens in den wenigen anwesenden Zuschauern die Frage verstärken können: »Warum bin ich der einzige Idiot, der hier hingekommen ist?«
NEHMEN
Wenn dich das Publikum mit Applaus belohnt, nimm die Belohnung an! Alles andere wäre unhöflich. Oder lehnst du üblicherweise Geschenke ab? Das Publikum möchte dir etwas zurückgeben, und es ist wichtig, dass du die Anerkennung mit deinem Dank retournierst. Zeige deine Wertschätzung, indem du dich aufrichtig bedankst. Bitte verzichte dabei auf Floskeln wie »Ihr wart ein großartiges Publikum«. Das kannst du authentischer! Bedanke dich erst, wenn der Applaus seinen Höhepunkt überschritten hat – dann hört man dich besser und das Publikum ist aufmerksamer. Es ist nicht verboten, den Applaus zu genießen. Das ist dein Lohn für viel harte Arbeit! Hör genau hin und schau in die zufriedenen Gesichter. Diesen kurzen Moment der Befriedigung und des Glücks solltest du dir immer gönnen. Du hast ihn verdient. Der Vortrag ist vorbei, der Applaus ebbt langsam ab, du fühlst dich gut. »Kommen wir zu Ihren Fragen!« Was iert nun, wenn du mit einer unangenehmen Frage konfrontiert wirst? Hast du vorher eine souveräne und charmante Vorstellung geboten, ist das Publikum erst einmal auf deiner Seite. Das ist wichtig, denn du brauchst ein wenig Kredit, wenn du oder deine Inhalte infrage gestellt werden. Du solltest dich jedoch nicht nur auf deine Spontanität verlassen – der Umgang mit schwierigen Fragen und Provokationen erfordert Übung.
FAQ
Ich bekenne freimütig: Ja, es macht mir Spaß, Menschen zu quälen! Sie stottern, schwitzen und leiden zu sehen. Sie in Verlegenheit, aus der Fassung oder auf die Palme zu bringen. Okay, bevor du dich gleich angewidert abwendest, sollte ich ergänzen, dass diese minimal sadistische Ader nur in meiner Funktion als Medientrainer zum Vorschein kommt und wohl eher eine kindliche Freude am Spiel ist. Muhahahar …! Als Medientrainer coache ich Chefs, Vorstände und Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen in Vorbereitung auf Interviews und mediale Auftritte. Ich imitiere dabei den nervigen Journalisten und löchere mein Gegenüber mit mal mehr, mal weniger anspruchsvollen Fragen. Im Anschluss schauen wir uns das Interview im Video an und analysieren gemeinsam, was gut war und was nicht. Im Fokus stehen der Inhalt, der Stimmeinsatz und die Körpersprache. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell sich selbst gestandene Kommunikationsprofis durch einzelne Fragen aus dem Konzept kegeln lassen. Eigentlich braucht es dafür nicht einmal Worte: Es genügt, eine Frage zu stellen, die Antwort abzuwarten und dann zu schweigen. Mein Gegenüber weiß nicht, was los ist; er fühlt sich aber durch die quälende Stille aufgefordert weiterzusprechen. Häufig ist das der Moment, in dem er Dinge sagt, die er später bereut. Spannend ist auch, was sich Menschen alles gefallen lassen, sobald sie sich in einem Interview wähnen. Als Medientrainer ist es meine Aufgabe, auch mal gezielt zu provozieren. Schließlich will ich sichergehen, dass mein Gegenüber dem nächsten Journalisten nicht gleich eine reinhaut, wenn der sich danebenbenimmt. Deshalb unterbreche ich Antworten, missinterpretiere absichtlich oder drehe Wörter in fremden Mündern um. Manchmal halte ich auch das Mikrofon unangenehm nah an das Gesicht meines Gegenübers – bis es die Lippen oder das Kinn berührt. Die Steigerung davon: Ich selbst komme mit
jeder Frage einen kleinen Schritt näher, sodass ich irgendwann nur noch wenige Zentimeter entfernt stehe. Das ist noch lustiger, als es klingt! Du wirst nicht glauben, wie viele Menschen in solchen Situationen einfach weitermachen und versuchen, die ihnen gestellten Fragen zu beantworten – obwohl sie sich zutiefst unwohl fühlen. Auf der Bühne eine Rede zu halten und im Anschluss Fragen zu beantworten, ist nicht eins zu eins vergleichbar mit einer Interviewsituation. Allerdings vergleichbar genug, um einige Parallelen zu ziehen. Zunächst ein offensichtlicher Punkt, den wir im folgenden Kapitel nochmals aufgreifen werden: Lass dir nichts gefallen! Wenn dir jemand unhöflich oder gar beleidigend begegnet, musst du nicht stoisch »die andere Wange hinhalten« – auch nicht, wenn du gerade ein Interview gibst oder auf der Bühne stehst. Was sich im Privaten verbietet, ist auch im professionellen Kontext tabu. Wenn dir also ein taktloser Schlauberger immer wieder über den Mund fährt, wehre dich! Später mehr dazu.
ANTIZIPATION
Eine weitere Parallele zum Interview und ein entscheidender Faktor, um Fragerunden erfolgreich zu überstehen, ist die Vorbereitung. Ja, du liest richtig! Du musst dich auf Fragen vorbereiten, die du nicht kennst. Du hast alles rund um deinen Auftritt bis ins Detail geplant und geprobt – meinst du ernsthaft, dass ich dir nun sage: »Geh das mit den Fragen entspannt an und mach dir keinen großen Kopf! Einfach mal sehen, was da so kommt?!?« Nope. Im besten Fall bist du von Natur aus schlagfertig und kannst schnell reagieren. Es hilft jedoch, zusätzlich immer einige Sätze oder Stichworte im Kopf zu haben, die du an geeigneten Stellen einbauen kannst. Mein Tipp: Leg dir einen Fragenkatalog zu deinem Thema an. Was könnte das Publikum wissen wollen? Denke sowohl an naheliegende Fragen (Warum? Seit wann? Woher?) als auch an eher abwegige. Versetz dich dabei in deine Zuhörer – die netten, die interessierten und die kritischen. Lote besonders mögliche Schwachstellen aus: Wo bist du angreifbar, was kann man gegen dich verwenden und bei welchen Punkten rufst du die Moralaposteln auf den Plan? Bitte auch gerne Freunde oder Kollegen um Hilfe – vielleicht fallen ihnen noch weitere Fragen ein. Je mehr davon du antizipierst, desto besser. Nimmst du an einer Podiumsdiskussion teil, solltest du dich vorab über die anderen Diskutanten informieren. Welchen persönlichen und beruflichen Hintergrund haben sie, wie ist ihre Haltung zu bestimmten Themen, auf was musst du dich einstellen? Du musst dazu keinen Privatdetektiv anheuern; eine simple Google-Suche reicht aus. Mit diesen Infos zur Hand kannst du die Diskussion im Vorfeld durchspielen und dir überlegen, welche Fragen in deine Richtung wahrscheinlich sind. Die Fragen allein nützen dir allerdings noch nicht viel. Im zweiten Schritt entwickelst du entsprechende Antworten. Du musst diese nicht Wort für Wort auswendig lernen, aber du solltest den Inhalt in groben Zügen abrufen können. Beim Beantworten der Fragen ist es noch wichtiger als bei deinem Vortragstext,
dass du spontan wirkst. Wenn du vorformulierte Sätze wie ein Roboter herunterbetest, muss dein Publikum den Eindruck gewinnen: »Der sagt einfach, was er will, und antwortet gar nicht auf die Fragen!« So formuliert, klingt das in der Tat blöd. Aber unter uns: Genau das solltest du tun!
KERNBOTSCHAFTEN
»Wer fragt, der führt!« Richtig? Nicht unbedingt! Natürlich bist du als Befragter von Haus aus eher der ive Part. In Interviews wird diese Rollenverteilung noch deutlicher: Der Journalist fragt und lenkt damit das Gespräch in seinem Sinne. Der Antwortgeber kann nur reagieren und bleibt auf eine ive Rolle beschränkt. So oder so ähnlich erleben es die meisten Menschen, die Interviews geben. Bei Vorträgen werden die Fragerunden aus ähnlichen Gründen gefürchtet: »Oh Gott, ich weiß nicht, was für Fragen kommen! Was ist, wenn ich in die Defensive gedrängt werde? Was tue ich, wenn ich nicht antworten kann?«
»Lass dir nichts gefallen!«
Du kannst dich mit solcherart Gedanken fertigmachen – oder du gehst die Sache ganz anders an! Wie wäre es, den Spieß umzudrehen? Wie wäre es, selbst aktiv zu sein, statt mit schlotternden Knien auf die Fragen zu warten? Zunächst: Fragerunden sind keine Prüfungen! Du stehst auch nicht vor Gericht. Deshalb betrachte die Situation nicht als notwendiges Übel, sondern immer als Chance. Die Fragen geben dir die Möglichkeit, weitere Gedanken loszuwerden oder – was meist noch besser ist – essenzielle Punkte deines Vortrags zu wiederholen. Dafür benötigst du ein neues Selbstverständnis: Sieh dich künftig nicht mehr als den reaktiven Fragenbückling, der sich von einem Thema zum anderen hetzen lässt. Du bist ab sofort der Chef im Ring, hast die Kontrolle über deine Inhalte und entscheidest selbst, wovon die Rede ist und wovon nicht. Dein wichtigstes Hilfsmittel dabei sind deine »Kernbotschaften«. Was soll das sein? Kernbotschaften dampfen deine Inhalte auf zentrale Aussagen herunter. Nenn es gerne deine Message; das, was bei deinem Publikum hängen bleiben soll. Was
ist die Kernbotschaft dieses Buchs? Für mich: »Der wichtigste Aspekt für eine gelungene Bühnen-Performance ist akribische Vorbereitung in allen Bereichen.« Dein Vortrag hat ebenfalls eine Kernbotschaft. Wenn du willst, sogar viele. Theoretisch kannst du aus jedem Kapitel oder Absatz eine Leitaussage herausarbeiten – je nach gewünschtem Detailgrad. Es sollte bereits während des Vortrags dein Ziel sein, die Botschaft, die du vermitteln willst, deutlich rüberzubringen. Wiederhole deine Kernbotschaft oder streue sie im Gewand anderer Worte an verschiedenen Stellen ein. Wenn das Publikum nach deinem Vortrag den Saal verlässt, hat es bestenfalls eine Message, eine Erkenntnis oder einen Auftrag im Kopf. Das ist deine Kernbotschaft! Nun rate mal: Was ist dein Auftrag, wenn du mit Fragen konfrontiert wirst? Na klar, du nutzt deine Kernbotschaften! Orientiere dich dabei gerne an Politikern, den Meistern der Kernbotschaften. Spitzenpolitiker haben genau wie TopManager allesamt Medientrainings absolviert, um keine schwerwiegenden kommunikativen Fehler zu begehen. Sie haben alle gelernt: Ich selbst weiß schon vor den Fragen, was ich antworten möchte. Meine drei Kernbotschaften, die ich in jedem Fall im Gespräch unterbringen möchte, sind X, Y und Z. Es ist demnach (fast) egal, welche Fragen gestellt werden; entscheidend sind die Kernbotschaften. Im Extremfall führt dies zu Interviews, bei denen wir als Zuschauer das Gefühl bekommen, die Gesprächspartner reden aneinander vorbei. So ist es auch häufiger. Politiker können sich das erlauben; du nicht. Beantworte deshalb die Frage – oder erwecke zumindest den Anschein – und bring dabei elegant deine Kernbotschaft unter. In der Theorie sieht das wie folgt aus: Frage, Antwort Teil 1, Kernbotschaft, Antwort Teil 2. Am Beispiel wird die Technik klarer. Du wirst gefragt: »Wie konnte es zu dem Cyber-Angriff auf Ihr Unternehmen kommen?« Deine Kernbotschaft lautet: »Wir sind ein verlässliches Unternehmen mit den höchsten Sicherheitsstandards.« Dieser Satz funktioniert zwar auch als erster deiner Antwort, aber noch eleganter ist es, zunächst auf die Frage einzugehen (Antwort Teil 1): »Wir befinden uns derzeit noch in der Aufklärung des Vorfalls. Wir arbeiten eng mit den zuständigen Behörden zusammen und tun alles, um das Vorgehen der Täter zu rekonstruieren …« Du kannst an dieser Stelle noch etwas weiter ausholen, aber du solltest an einem Punkt landen, an dem du deine Kernbotschaft einbauen kannst: »XYZ ist ein verlässliches Unternehmen mit den
höchsten Sicherheitsstandards …« Nun kannst du mit dem zweiten Teil deiner Antwort schließen: »Auch deshalb wurde der Angriff schnell entdeckt, und wir konnten die notwendigen Gegenmaßnahmen treffen. Ich versichere Ihnen, dass wir auch künftig alles tun, um unsere Kunden und deren Daten bestmöglich zu schützen.« Die Arbeit mit Kernbotschaften hat mehrere Vorteile: Zunächst entsteht der Eindruck, als wüsstest du genau, was du sagen möchtest. Statt um den heißen Brei zu reden und dich um klare Aussagen zu drücken (»Nun ja, eigentlich sind wir ein sicheres Unternehmen … In diesem Fall ist es leider blöd gelaufen …), punktest du mit Eindeutigkeit: »Wir sind ein verlässliches Unternehmen mit den höchsten Sicherheitsstandards.« Ja, es ist dieses Mal leider blöd gelaufen, aber das musst du nicht noch fett unterstreichen. Das wissen ohnehin alle, die bis drei zählen können. Bleib in deiner Aussage immer positiv. Ein weiterer Vorteil: Du wirst verstanden. Kernbotschaften sind bestenfalls prägnant und knackig – mit wenig bis null Interpretationsspielraum. Du solltest bei deinen Antworten wie bei deinem Text schlanke Sätze zum Ziel haben. Ein »zitierfähiger Satz« besteht aus maximal acht Wörtern. Unsere Kernbotschaft oben ist noch im Rahmen. Ein solcher Satz wird auch gerne von Journalisten abgedruckt oder in einem Filmbeitrag verwendet. Wenn du stattdessen Nebensatz an Nebensatz reihst oder ohne Punkt und Komma abstruse Satzgeflechte bildest, hört dir irgendwann niemand mehr zu. Und zitiert wirst du schon gar nicht. Mit Kernbotschaften wirkst du professionell und das strahlt auf dein Unternehmen ab.
BRÜCKEN BAUEN
Leider en die Fragen, die dir gestellt werden, und die Kernbotschaften, die du loswerden möchtest, nur selten zusammen. Deine Message in die Antwort einzuweben, ist jedoch nur eine Option, damit umzugehen. Du kannst auch auf andere Weise einen inhaltlichen Bogen schlagen: Baue eine Brücke. Anstatt sich von der Frage in die Ecke drängen zu lassen, führst du mit wenigen Worten auf verwandtes Terrain, auf dem du dich wohler fühlst. Hierfür kannst du diverse Einstiege benutzen:
»Das ist eine sehr berechtigte Frage, aber was uns wirklich wichtig ist …« »Lassen Sie uns dies einmal von einer anderen Seite aus betrachten …« »Die zentrale Frage lautet doch …« »Was wirklich hinter dieser Frage steckt, ist …« »Der Kern der Dinge liegt woanders …« »Ja, zusätzlich geht es aber darum …« »Wenn man das Gesamtbild betrachtet, ist Ihre Frage …« »Das ist nicht unsere Herangehensweise, uns geht es vielmehr um …«
Eine weitere Möglichkeit zum Brückenbauen hast du am Ende deiner Antwort: Beende deine Ausführungen mit einer Aussage, die eine Nachfrage geradezu provoziert. Nehmen wir an, du sprichst gerade über die Erfolge oder Misserfolge deines Unternehmens im vergangenen Jahr. Wenn du nun schließt mit einem
Satz wie »Und ich versichere Ihnen, dass wir uns auch für das neue Jahr einiges vorgenommen haben …«, drängt sich natürlich die Frage auf, was genau ihr euch vorgenommen habt. Auf diese Weise gewinnst du weiter Kontrolle über das Geschehen und lenkst die Fragesteller in deinem Sinne. Du weckst Neugier und bringst die Anwesenden dazu, mehr wissen zu wollen. Überleg dir deshalb im Vorfeld genau, mit welchen Themen du dich wohlfühlst, wo du punkten kannst und von welchen Themen du dich lieber fernhältst. Sind die Fragen sehr spezifisch, hast du des Weiteren die Option, die Ebene zu wechseln und auf das »bigger picture« überzuleiten. Sagen wir, es gab in einer eurer Filialen einen rassistischen Zwischenfall, zu dem du nun Stellung beziehen musst. Du kannst auf der Detailebene bleiben und das Risiko eingehen, in Erklärungsnot zu geraten. Besser ist es, die Antwort allgemeiner zu formulieren: »Wir haben weltweit 45 Standorte und Mitarbeiter mit mehr als 50 verschiedenen Nationalitäten. Der Respekt und das Miteinander sind für uns zentrale Werte, deshalb seien Sie versichert, dass wir gegen jede Form der Ausund Abgrenzung entschieden vorgehen.« Anders herum kannst du bei sehr allgemein gehaltenen Fragen in die Detailebene wechseln. Du beleuchtest mit deiner Antwort lediglich einen Teilbereich des angesprochenen Themenkomplexes oder arbeitest mit repräsentativen Beispielen. Wird euch vorgeworfen, als Unternehmen nicht genug in Sachen Nachhaltigkeit zu tun, pick dir einfach einen konkreten Fall raus, der die Aussage widerlegt: »Wir setzen uns mit vielen Kampagnen und Initiativen für den Umweltschutz ein. Nehmen Sie unsere Filiale in München – die wurde erst im letzten Monat für ihre nachhaltige Bauweise von der Stadt ausgezeichnet.« Wir halten fest: Wird es unangenehm auf der Detailebene, setze die Frage in einen größeren Zusammenhang. Bereitet dir eine generische Frage Bauchschmerzen, gehe ins Detail. In Kombination mit den enden Kernbotschaften werden dir Techniken wie diese helfen, einen Großteil der unangenehmen Fragen zu parieren.
»KEIN KOMMENTAR!«
Es wird unabhängig deines Geschicks dennoch Fragen geben, die du nicht beantworten kannst. Sei es, weil du nicht darfst oder weil du die Antwort einfach nicht parat hast. Das ist keine Katastrophe, sondern das Normalste der Welt. Also: kool bleiben! Erwecke nicht den Eindruck, »ertappt« worden zu sein. Tina Turner sagt: »An einem bestimmten Punkt habe ich mich von der Last befreit, alles richtig zu machen. Mir wurde klar, dass ich mich nicht durch Unwissenheit einschüchtern lassen oder meine Unerfahrenheit verbergen musste. Ich konnte einfach sagen: ›Nein, das weiß ich nicht‹, und mir versprechen, dass ich aus meinen Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen würde.« Generell solltest du kein unbekanntes Terrain betreten. Du gefährdest deine Glaubwürdigkeit, wenn du aufs Geratewohl antwortest. Glauben ist nicht Wissen, und Spekulationen sind keine Fakten. Aus diesem Grund solltest du auch keine hypothetischen Fragen beantworten (»Was wäre, wenn …?«). Die Frage ist: Was sagst du, wenn du mal nichts zu sagen hast? Denn irgendwie musst du reagieren. Mach es dir nicht zu leicht: »Kein Kommentar!« verbietet sich. Wenn du den Fragesteller mit diesen zwei hingebellten Worten abspeist, wirkst du entweder unhöflich oder verdächtig. Gib stattdessen einfach zu, wenn du etwas nicht weißt. Danach hast du mehrere Optionen. Du kannst die Frage beispielsweise ans Publikum weitergeben: »Das ist ein spannender Punkt – fällt jemandem etwas dazu ein?« Oder nenne eine Quelle, wo die Antwort zu finden ist. Noch besser: Biete an, dich selbst schlauzumachen und die Antwort nachzureichen. Wirst du auf Inhalte außerhalb deiner Zuständigkeit angesprochen, nenne einen geeigneten Adressaten (»Mit dieser Frage müssen Sie sich direkt an den Vorstand wenden.«). Entscheidend ist bei jeder Reaktion, dass dein Bemühen erkennbar wird, eine Antwort zu liefern. Das muss sowohl beim Fragesteller als auch beim Rest des Publikums ankommen – sonst bleiben deine Zuhörer unbefriedigt zurück.
KRITISCHE FRAGEN
Es kann vorkommen, dass du eine Frage nicht beantworten kannst, weil sie unklar oder unpräzise gestellt ist. Hake in solchen Fällen nach: »Entschuldigung, aber das ist mir zu allgemein formuliert – was genau meinen Sie damit?« Gegenfragen spielen den Ball zurück und setzen den Fragesteller unter Druck. Du selbst gewinnst ein paar Sekunden, um dir eine Antwort zu überlegen. Aus diesem Grund ist die Strategie auch bei kritischen Einwürfen zu empfehlen. Bestenfalls lenkst du das Gespräch in eine andere Richtung. Doch Vorsicht: Die Gegenfrage darf nicht genutzt werden, um die Kritik an dir oder deinen Inhalten noch zu vertiefen. Bleiben wir bei den kritischen Fragen: Häufig erkennst du sie schon an der Wortwahl. Da ist die Rede von »Versagen«, »Schuld«, »Fehlern«, »Krise« oder »Katastrophe«. Nun heißt es sich konzentrieren! Denn wenn du im Autopilot unterwegs bist, antwortest du auf die Frage »Wie konnte es zu der Krise kommen?« möglicherweise mit »Die Krise hat mehrere Ursachen …«. Wo liegt der Fehler? Im Wording! Wiederhole keine negativen Begriffe, die dir der Fragesteller unterjubeln will. Wenn du den Begriff »Krise« gedankenlos übernimmst, steckt dein Unternehmen offiziell in der Krise. Anders, wenn du antwortest: »Die Ursachen, die der aktuellen Situation zugrunde liegen, sind vielfältig …« bei der Wortwahl auch auf, wenn du die Frage wiederholst – was ich dir dringend ans Herz lege. Besonders in größeren Räumen oder bei schlechter Akustik kann es sonst vorkommen, dass du eine Antwort auf eine Frage gibst, die gar nicht gestellt wurde. Wenn du die Frage wiederholst, gehe sicher, dass sowohl du als auch der Rest des Publikums alles korrekt verstanden hat. Bitte wiederhole jedoch nicht lauthals Sätze wie: »Warum haben die unfähigen Manager diesen Saftladen an die Wand gefahren?« Formuliere geschmackvoll um: »Habe ich Sie richtig verstanden – Sie möchten wissen, weshalb die jüngste Entwicklung unter der Führung des Managements wenig Anlass zur Freude gegeben hat?«
Wenn dir negative Begriffe in der Frage auffallen, sollte sofort dein innerer Alarm losschlagen! Bau im Kopf um: Wie kannst du den Umstand in der Antwort positiver formulieren? Wirst du nach einem Problem gefragt – dann sprich über die Lösung. Gib negativen Bildern einen positiven Rahmen. Besonders am Ende deiner Antwort solltest du den Blick immer voraus in die »bessere« Zukunft richten. Es ist auch möglich, den Fragesteller zu korrigieren: »Ich möchte Sie bitten, auf reißerische Formulierungen in diesem Zusammenhang zu verzichten. Wir haben es mit einer seriösen Situation zu tun, und so sollten wir sie auch behandeln.« Das gleiche Recht hast du bei Pauschalisierungen, Über- oder Untertreibungen sowie bei Unterstellungen. Lass falsche Aussagen nicht unkommentiert stehen, sondern widersprich augenblicklich. Andernfalls bestätigst du sie indirekt. Ziehe Zahlen und Fakten in Zweifel, von deren Richtigkeit du nicht überzeugt bist. Oftmals wirst du schon in der Frage mit Prozentzahlen oder Geldsummen konfrontiert, bei denen du dir nicht sicher bist – »Stimmen die Zahlen?«. Sprich es direkt an: »Die von Ihnen genannte Zahl kann ich nicht bestätigen. Was ich jedoch sagen kann, ist …« Erlaube mir an dieser Stelle den Hinweis, dass es im Business-Kontext durchaus von Vorteil ist, die wichtigsten Zahlen und Fakten zu deinem Unternehmen (Gründungsjahr, Anzahl Standorte, Mitarbeiter et cetera) und deinem Vortragsthema im Kopf haben. Denn ein wenig Grundwissen musst du auf die Bühne schon mitbringen. Wenn alle Anwesenden den Umsatz des vergangenen Jahres parat haben und du die Zahl nicht bestätigen kannst, kratzt das an deinem Profi-Image. Achte auf Suggestivfragen wie »Sie sind doch sicher auch der Meinung, dass …«. Auch wenn der Fragesteller dir diese Option nahelegt – du musst nicht der gleichen Meinung sein. Lass den Fragesteller nie deine Position definieren; korrigiere, wenn nötig. Nicke nicht, wenn du eine Frage gestellt bekommst! Ich verfalle gelegentlich automatisch in den Modus »Wackeldackel« und muss mich bewusst dazu bringen, den Kopf stillzuhalten. Das ist wichtig, denn Nicken suggeriert Einverständnis. Auch wenn dein Gegenüber seine Frage mit einem Satz einleitet wie »Das letzte Jahr war das schlechteste Ihrer Firmenhistorie mit einem Fehlschlag nach dem anderen …«
Auch von Fangfragen solltest du dich nicht aufs Glatteis locken lassen. Frag nach, wenn du den Eindruck hast, dass dein Gegenüber etwas anderes im Sinn hat, als seine Frage oberflächlich vermuten lässt: »Ich habe das Gefühl, Sie wollen auf einen bestimmten Punkt hinaus. Was interessiert Sie genau?« Hantiert der Fragesteller mit Zitaten, ist ebenfalls Obacht geboten: »Herr Maier aus dem Aufsichtsrat hat kürzlich verlauten lassen, dass …« Eine elegante Replik ist: »Das Zitat ist mir nicht bekannt, daher kann ich dazu keine Stellung beziehen.« Bestenfalls schließt du auch in einem solchen Fall positiv: »Was ich Ihnen jedoch sagen kann, ist, dass wir als Unternehmen …« Beliebte Formulierungen sind auch »laut einer anonymen Quelle« oder »aus Unternehmenskreisen ist zu hören«. Blocke solche Mutmaßungen: »Ich weiß nicht, auf welche Quelle Sie sich hier stützen, aber mir ist weder das Zitat noch der angesprochene Umstand bekannt.«
RATSCHLÄGE
Natürlich gibt es nicht nur Fragen, die als (getarnter) Angriff daherkommen. Manchmal bittet ein Fragesteller aufrichtig um Rat oder sucht deine Hilfe: »Was würden Sie uns in der aktuellen Situation empfehlen?« Bekunde zunächst dein Interesse und deine Empathie, indem du dich leicht nach vorne in Richtung des Fragestellers beugst. Diese »Zugewandtheit« solltest du im Übrigen bei allen Fragen – auch den unangenehmen – demonstrieren. Vergiss nicht, dass es die meisten Menschen Überwindung kostet, aus der anonymen Masse hervorzutreten und das Wort zu ergreifen. Mit einer gelangweilten oder herablassenden Attitude entmutigst du deine Zuhörer. Umso mehr, wenn diese gar nicht auf Krawall gebürstet, sondern nur an deiner Meinung interessiert sind. Versuche, dich in dein Gegenüber einzufühlen und das Problem zu verstehen. Hier helfen Nachfragen: »Warum, wie, seit wann?« Du kannst auch tiefer graben: »Was ist die konkrete Herausforderung für Sie?« Oder »Wie sähe Ihre Ideallösung aus?« Offene Fragen machen dir das Problem verständlicher und verschaffen dir Zeit, Lösungen zu finden. Mach anschließend konkrete Vorschläge – allerdings in Form einer Frage: »Wäre es für Sie eine Verbesserung, wenn …?« Wird dein Vorschlag abgelehnt, stelle weitere Fragen und mach weitere Vorschläge. Zeigt sich dein Gegenüber zufrieden, hake noch einmal nach: »Ist Ihre Frage damit beantwortet?« Entscheidend ist, dass du mitfühlst und ehrliche Anteilnahme zeigst. Du solltest nicht als Teil des Problems wahrgenommen werden, sondern als Teil der Lösung. Lässt sich die Frage nicht auf die Schnelle beantworten, biete ein Gespräch im Anschluss an deinen Vortrag an. Letzteres empfiehlt sich auch, wenn du mit Detail- und Fachfragen konfrontiert wirst, die bei 95 Prozent des Publikums für Stirnrunzeln sorgen oder den Gähnreflex auslösen. Wenn du dir dessen unsicher bist, bitte um Handzeichen, wen das Thema noch interessiert. Finden sich genug, fahre fort. Ansonsten beantworte die Frage später im kleinen Kreis. Generell gilt: Setze ein
realistisches Maß an Fachwissen voraus, um dein Publikum weder zu über- noch zu unterfordern.
WEITERE TIPPS
Ob du nun mitten im Vortrag bist oder Fragen beantwortest – deine Haltung, deine positive Ausstrahlung, deine Bühnenpersönlichkeit ist die gleiche. Sieh die Fragerunde als Teil deiner Show. Du hast immer noch das Ziel, es deinem Publikum gemütlich zu machen. Auch unter Druck musst du professionell und sympathisch bleiben. Stellt dir jemand eine Frage, die du während des Vortrags schon beantwortet hast, solltest du deshalb nicht dünnhäutig reagieren: »Das habe ich doch alles schon erzählt! en Sie vielleicht beim nächsten Mal besser auf!« Verweise stattdessen freundlich auf die vorherigen Inhalte und fasse die wesentlichen Punkte nochmals knapp zusammen. Sieh es als gute Gelegenheit, deine Kernbotschaften zu wiederholen! Manchmal verbergen sich hinter einer Frage eigentlich fünf Fragen. Lass dich nicht verwirren! Drösel das Fragengeflecht auf und beantworte eine nach der anderen. Es ist wichtig, dass sowohl du als auch deine Zuhörer den Überblick behalten. Bestenfalls strukturierst du auch deine Antwort – was natürlich mit entsprechender Vorbereitung der Kernbotschaften einfacher ist. »Es gibt drei wesentliche Gründe für unseren Erfolg: 1. …, 2. … und 3. …« Oder: »Wir verfolgen im neuen Jahr drei übergeordnete Ziele …« Formulierungen wie diese geben dir nicht nur eine gute Möglichkeit, mit Gesten zu arbeiten (Zähl mit den Fingern mit!); sie erhöhen auch die Aufmerksamkeit des Publikums. Starre den Fragesteller nicht durchgehend an, wenn du eine Antwort gibst. Richte deinen Blick und deine Worte immer zum ganzen Publikum – außer es handelt sich um eine eher persönliche Angelegenheit. Generell solltest du hauptsächlich am Anfang und Ende deiner Antwort Blickkontakt mit dem Fragesteller suchen. Wenn du den Namen deines Gegenübers kennst, bau ihn in die Antwort ein – gerne auch mehrfach. Wir hören nichts so gern wie den eigenen Namen! Deine Antwort bekommt dadurch nicht nur eine persönliche Note; du wirkst auch auf
den Rest des Publikums so, als wärst du bestens unterrichtet. Last but not least: Übe – zu Hause, auf der Bühne oder im Rahmen eines Trainings. Letzteres empfiehlt sich spätestens dann, wenn du in die Profiliga aufsteigen willst. Bist du ein Naturtalent? Umso besser! Aber auch Talente müssen kultiviert werden. Noch Fragen?
MIT VERLAUB, SIE SIND EIN ARSCHLOCH!
Kommen wir nun zu den wirklich harten Fällen: Provokationen, Unterbrechungen und Aggressionen – von iv-aggressiv bis offen feindselig. Du solltest zwar nie von einer grundsätzlich böswilligen Haltung des Publikums ausgehen, aber die Möglichkeit mindestens in Betracht ziehen und dich dementsprechend wappnen. Denn einzelne Zuschauer oder Fragesteller können begriffsstutzig, verwirrt, starrsinnig, narzisstisch, unhöflich, rüde oder Schlimmeres sein. Wie auch immer man dir begegnet: Du bleibst Gentleman beziehungsweise Lady und Profi! Mach dich unabhängig von der Emotionalität des Angriffes – lass dein Gegenüber fluchen, toben und schreien. Du reagierst immer ruhig und sachlich. Emotional darf maximal eine Seite sein. Wenn du dich aus der Ruhe oder aus der Rolle bringen lässt, hat der Angreifer sein Ziel erreicht. Selbst wenn es dein Gegenüber verdient hätte und es jeder im Saal nachvollziehen könnte, lass dich nicht zu verbalen Entgleisungen hinreißen (»Jetzt halt doch einfach mal die Schnauze, du Penner!«). Denn dann verlässt du deinen Sockel und suhlst dich gemeinsam mit dem Angreifer im Schlamm der niederen Gefilde. Dies gilt vor allem, wenn du von Haus aus ein Heißsporn bist! So wie Carlos Santana: »[…] damals wusste ich noch nicht, wie man das macht, wie man diplomatisch bleibt. Jetzt weiß ich es. Es kommt auf die Formulierung an – auf das Timing, die Ausdrucksweise und den Ton.«
KRITIK
Es kann vorkommen, dass du auf offener Bühne für deine Performance oder deine Inhalte kritisiert wirst. Machen wir uns nichts vor: Das nervt! Niemand ist scharf darauf, korrigiert oder belehrt zu werden – schon gar nicht vor Publikum. Bevor du allerdings reflexartig dichtmachst und den Kritiker innerlich abschreibst, halte kurz inne. Denn es besteht die Möglichkeit, dass dein Kritiker mindestens in Teilen recht hat. Vielleicht sagen dir die anderen nur, was du hören willst; aber einer hat den Mut, dich auf Fehler hinzuweisen. In diesem Fall ist Kritik durchaus wertvoll. Entscheidend ist die Frage, ob die Kritik konstruktiv oder rein destruktiv ist. Konstruktive Kritik kann wie ein gut platzierter Pfeil mitten ins Schwarze treffen und bei dir ein Aha-Erlebnis auslösen. In diesem Fall solltest du deinem Kritiker dankbar sein, denn er gibt dir einen Hinweis, wie du dich verbessern kannst. Destruktiv ist die Kritik hingegen, wenn sie lediglich darauf abzielt, dich lächerlich zu machen, herabzusetzen oder zu verurteilen. Es gibt drei Gresser, anhand derer du leicht erkennst, ob du gerade konstruktiv oder destruktiv kritisiert wirst:
Wortwahl, Inhalt und Wirkung.
Wenn man dir Tiernamen gibt oder wenn die Wortmeldung voller negativer Begriffe ist, hast du es mit destruktiver Kritik zu tun. Gleiches gilt meist, wenn
die Kritik eher vage ist. Denn destruktive Kritik lässt sich im Zweifel schwer widerlegen; konstruktive Hinweise sind dagegen exakt. Aber den deutlichsten Hinweis auf die Art und Motivation der Kritik gibt dir dein Gefühl: Wenn du den Eindruck hast, gerade fertiggemacht worden zu sein, waren destruktive Elemente am Werk. Konstruktive Kritik solltest du dir zu Herzen nehmen, destruktive Kritik sollte dir am A…llerwertesten vorbeigehen. Lass dich bloß nicht entmutigen oder fertigmachen! Du musst nicht auf Menschen hören, die dir offenkundig schaden wollen. Du solltest destruktive Aussagen oder Fragen auch auf der Bühne nicht zu ernst nehmen. Sieh es als Spiel! Und gewinne, indem du deinen Gegner übertölpelst! Was erwiderst du beispielsweise, wenn du zu hören bekommst: »Tut mir leid, aber das sehe ich völlig anders. Ihr Vortrag war von vorne bis hinten Müll. So ein Wirrwarr versteht doch niemand!« Du kannst milde lächelnd mit der feinen Klinge der Ironie zurückschlagen: »Herzlichen Dank für diesen wertvollen Beitrag! Gibt es weitere Fragen?« In diesem Fall gehst du gar nicht auf das Gebrabbel deines Gegenübers ein, sondern lässt ihn links liegen. Ein bisschen offensiver ist diese Variante: »Wenn Sie mich akustisch nicht verstehen, bin ich schuld; aber wenn Sie mir inhaltlich nicht folgen können, kann ich leider nichts machen.« Wenn die Kritik nicht ganz unberechtigt erscheint, lass Milde walten: »Ein interessanter Punkt, den Sie da ansprechen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich Ihre Einschätzung teilen kann, aber ich werde darüber nachdenken.« Wenn dein Gegenüber dich nicht blöd von der Seite anmacht, sondern nur emotional einen anderen Standpunkt vertritt, zeige Verständnis. Räume ein, dass du die Meinung nachvollziehen kannst, auch wenn du sie nicht teilst. Es ist wichtig klarzustellen, dass du zwar inhaltlich im fraglichen Punkt nicht übereinstimmst, aber keinerlei persönliche Animositäten gegen die Person hegst: »Ich merke, dass Sie dieser Punkt erregt und ich kann Ihre Beweggründe nachvollziehen. Aber lassen Sie mich hierzu noch einige Gedanken loswerden, die Ihre Meinung möglicherweise ändern …« Ob du Kritik annimmst, bleibt deine Sache. Bei dir kommt es sicher – genauso wie bei mir – neben den Inhalten entscheidend darauf an, wer der Kritiker ist. Wohlgesonnenen Freunden und Kollegen kann man diesbezüglich im Regelfall
trauen. Wohlgesonnenen Fremden übrigens auch. Letzten Endes bist allerdings du der Fachmann! Kremple nicht deinen Text oder deine Show um, nur weil dir jemand zwischen Tür und Angel zuraunt, dass das Ende nicht so toll war. Wie findest du es selbst? Gut? Alles klar, dann steht Aussage gegen Aussage. Wie im Fußball gilt: Im Zweifel für den Stürmer! Also bleibt das Ende, wie es ist. Es gibt Menschen, die die Leistungen anderer nur an Fehlern bemessen. Du kannst einen ganzen Abend fehlerfrei auf der Bühne rumturnen und eine super Show abliefern – es wird sich ein Kritiker finden, der dich auf den einzigen Zahlendreher aufmerksam macht. »Danke für den Hinweis (du Korinthenkacker!).« Häufig sind diese Menschen selbst verkappte oder gescheiterte »Experten«, die zwar wissen, wie man etwas auseinandernimmt, aber nicht, wie man etwas zusammenfügt. Ich halte es mit Michael Jackson – ausnahmsweise mal im Originalton: »Before you judge me. Try hard to love me.«
KONTERN
Kritik ist das eine. Das andere sind Aussagen, die explizit gegen dich und deine Inhalte gerichtet sind. Hier musst du dich zur Wehr setzen! Aber bitte nicht mit allen Mitteln. Wenn du konterst, tu es mit Diplomatie, Raffinesse, Ironie oder Humor. Sprachwitz und Doppeldeutigkeiten eignen sich besonders gut – sind aber spontan nicht immer abzurufen. Humor entsteht aus der Situation und ist wenig planbar. Daher kann es ratsam sein, dass du dir ein paar Sätze zurechtlegst. Wie wäre es beispielsweise mit einem ironischen Zitat von Churchill? »Ich bin beeindruckt, Sie haben die Gabe, die größte Menge Wörter in die kleinste Menge Gedanken zu pressen!« Einige Rhetorik-Nachschlagewerke empfehlen beim Thema Schlagfertigkeit lateinische Zitate. Sowas wie »O sancta simplicitas« (Oh, heilige Einfältigkeit) oder »veritas odium parit« (Wahrheit erzeugt Hass). In der Tat sind auch diese geflügelten Worte universell einsetzbar und es besteht die begründete Hoffnung, dass dein Gegenüber dich nicht versteht und schon aus Verlegenheit den Mund hält. Ich rate dennoch davon ab. Lateinische Zitate haben immer Oberlehrercharakter. Zudem macht es mehr Spaß, den Angreifer in die Schranken zu weisen, wenn dein Publikum mitlachen kann. Mark Twain eignet sich daher besser: »Man sollte die Tatsachen kennen, bevor man sie verdreht.« Lass dich jedoch nicht auf einen Schlagabtausch ein. Es geht nicht darum, wer der bessere Sprücheklopfer ist. Du musst nicht immer die gewitztere Antwort haben; du kannst beispielsweise auch paradox reagieren: »Wie bitte?« Auf diese Weise zwingst du den Angreifer, seine Aussage zu wiederholen. Manchmal hat sich das Problem damit schon erledigt, denn statt ein zweites Mal Mut zu fassen, winken einige dann ab (»Ach, nichts!«). Aber auch, wenn die Aussage tatsächlich wiederholt wird, verliert sie in neun von zehn Fällen ihre Kraft. Spontanität, Situationskomik und meist auch die Entschlossenheit des Angreifers gehen verloren. Wenn du es auf die Spitze treiben willst, erwidere erneut: »Wie bitte?« Allen Anwesenden ist nun klar, dass du den Angreifer ins Leere laufen lässt. Um das Schauspiel zu beenden, kannst du ergänzen: »Entschuldigen Sie, auf dem Ohr für infame Unterstellungen bin ich leider taub. Gibt es weitere
Fragen?« Hier eine Variation der Strategie für alle, die noch angriffslustiger sind: Nachdem du den Angreifer mit deinem ersten »Wie bitte?« zur Wiederholung gezwungen hast, strecke ihn nieder mit einem formvollendeten »Das sagten Sie bereits!«. Auch ein hingeworfenes »Und?« kann dein Gegenüber aus dem Konzept bringen. Wirst du beleidigt, ist das Gespräch sofort beendet. Mach dir nicht die Mühe, dich noch inhaltlich mit dem Angreifer auseinandersetzen. »Mit diesem Ton disqualifizieren Sie sich leider. Kommen Sie gerne wieder, wenn Sie Manieren haben.« Oder du konterst mit Rousseau: »Beleidigungen sind die Argumente jener, die nicht über Argumente verfügen.« Sei kreativ! Wenn du beleidigt wirst, gibt es viel Spielraum. Du hast auch aus Sicht des Publikums quasi einen gut. Aber was du auch tust, werde niemals selbst beleidigend oder polemisch. Selbst dann nicht, wenn du die Beleidigung elegant einleitest, wie einst GrünenPolitiker Joschka Fischer: »Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!« Wenn du unflätig wirst, verlierst du deinen Nimbus als Vollprofi und womöglich deinen guten Draht zum Publikum. Nimm lieber Schärfe raus und kehre schnellstmöglich zur Sachebene zurück. Kontere nur mit einem der oben angeführten Sprüche, wenn du dich ernsthaft angegriffen oder tief gekränkt fühlst. Und wenn du es tust, behalte eine starke und offene Körpersprache. Auch ein Lächeln wirkt Wunder, denn du signalisierst, dass du weiterhin Herr der Lage bist und dir die gute Laune nicht nehmen lässt. Behalte dein Ziel im Auge: Du hast die Führung. Es geht nicht darum, jemanden bloßzustellen oder vor aller Augen in den Boden zu stampfen. Du darfst dich wehren, aber du solltest nie als Angreifer wahrgenommen werden. Denn dann bist du der Böse.
ZWISCHENRUFE
Wir haben bereits geklärt, dass du deinem Publikum erst am Ende des Vortrags das Wort erteilst. Manche Menschen finden sich damit allerdings nicht ab – das ist die Fraktion der Zwischenrufer. Sei konsequent und lass dich nicht unterbrechen. Auf die Frage aus dem Publikum »Dürfte ich dazu bitte kurz …« gibt es nur zwei mögliche Antworten: »Nein« oder »Gerne, aber lassen Sie mich zunächst …« und dann fährst du erst einmal fort. Wichtig ist, dass nur du entscheidest, wer wann sprechen darf oder eben nicht. Häufig meinen es deine Zuschauer nicht böse, sondern haben einfach etwas auf dem Herzen, das sie loswerden möchten. Die wenigsten setzen Zwischenrufe als gezielte Provokationen ein. Es kommt allerdings vor. Diese Menschen (von der dunklen Seite des Mondes) wollen dir die Kontrolle nehmen, dich in die Ecke treiben und zu einer negativen Reaktion zwingen. Lass dich nicht verführen! Es gibt elegantere Wege als einen Ausraster, um mit störenden Zwischenrufen fertigzuwerden. Zunächst kannst du vereinzelte Zwischenrufe einfach ignorieren: Tu so, als ob du den Einwurf überhört hast oder als ob er dich nicht interessiert. Diese Möglichkeit entfällt, sobald du mehr als einmal von der gleichen Person unterbrochen wirst. Dann gibt es Handlungsbedarf! Ein Satz reicht aus, und du hast diverse Möglichkeiten – von schiedlich-friedlich bis zur Abteilung Attacke. Reagiere angemessen: Ein inhaltlicher Einwurf ist etwas völlig anderes als eine Beleidigung – folglich verdient er auch eine andere Replik. Im Folgenden findest du einige Optionen:
»Einen Moment bitte, dazu kommen wir noch …« »Bitte gedulden Sie sich noch einen Moment. Sie können Ihre Frage gerne am Ende stellen.«
»Interessanter Aspekt, trifft aber nicht den Kern …« »Genau darum geht es – nicht.« »Sie wissen es möglicherweise besser, als Sie es ausdrücken können …« »Sagen Sie ruhig Ihre Meinung – ich erkläre Ihnen dann die Zusammenhänge …« »Einen Moment bitte, es kommt gleich ein Abschnitt, wo Ihre Beleidigung noch besser t.« »Die Höflichkeit verbietet mir, auf Ihre Bemerkung einzugehen.« »Wissen Sie, was das Geheimnis glücklicher Menschen ist? Solche Zwischenrufe nicht zu beantworten.«
Wenn du es lieber direkt als schnippisch magst, schau dem Störer festen Blickes ins Gesicht und sag: »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Das ist mein Vortrag. Wenn Sie etwas zu sagen haben oder sich einfach streiten wollen, können wir das gerne im Anschluss unter vier Augen machen. Aber im Moment stören Sie den Rest des Publikums.« nur auf, dass sich dein Zwischenrufer nicht direkt »vor der Tür« verabreden will. Und lade ihn nicht dazu ein, noch mal nachzulegen, indem du mit dem Blick bei ihm verharrst. Sag deinen Satz und wende dich wieder dem Rest des Publikums zu.
HANDGREIFLICHKEITEN
Schlimmer geht immer: Denn Störungen können nicht nur verbaler, sondern auch physischer Natur sein. Ich denke dabei an übergriffige Zuschauer, die einfach mal hoch auf die Bühne kommen. Manche wollen sich nur zeigen, andere möchten gerne das Mikrofon übernehmen und selbst etwas loswerden. Das ist natürlich ein No-Go! Das ist deine Show, deine Party und als Gastgeber hast du auch das Recht, ungebetene Gäste auf ihre Plätze zu verweisen. Ich erinnere mich an einem Auftritt mit der Band in Frankfurt, bei dem mich ein Zuschauer mit einem Bein auf der Bühne mehrfach lautstark angesprochen hat. Die Location war beengt, deshalb stand er nur einen Meter von mir entfernt. Ich hätte gerne hingehört, um zu verstehen, was er eigentlich will. Das Problem war jedoch: Ich war mitten im Rap und musste mich auf meine Zeilen konzentrieren. Keine Ahnung, was der wollte. Aber bei der erstbesten Gelegenheit habe ich mich zu ihm heruntergebeugt und ihn freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass ich hier – auch wenn es ihm vielleicht entgangen ist – gerade einen Auftritt absolviere. Die Botschaft kam an. Er hat sich verzogen. Wahrscheinlich war er nur high. Sollte jemand ohne dein Einverständnis die Bühne entern, greif sofort ein! Bitte die Person, sich umgehend wieder zu entfernen. »Ich will doch nur ganz kurz etwas sagen …!« Nein, nein und nochmals nein! »Sie können wie jeder andere im Anschluss an den Vortrag zu Wort kommen, aber nicht jetzt!« In diesem Punkt gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Menschen, die dreist genug sind, deinen Auftritt zu unterbrechen, haben nicht nur »kurz etwas zu sagen«. Es wird dauern und es wird deinem Vortrag schaden. Du hast keine Ahnung, was du und dein Publikum gleich zu hören bekommt – setz dich nicht diesem Risiko aus. Zudem lässt du dich degradieren, wenn du einer fremden Person gestattest, deinen Platz einzunehmen. Sollte der Störenfried auf dein Bitten nicht reagieren, versuche, ihn entspannt von der Bühne zu geleiten – nach dem Motto »Ich zeige Ihnen den Weg«. Hilft auch das nicht, ruf die Security. Diese Option solltest du generell immer nutzen,
wenn man dir offensichtlich aggressiv begegnet. Mach dir nicht selbst die Hände schmutzig: Das ist nicht dein Job und du gefährdest damit massiv deine Wahrnehmung beim Publikum. »Gerade war er noch so nett und jetzt prügelt er den armen Mann von der Bühne …!« Womit wir bei der letztmöglichen Steigerung wären: Du wirst live on stage tätlich angegriffen. Glücklicherweise tritt dieser Fall nur selten ein, aber in Ausnahmesituationen können Zuschauer handgreiflich werden. Ich selbst habe es nur einmal erlebt und es liegt auch schon eine ganze Weile zurück. Das Spannende daran ist, dass mich nicht irgendwer, sondern quasi ein Promi angegriffen hat. Ich war schätzungsweise 16 Jahre alt und absolvierte mit meinen Jungs einen Auftritt in unserem heimischen Club. Special Guest des Abends war einer der damals größten Stars der deutschen Hip-Hop-Szene – nennen wir ihn einfach mal »DJ Lustig«. Er hat Millionen von Platten verkauft, aber viele warfen ihm den Ausverkauf des Hip Hop vor. In einer Zeit, als es für Rapper noch undenkbar war, Kommerz anzustreben oder für die breite Masse im Fernsehen aufzutreten, hat DJ Lustig bereits Werbung für Süßwaren gemacht. Vor besagtem Abend kamen einige Dinge zusammen: Zunächst mochte ich die offensichtlich auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Produktionen von DJ Lustig nicht. Dann tobte gerade ein Streit zwischen ihm und einem Berliner DJ, der Lustig vorwarf, Beats geklaut zu haben. Einer davon soll unter anderem als Remix bei einem der angesagtesten Rapper in Amerika gelandet sein. Aus der Auseinandersetzung resultierte ein knackiger Diss-Track, bei dem auch einer meiner musikalischen Helden Samy Deluxe mitwirkte. Und nicht zuletzt war ich genervt davon, dass uns Lustigs Management exakt vorschreiben wollte, wie viele und welcherart Tracks wir als Vorgruppe spielen durften. Also beschloss ich, einen kleinen Text extra für DJ Lustig zu schreiben … Unser Auftritt lief gut: Die Hütte war voll, wir spielten unsere fünf Lieder und die Masse johlte. DJ Lustig stand währenddessen mit seiner Crew bereits am DJPult und hat die Show verfolgt. Als wir scheinbar fertig waren, habe ich das Publikum noch einmal um Aufmerksamkeit gebeten und dann a cappella 16 bitterböse Zeilen in Richtung des Star-DJs gerappt. Im Prinzip habe ich mich 16 Mal ironisch für dies und das bedankt – dass er Beats klaut, uns die Auftrittszeit vorschreibt und dafür, dass er mit seinem Mist alle anderen in der Szene besser macht. Es wusste übrigens niemand Bescheid! Ich hatte nicht mal
meine Bandkollegen in die Guerilla-Aktion eingeweiht. Sie hätten nur versucht, es mir auszureden. Außerdem wollte ich die Schuld nicht teilen. Denn es war klar, dass sich Lustig das nicht gefallen lassen konnte. Ich erinnere mich noch, dass die Stimmung im Raum eine Mischung war zwischen »Wie kann man nur?!« und »Endlich sagt es mal einer!«. Die Erregung des Publikums nahm mit jeder Zeile zu. Und die von DJ Lustig wohl auch. Ich war gerade fertig mit meinem Rap, als er auf die Bühne stürmte. Unter der riesigen Kapuze seines Pullovers habe ich ihn erst im letzten Moment erkannt. Und dann ging alles ganz schnell: Boom, Boom! Er schlug mir zweimal ins Gesicht. Zum Glück für mich blieb ich stehen. Ich schüttelte mich kurz und alles war gut. Aber im Club brach Chaos aus. Lustigs Crew zwängte sich durch die Massen Richtung Bühne und auch meine Jungs sammelten sich schnell, um mich zu beschützen. Bevor ich von der Bühne gezerrt wurde, schrie ich noch mehrfach ins Mikrofon: »So stark ist DJ Lustig!«. Ich meinte damit nicht, dass er wie ein kleines Mädchen geschlagen hat (ok, vielleicht ein bisschen), sondern dass er auf Rap mit Faustschlägen geantwortet hat. Dann gab es ein wenig Gerangel, bis der Veranstalter es schaffte, die Hauptprotagonisten – inklusive Lustig und mir – ins Backstage zu bringen, um die Lage zu beruhigen. Der Rest ist schnell erzählt: Ich musste mir anhören, was ich mir erlauben würde, wer ich eigentlich sei und ob ich nicht wisse, wer Lustig ist. Es gipfelte darin, dass der DJ (!) gegen mich im Freestylebattle rappen wollte. Quasi ein Eins-gegen-Eins am Mikrofon. Als ich mir nicht vor Angst in die Hosen gemacht, sondern bereitwillig angenommen habe, ist Lustig final explodiert. Zu dem Battle kam es nicht. Der Rest des Abends verlief auch nahezu harmonisch. Ich habe den Club später allerdings doch lieber mit ein paar Freunden als Personenschützer verlassen und war froh, heil zu Hause angekommen zu sein. Was für ein lauschiger Abend …! Zugegeben, ich war nicht ganz schuldlos an der Eskalation. Schieben wir es auf mein zartes Alter und den positiven, für Hip Hop essentiellen Grundgedanken »keep it real«, den ich verteidigen wollte. Damals wie heute wusste ich jedoch, dass ich selbst als »Angreifer« der Gewinner des Abends war. Denn Gewalt ist immer die schwächste Antwort. Wer um sich schlägt, disqualifiziert sich – als Profi und Mensch. Solltest du in eine ähnlich außergewöhnliche Situation kommen, rate ich dir: Setz deine Fäuste wirklich nur ein, um dich oder andere zu schützen und wenn
es gar nicht anders geht. Der Sicherheitsdienst ist vielleicht nicht schnell genug bei dir; in der Zwischenzeit solltest du zusehen, dass du maximal »mit einem blauen Auge davonkommst«. Du musst dich auf der Bühne nicht vermöbeln lassen. Aber nochmal: Ich rede hier von alternativloser Verteidigung! Gewalt ist tabu! Auf der Bühne wie abseits davon!
TAKE IT EASY
Keine Sorge: Im Normalfall läuft es deutlich entspannter. Zwischenrufe sind selten und tätliche Angriffe kommen praktisch nie vor. Du bleibst ohnehin in deiner Rolle und hast dir auch dann nichts vorzuwerfen, wenn jemand aus dem Publikum die Stimmung drückt. Wenn du deinen Job machst, ist alles gut. Elton John hat eine gesunde Einstellung zu dem Thema: »Ich kenne Künstler, die die Erfahrung, vor einem undankbaren Publikum einen schlechten Auftritt hingelegt zu haben, völlig fertiggemacht hat. Ich hatte durchaus auch den einen oder anderen miesen Auftritt vor undankbarem Publikum, aber ich habe mich davon nie zu sehr mitnehmen lassen.«
FAZIT: Du bekommst, was du gibst: Tritt souverän, offen, sympathisch, verständnisvoll und bescheiden auf. Mit dem Publikum auf deiner Seite lässt sich auch Gegenwind besser aushalten. Antizipiere Fragen und bereite Kernbotschaften für die Antworten vor. Lass Fragen nie gänzlich unbeantwortet. Leite im Zweifel geschickt zu anderen Inhalten über. Bleib auch bei kritischen Fragen ruhig. Du musst dir nichts gefallen lassen – kontere, wenn du angegriffen wirst.
Fazit
Kool bleiben!
OUTRO
Fühlst du dich gerüstet für die große Bühne? Das kannst du, wenn du die Ratschläge dieses Buchs beherzigst. Den wichtigsten wiederhole ich gerne ein letztes Mal: Bereite dich gründlich vor! Bedenke alle Aspekte deiner Performance – vom Text über dein Auftreten bis hin zu den Gegebenheiten vor Ort. Der Rest ist Übungssache: Mit jedem Auftritt gewinnst du neue Erkenntnisse und Sicherheit, die dich besser machen. Trainiere wie ein Profi, dann wirst du zum Profi! Und wenn du dir schon die ganze Mühe machst, kannst du es auch Robbie Williams gleichtun: »Ich bin ein Bluffer, ein Entertainer. Das ist alles, was ich kann. Also kann ich auch gleich versuchen, der beste Entertainer überhaupt zu werden.« Kein schlechter Gedanke! Warum nicht das Maximum anstreben? Versuche nicht nur, auf der Bühne zu überleben, sondern werde zum Meister. Die simple Formel dazu hat Stephen King parat: »Ich tue das, was ich kann, und zwar so gut, wie ich kann.« Sei hungrig, gib dich nicht zufrieden und arbeite hart. Dann darfst du auch mit gutem Grund vom Olymp träumen. Mein persönliches Credo, das ich auf meine Arbeit wie auf mein Privatleben anwende, lautet: Ich versuche die bestmögliche Version meines Selbst zu sein. Dafür strenge ich mich jeden Tag an und fordere mich heraus. Ich gebe mich nicht mit meinen Schwächen zufrieden; ich will besser werden – und zwar in allen Bereichen. Leben bedeutet Wachstum. Stagnation bedeutet Rückschritt. Denn die Welt dreht sich weiter, mit oder ohne dich. Es gibt immer Neues zu lernen und Altes zu verbessern. Höher, schneller, weiter! Das klingt stressiger, als es ist. Denn es macht Spaß, sich weiterzuentwickeln. Und wenn du liebst, was du tust, kannst du gar nicht anders, als dich reinzuhängen. Alle unsere Idole auf den Bühnen dieser Welt haben jahrelang ihr Bestes gegeben, um dorthin zu kommen, wo sie sind. In Vorbereitung auf dieses Buch habe ich Dutzende Rockstar-Biografien gelesen und so unterschiedlich ihre Leben auch sein mögen, sie alle eint eine Sache: die harte Arbeit. Niemand von ihnen hatte einfach nur Glück – auch wenn das immer dazugehört. Harte Arbeit
ist keine Garantie für Erfolg, aber die Voraussetzung. Das Paradebeispiel ist »The Hardest Working Man in Show Business«. Über viele Jahre hat James Brown jeden Tag zwei oder drei Shows gespielt und stand im Monat 80 Stunden auf der Bühne. Er erzählt: »Nun arbeitete ich ununterbrochen, an bis zu 350 Abenden im Jahr, meistens waren es One-Nighter, Gastspiele für einen einzigen Abend. Ich spielte überall – in Arenen, Auditorien, Clubs, Sportanlagen, Zeughän, Tanzsälen, an jedem Ort, der eine Bühne hatte oder an dem man eine aufstellen konnte.« Dieses wahnsinnige Pensum ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass James Brown seine Auftritte nicht nur trocken abgespult, sondern immer alles gegeben hat. An jedem Abend schwitzte er zwischen drei und fünf Kilo aus, und im Laufe der Jahre hat er Hunderte Schuhe durchgetanzt. So viel Leidenschaft wird belohnt: Als er anfing, besaß er nichts; nach ein paar Jahren war er ein millionenschwerer Superstar. Und was war sein Erfolgsrezept? Harte Arbeit! »Harte Arbeit hat mich so weit gebracht, und ich wusste, nur durch harte Arbeit würde ich mich da halten können oder vielleicht sogar noch steigern.« Das gleiche Feuer ist bei Michael Jackson zu spüren, der von sich sagt: »Ich will alles so gut wie möglich machen. Ich möchte, dass die Leute das Gefühl haben, ich hätte mein Bestes gegeben, wenn sie etwas von mir hören oder sehen. Ich glaube, daß ich dem Publikum das schuldig bin. […] Ich bin Perfektionist; ich arbeite, bis ich zusammenbreche.« Michael Jacksons Konzerte waren ein Spektakel – der Bühnenaufbau, das Licht, die Kostüme, die Tänzer, der Sound, der Look, alles. Nichts wurde dem Zufall überlassen, an jede Kleinigkeit wurde gedacht. Die 10 000 Details sorgen am Ende für das beeindruckende Gesamtergebnis. Die gleiche Akribie und Energie hat der King of Pop in seine Platten gesteckt. Für das legendäre Thriller-Album, auf dem schließlich neun Songs gelandet sind, ist er gemeinsam mit Produzent Quincy Jones 800 (!) mögliche Lieder durchgegangen. Nachdem die Tracks fertig produziert waren, folgte eine weitere akribische Prüfung: Von den neun Titeln wählten sie die vier schwächsten aus und nahmen sich vor, vier neue Songs zu machen, die besser waren als alle bisherigen. Auf diese Weise sind auf Thriller noch Beat it, Human Nature, P. Y. T. und Lady in My Life gelandet. Crazy Shit! Michael und Quincy hätten sich nie mit Lückenfüllern oder B-Seiten abgegeben.
Sie wollten neun Songs, die allesamt das Potenzial zur Hitsingle hatten. Von dieser Leidenschaft spreche ich. Diese Energie versetzt Berge. Und wenn dich deine Power zu einem Ziel führt, gib dich nicht zufrieden. Setz dir unmittelbar das nächste Ziel! Denn egal, wie gut du warst – du kannst noch besser werden. Denn was ist die Option? Schlechter werden? Rap-Messias Jay-Z teilt in seinem sehr lesenswerten Buch »Decoded« eine Anekdote über U2-Frontmann Bono, mit dem er eng befreundet ist. Als die beiden sich treffen, spricht Bono Jay-Z auf ein Interview an, in dem der Rapper zur anstehenden Platte des Kollegen befragt wurde. Er antwortete neutral, indem er lediglich über den Druck sprach, dem eine Band wie U2 ausgesetzt sein muss, um ihrem eigenen Standard gerecht zu werden. Bono hat dieses Zitat hart getroffen und beunruhigt. Obwohl das Album bereits fertig war, ging er zurück ins Studio und überarbeitete die Platte komplett. Er wollte das Maximum rausholen. Das Album sollte so gut werden wie möglich. Jay-Z: »Ich habe wirklich nicht versucht, ihn mit diesem Zitat nervös zu machen – und ich war überrascht, als ich herausfand, dass er zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere immer noch besorgt über seine Arbeit war.« Es hört niemals auf! Wer gut sein und hochkommen will, muss hart arbeiten. Wer oben bleiben möchte, vielleicht noch härter. Deshalb bleib dran, bleib mutig und wiederhole nicht nur Altbewährtes. Lass dich von deinem Schöpfergeist immer wieder an neue Orte führen. Warum? Weil es tierisch Spaß macht! Du schaffst etwas mit deinen Händen, deinem Hirn, deinem Herz und wächst daran. Wenn es gut läuft, bereicherst du damit auch andere Menschen. Gibt es etwas Schöneres? Was meinst du, hat Michael Jackson getan, nachdem er das erfolgreichste Album aller Zeiten geschaffen hat? Urlaub? Ruhestand? Nicht ganz: »Fast zweieinhalb Jahre lang arbeitete ich an dem Nachfolger von Thriller, dem Album, das unter dem Titel Bad erscheinen sollte.« Zwei Jahre sind eine lange Zeit für eine Albumproduktion. Aber Michael und Quincy wollen es perfekt. Sie formen, feilen und verändern, bis sie 100-prozentig zufrieden sind. Erst wenn es nichts mehr zu verbessern gibt, veröffentlichen sie eine Platte: »Wirklich, man muss bis zu diesem Punkt daran arbeiten; das ist das Geheimnis. Das ist der Unterschied zwischen einem mittelmäßigen Erfolg und einem Nummer-eins-Hit, der wochenlang die Nummer eins in den Charts bleibt.« Denk an Michaels Worte, wenn du das nächste Mal selbst vor einem Text oder
Ähnlichem sitzt. Auf den höchsten Bergen ist die Luft dünn – der Aufstieg wird dich Überwindung, Anstrengung und Opfer kosten. Aber der Blick vom Gipfel ist die Mühe wert. Ich selbst habe genau in diesem Augenblick – wenige Zeilen vor Ende des Buchs – meinen nächsten Gipfel im Blick. Vorfreude! Ich hoffe sehr, dass möglichst viele Menschen Freude an diesem Buch haben. Doch auch wenn es als Ladenhüter in der Ecke verstaubt, bleibt es für mich ein kleines Glück. Wie viel Erfolg eine Rede, ein Buch oder eine Musikalbum hat, ist sekundär. Ich wärme mich am Feuer, nicht am Rauch. Genau deshalb geht es immer weiter. Keith Richards weiß das schon lange: »Manchmal fragen mich die Leute: ›Warum hörst du eigentlich nicht auf?‹ Aber ich kann die Beine nicht hochlegen, nicht bevor ich den Löffel abgebe. Ich fürchte, sie verstehen nicht, wie sehr ich das brauche. Ich tu es nicht einfach des Geldes wegen. Ich tu es nicht für euch. Ich tu es für mich.« Der schöne Nebeneffekt an dieser Einstellung ist: Im Mittelpunkt deiner Arbeit steht deine Arbeit (das heißt dein Text, deine Rede, deine Präsentation), nicht dein Ego oder der mögliche Erfolg. Du widmest dich vollständig deinem Werk und genau das könnte es schlussendlich zum »Meisterwerk« machen. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg! Ich glaube an dich, wenn du es auch tust! Vielleicht sehe ich dich irgendwann auf einer großen Bühne – wie die im Wembley-Stadion bei »Live Aid«, während du vor dem Publikum stehst und an die Worte Freddie Mercurys denkst:
»Ich werde kein Rockstar sein, ich werde eine Legende sein.«
ZUGABE
Es ist für mich eines der schönsten Gefühle, im Jubel des Publikums die Bühne zu verlassen und hinter den Kulissen den rhythmischen Chor der Massen zu hören: »ZU-GA-BE! ZU-GA-BE!« Offenbar kam die Show gut an! Die bekommen nicht genug! In den Anfangstagen unserer Band hat uns diese freundlich gemeinte Aufforderung regelmäßig vor Probleme gestellt: Wir hatten keine weiteren Songs und deshalb auch keine Zugabe. Was soll’s – dann spielen wir das beste Lied noch mal! Ich enttäusche mein Publikum nur ungern. Heute haben wir ausreichend Programm und planen die Setlist immer so, dass wir mit einem emotionalen Höhepunkt enden. Die finale Nummer geht am meisten ab, damit Band und Publikum ein letztes Mal durchdrehen. Anschließend fallen sich alle erschöpft und glücklich in die Arme. Das richtige Ende und dessen Zeitpunkt zu finden klingt leichter, als es ist – auch bei einer Rede oder einem Vortrag. Wie lange sprichst du im Normalfall? 20 Minuten, 30, 60? Wenn dir ein Zeitrahmen gesteckt wird, musst du dich daran halten. Hast du freie Hand, solltest du gut überlegen, wie viel du deinem Publikum zumutest. In Rhetorik-Ratgebern findest du dazu zahlreiche Faustregeln: In den USA wird halbernst verkündet, dass eine Rede maximal sieben Minuten dauern darf – wenn sie mit einem Witz beginnt und endet; in Deutschland werden meist ein Richtwert von 20 Minuten und eine Höchstgrenze von 45 propagiert. Machen wir es kurz: So pauschal kann man das nicht sagen. Die Länge deines Textes richtet sich nach dessen Inhalt, deinem Publikum und die an dich gestellten Anforderungen seitens des Veranstalters. Du solltest jedoch immer im Hinterkopf haben: Wer kürzer redet, hat länger recht. Fass dich so kurz wie möglich. In 20 Minuten kannst du dich mit jedem Thema ausreichend auseinandersetzen. Leite dein Ende möglichst deutlich ein, mit Formulierungen wie »abschließend«, »zum Abschluss« oder »bevor ich schließe«. Dann gilt es, einen letzten guten Eindruck zu hinterlassen. Mach es wie die Rockstars und schließe mit einem
bombastischen Finale. Konfettikanonen hast du wahrscheinlich nicht zur Hand, deshalb sorge mindestens inhaltlich für einen letzten Knalleffekt. Beantworte die Frage, die du eingangs gestellt hast, oder löse das große Rätsel. Es ist immer eine gute Idee, den Bezug zum Anfang herzustellen und den Kreis zu schließen. Was meinst du, weshalb ich Freddie Mercury und »Live Aid« gerade noch mal ins Spiel gebracht habe? Oder richte den Blick voraus und motiviere dein Publikum. Bestenfalls setzt du noch eins drauf, überraschst und bleibst im Gedächtnis. Berühmte letzte Worte und so. Zitate eignen sich dafür ebenfalls.
»Wer kürzer redet, hat länger recht.«
Ich bleibe ZUM ABSCHLUSS bei meiner Linie und schließe nur für die gute Stimmung mit einem Zitat einer Musikikone. Es spricht die junge Britney Spears: »Ich bin für die Todesstrafe. Wer schreckliche Dinge getan hat, muss eine angemessene Strafe bekommen. So lernt er seine Lektion für das nächste Mal.« Wenn du jetzt zumindest ein wenig schmunzelst, war das Nonsens-Zitat gut gewählt. Die allerletzten Worte aus meiner Feder sollten so oder so ähnlich auch deine Show on stage beschließen: »Ich hoffe, ihr hattet eine gute Zeit und konntet ein bisschen was für euch mitnehmen. Ich danke euch von Herzen für eure Aufmerksamkeit! Peace Out!«
PEACE OUT
Schreiben ist eine recht einsame Angelegenheit, zumindest bei mir. Ich brauche Ruhe und Zeit – zwei rar gewordene Luxusgüter. Erst als ich Ende September 2019 meinen Angestelltenhut an den Nagel gehängt hatte, konnte ich mir beides in ausreichendem Maße leisten. Willkommen, neues Leben! Da saß ich nun, am Strand im marokkanischen Essaouira, mehrere Wochen immer mit einem Buch in der Hand oder dem Laptop im Schoß. Dass ich ausgerechnet in Marokko gelandet bin, habe ich Maryam und Asil zu verdanken. Ihre liebevolle Unterstützung – vor allem in der Zeit davor – hat mein Leben auf vielfältige Weise bereichert. Alleine im Ausland, auf mich selbst reduziert, habe ich auch viel an meine Familie gedacht. Ohne sie wäre nichts von alledem möglich. Meine Eltern, Kerstin und Joachim, haben mir alle Türen geöffnet, mich immer vorbehaltlos unterstützt und geliebt. Außerdem waren sie die besten Vorbilder in puncto Empathie und Arbeitsmoral. Ich werde euch immer dankbar sein! Auch meine Geschwister, Maria und Nico, haben mich entscheidend geprägt und mir den künstlerischen Weg mit viel Anteilnahme und mitgeebnet. Danke! Dank und Grüße gehen auch an den Rest meiner Familie – allen voran an meine Großeltern Brigitte und Wolfgang sowie Brigitte und Erich. Sie waren maßgeblich an meiner behüteten Kindheit und Jugend beteiligt und haben mir geholfen, zu dem Menschen zu werden, der ich bin. Ich danke allen Weggefährten, die Freunde waren und Freunde sind. Ein besonders herzlicher Dank geht an Simon, der nicht nur mein Bruder im Geist, sondern auch mein kongeniales Pendant ist. Er schreibt seit mehr als zehn Jahren die Musik, auf der ich mich verewigen kann. Lass uns einfach immer weitermachen! Danke an alle ehemaligen und aktuellen Grundfunk-Bandmitglieder sowie die vielen fleißigen Hände in unserem Umfeld, die uns mit ihrer Kreativität und ihrem Einsatz helfen, unsere Vision auf vielfältige Weise umzusetzen.
Ich danke allen Menschen, von denen ich lernen konnte und kann. Ohne meine Zeit als Angestellter in der PR-Branche hätte ich den Weg der Selbstständigkeit nicht beschreiten können. In Mainz konnte ich das Handwerkszeug von Bruno lernen, in Frankfurt hat mir Volker entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung gegeben.
»Danke!«
Für die konkrete Mitarbeit am Buch danke ich nochmals meiner lieben Mama, die nicht nur ein gutes Herz, sondern auch ein gutes Auge hat. Weitere Anmerkungen und Korrekturen kamen von meinem Freund Jens, der mir darüber hinaus mit anregenden Gesprächen viele neue Denkanstöße gegeben hat. Ihr seid ein wichtiger Teil dieser Geschichte! Herzlichen Dank auch an Danja Hetjens vom Campus Verlag, die in meinen Zeilen Potenzial erkannt und schließlich auf sehr sympathische und akribische Weise das Lektorat übernommen hat. Mit diesem Buch geht für mich ein Traum in Erfüllung. Denn verrückterweise habe ich mich trotz aller Jobs und Hobbys, denen ich bisher nachgegangen bin, immer in erster Linie als Autor gesehen. Deshalb kann ich nicht anders, als den Blick demütig Richtung Himmel schweifen zu lassen, die Hände zu falten und zu sagen: Wenn es dich da oben wirklich gibt … Danke, Superman!
ZUM WEITERLESEN
Bredemeier, Karsten: Provokative Rhetorik? Schlagfertigkeit! 3. Aufl. München: Wilhelm Goldmann Verlag, 2000 Brown, James: Godfather of Soul. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2008 Byrne, David: Wie Musik wirkt. 2. Aufl. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2019 Cameron, Julia: Der Weg des Künstlers. Ein spiritueller Pfad zur Aktivierung unserer Kreativität. Neuausgabe. München: Droemer Knaur GmbH & Co. KG, 2009 Clapton, Eric: Mein Leben. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 2016 Collins, Phil: Da kommt noch was. Not Dead Yet. Eine Autobiographie. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2016 Davis, Miles & Troupe, Quincy: Miles. The Autobiography. New York: Simon & Schuster Paperbacks, 2011. Dickinson, Bruce: What does this button do? Die Autobiografie. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019 Dylan, Bob: Chronicles. Volume One. 1. Aufl. London: Simon & Schuster UK Ltd., 2004 Easlea, Daryl: Without Frontiers. The Life and Music of Peter Gabriel (Revised). London: Omnibus Press, 2018 Evans, Mike: Ray Charles. Die Geburt des Soul. 1. Aufl. Berlin: Bosworth, 2008
Harry, Debbie: Face it. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019 Jackson, Michael: Moonwalk. Mein Leben. 1. Aufl. München: Goldmann Verlag, 1992 Jay-Z: Decoded. 1. Aufl. New York: Spiegel & Grau, 2010 John, Elton: Ich. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019 Johnstone, Keith: Improvisation und Theater. 4. Aufl. Berlin: Alexander Verlag, 1998 Jones, Quincy & Gibson, Bill: Q on Producing. The Soul and Science of Mastering Music and Work. 1. Aufl. Milwaukee: Hal Leonard Books, 2010 Keys, Alicia & Burford, Michelle: More Myself. A Journey. 1. Aufl. London: Macmilla, 2020. King, Stephen: Das Leben und das Schreiben. 5. Aufl. München, Deutschland: Wilhelm Heyne Verlag, 2011 Kushner, Malcolm: Erfolgreich Reden halten für Dummies. 1. Aufl. Weinheim: Wiley, 2007 Oldengott, Frank/ Dye, Simon & Vinícius: Vocal Performance Coach. 1. Aufl. Bergkirchen: PPVMEDIEN, 2009 Prince: The Beautiful Ones. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019. Reiser, Rio / Eyber, Hannes: König von Deutschland. Erinnerungen an Ton Steine Scherben und mehr. 2. Aufl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2017. Richards, Keith: Life. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2014 Santana, Carlos: Der Klang der Welt. Mein Leben. 1. Aufl. München: riva Verlag, 2015 Sauer, Christian: Souverän schreiben. Klassetexte ohne Stress: Wie
Medienprofis kreativ und effizient arbeiten. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine Buch, 2007 Schneider, Wolf: Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt. 4. Aufl. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2013 Schneider, Wolf: Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte. 5. Aufl. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2013 Sichtermann, Kai / Johler, Jens & Stahl, Christian: Keine Macht für Niemand. Die Geschichte der Ton Steine Scherben. Erweiterte Neuausgabe. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2008. Simmons, Gene: So wird man Rockstar und Millionär. Mein Erfolgsrezept. 1. Aufl. Höfen: Hannibal Verlag Townshend, Pete: Who I Am. Die Autobiographie. 2. Aufl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2012 Turner, Tina: My Love Story. The Autobiography. 1. Aufl. London: Century, 2018
ONLINE
Geyer, Steffen. Zitate aus der Musik, Liedern und Gedichten. http://usualredant.de/weisheiten/lied-und-lyrik.html (abgerufen 13.10.2019) Hoffmann, Christian (1. Oktober 2019). Präsentieren wie ein Rockstar. https://www.motivationerfolg.de/erfolgreich-praesentie ren/praesentieren-wieein-rockstar/ (abgerufen 10.02.2020) Mai, Jochen (10. Februar 2017). Powerpoint Präsentation: Tipps, Vorlagen, Beispiele. https://karrierebibel.de/powerpoint-praesentation-tipps (abgerufen 12.02.2020) Sartor, Johannes u. Dittrich, Fabian (6. März 2018). Lernen im Schlaf – So funktioniert es wirklich!. https://abi.unicum.de/schule-a-z/lernen/lernen-imschlaf-so-funktioniert-es-wirk lich (abgerufen 20.04.2020) Seegers, Armgard (6. Mai 2016). Lampenfieber – die Angst vor der Bühne. https://www.abendblatt.de/kultur-live/article 207536859/Lampenfieber-dieAngst-vor-der-Buehne.html (abgerufen 14.10.2019) Robbie Williams gesteht: Gedächtnislücken durch zu viele Drogen. https://www.bild.de/unterhaltung/leute/leute/robbie-williamsgedaechtnisschwund-durch-zu-viele-drogen-70429 682.bild.html (abgerufen am 20.05.2020) Weber, Silke (28. September 2018). Reden lernt man nur durch reden. https://www.zeit.de/zeit-wissen/2018/05/rhetorik-ausstrahlung-redekunst-tipps? utm_referrer=https%3A%2F% 2Fwww.google.com%2F (abgerufen 26.10.2019) Wohlleber, Gustav (3. Januar 2020). Redeangst überwinden – 11 bewährte Tipps & Übungen. https://kommunikation-lernen.de/redeangst-ueberwinden/ (abgerufen 30.01.2020)
QUELLENNACHWEIS
Die Zitate von und über James Brown auf den Seiten 118, 128, 164, 174 und 210 stammen aus: Brown, James: Godfather of Soul. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2008. Die Zitate von Ray Charles auf den Seiten 40, 74 und 79 stammen aus: Evans, Mike: Ray Charles. Die Geburt des Soul. 1. Aufl. Berlin: Bosworth, 2008. Das Zitat von Eric Clapton auf der Seite 41 stammt aus: Clapton, Eric: Mein Leben. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 2016. Die Zitate von Phil Collins auf den Seiten 20, 65, 73, 123, 153, 155, 162 und 163 stammen aus: Collins, Phil: Da kommt noch was. Not Dead Yet. Eine Autobiographie. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2016. Die Zitate von Miles Davis auf den Seiten 73 und 164 stammen aus: Davis, Miles & Troupe, Quincy: Miles. The Autobiography. New York: Simon & Schuster Paperbacks, 2011. Die Zitate von Bruce Dickinson auf den Seiten 132 und 156 stammen aus: Dickinson, Bruce: What does this button do? Die Autobiografie. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019. Das Zitat von Bob Dylan auf der Seite 46 stammt aus: Dylan, Bob: Chronicles. Volume One. 1. Aufl. London: Simon & Schuster UK Ltd., 2004. Die Zitate von Debbie Harry auf den Seiten 104, 121 und 135 stammen aus: Harry, Debbie: Face it. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019. Die Zitate von Michael Jackson auf den Seiten 20, 36, 40, 41, 99, 118, 131f., 136, 165, 166, 210 und 212 stammen aus: Jackson, Michael: Moonwalk. Mein Leben. 1. Aufl. München: Goldmann Verlag, 1992.
Die Zitate von Jay-Z auf den Seiten 39, 79 und 211f. stammen aus: Jay-Z: Decoded. 1. Aufl. New York: Spiegel & Grau, 2010. Die Zitate von Elton John auf den Seiten 30, 72, 92, 100, 130, 150f. und 206 stammen aus: John, Elton: Ich. Die Autobiografie. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019. Die Zitate von Quincy Jones auf den Seiten 40, 71, 79 und 81 stammen aus: Jones, Quincy & Gibson, Bill. Q on Producing. The Soul and Science of Mastering Music and Work. 1. Aufl. Milwaukee: Hal Leonard Books, 2010. Die Zitate von Alicia Keys auf den Seiten 104 und 150 stammen aus: Keys, Alicia & Burford, Michelle: More Myself. A Journey. 1. Aufl. London: Macmilla, 2020. Die Zitate von Stephen King auf den Seiten 33 und 209 stammen aus: King, Stephen: Das Leben und das Schreiben. 5. Aufl. München, Deutschland: Wilhelm Heyne Verlag, 2011. Das Zitat von Prince auf der Seite 74 stammt aus: Prince: The Beautiful Ones. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019. Die Zitate über Rio Reiser auf den Seiten 38 und 44 stammen aus: Sichtermann, Kai / Johler, Jens & Stahl, Christian: Keine Macht für Niemand. Die Geschichte der Ton Steine Scherben. Erweiterte Neuausgabe. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2008. Die Zitate von Keith Richards auf den Seiten 37, 38, 47, 78, 96, 99f., 121, 150, 176 und 213 stammen aus: Richards, Keith: Life. 1. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2014. Die Zitate von Carlos Santana auf den Seiten 35, 74, 89, 170 und 195 stammen aus: Santana, Carlos: Der Klang der Welt. Mein Leben. 1. Aufl. München: riva Verlag, 2015. Die Zitate von Gene Simmons auf den Seiten 36, 65, 128, 146 und 163 stammen aus: Simmons, Gene: So wird man Rockstar und Millionär. Mein Erfolgsrezept. 1. Aufl. Höfen: Hannibal Verlag, 2015. Die Zitate von Pete Townshend auf den Seiten 42, 75, 124 und 148 stammen
aus: Townshend, Pete: Who I Am. Die Autobiographie. 2. Aufl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2012. Die Zitate von Tina Turner auf den Seiten 78, 99, 103, 133, 134, 171, 176 und 188 stammen aus: Turner, Tina: My Love Story. The Autobiography. 1. Aufl. London: Century, 2018.
WEITERE ZITATE
Seite 9: Freddie Mercury: http://www.theatercourier.de/2019/ 04/16/comoediedresden-show-must-go-on/ Seite: 10: Howard Carpendale: http://usualredant.de/weisheiten/lied-undlyrik.html Seite 19 f.: Ozzy Osbourne: http://www.schule-derrockgitarre.de/de/archiv/topic/lampenfieber Seite 21: Dieter Thomas Heck: https://gutezitate.com/zitat/190141 Seite 24: Stevie Nicks: https://www.brainyquote.com/quotes/ste vie_nicks_189424 Seite 29: Cicero: »Reden lernt man nur durch reden.« https://www.zeit.de/zeitwissen/2018/05/rhetorik-ausstrahlung-rede kunst-tipps? utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F Seite: 30: Mario Adorf: https://www.kino.de/star/hugh-grant/news/filmstars-imlampenfieber/ Seite 35: Lionel Richie: https://quotefancy.com/quote/1383783/Lionel-RichieTraveling-did-a-great-deal-to-me-I-found-that-when-I-travel-and-just-sit-in Seite 38: Jimi Hendrix: https://www.zitate.eu/autor/james-mar shall-jimihendrix-zitate/180632 Seite 72: Henry Miller: Dickinson, Bruce: What does this button do? Die Autobiografie. 2. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019 (Originalausgabe: What does this button do? London: HarperCollinsPublishers, 2017)
Seite 72: Kurt Cobain: https://zitatezumnachdenken.com/kurt-cobain/10239 Seite 98: Alicia Keys: Oldengott, Frank/ Dye, Simon & Vinícius: Vocal Performance Coach. 1. Aufl. Bergkirchen: PPVMEDIEN, 2009 Seite 112: Albert Mehrabian: https://www.derrhetoriktrainer.de/blog/nonverbale-kommunikation-das-mehrabian-missver standnis/ Seite 150: Karel Gott: https://www.zitate.eu/autor/karel-gott-zita te/280526 Seite 165: Till Lindemann: VÖ DVD Rammstein »Völkerball«, Dokumentation »Anakonda im Netz«, 2006 Seite 170: Jerry Lee Lewis: Oldengott, Frank/ Dye, Simon & Vinícius: Vocal Performance Coach. 1. Aufl. Bergkirchen: PPVMEDIEN, 2009 Seite 198: Michael Jackson: https://www.goodreads.com/quo tes/336344-beforeyou-judge-me-try-hard-to-love-me Seite 209: Robbie Williams: https://www.zitate.eu/autor/robbie-williamszitate/173080 Seite 213: Freddie Mercury: https://zitatebox.de/m/mercury-freddie
ÜBER DEN AUTOR
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NILS ZEIZINGER Seine Heimat ist der Thüringer Wald, sein Zuhause Mainz am Rhein, sein Refugium die Welt der Worte. Seit seiner Kindheit liest er alles, was er in die Finger bekommt, und hat sich mit Herz und Hirn dem Schreiben verschrieben. Früher verfasste er Kurzgeschichten, Gedichte und kleine Theaterstücke, heute Bücher, Liedtexte für seine Band Grundfunk (grundfunk-musik.com), Auftragsarbeiten für ausgewählte Unternehmen sowie Kolumnen zu Kommunikations- und Wirtschaftshemen. Der Publizistik-, Literatur- und Politikwissenschaftler arbeitete nach seinem Studium sieben Jahre in der PR-Branche – unter anderem als Medientrainer sowie als Berater für strategische Kommunikation und Krisenmanagement. Seit 2019 widmet er sich als Selbstständiger ausschließlich dem geschriebenen und gesprochenen Wort – als freier Texter, Sprecher, und Rapper. Nils Zeizinger hat 20 Jahre Bühnenerfahrung.
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1 Liebe Leser und Leserinnen, liebe Freunde und Freundinnen der GenderSprachregelung – hier und auch sonst steht die männliche Form für die weibliche Form mit.
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